Zwei Stadträte zogen sich – im selbst erklärten Interessenkonflikt – in die voll besetzten Zuschauerreihen zurück.Foto: Eyrich Foto: Schwarzwälder Bote

Baugebiet Pfarrwiesen: Beschlussvorschlag auf Teilsubventionierung für Grundstücke findet keine Mehrheit

Soll die Stadt die Bauplatzpreise im Gebiet "Pfarrwiesen" in Heinstetten niedriger halten als die Erschließungskosten es hergeben und damit subventionieren? Die Diskussion im Gemeinderat war kurz – aber kontrovers.

Meßstetten. Dass Stadträtin Doris Vivas unter Tränen die Stimme versagte, als sie für sich – Fraktionschefin der Frauenliste – und ihren Mann Francisco Vivas, der die Bürgerliste vertritt, einen Interessenkonflikt erklärte und ankündigte, das Paar werde an der Diskussion nicht teilnehmen, zeigte die Brisanz. Und ein Übriges taten die vollen Zuhörerreihen in der Festhalle, wo der Gemeinderat am Freitagabend über die Verkaufspreise für Bauplätze im ersten Bauabschnitt des Heinstetter Gebiets "Pfarrwiesen" zu entscheiden hatten.

Dass ein Verwandter des Ehepaares Vivas dort bauen will, sei kein Grund, "Befangenheit" auszusprechen, erklärte Bürgermeister Frank Schroft, akzeptierte aber den Rückzug der beiden Stadträte in die Zuhörerreihen und erteilte Stadtkämmerer Daniel Bayer das Wort, der erläuterte, wie die Preise kalkuliert worden seien.

Dass die Stadt laut Gemeindeverordnung ihr Vermögen – also auch die Bauplätze – zum "vollen Wert" veräußern müsse, der Gemeinderat aber eine Abweichung vom Schätzwert beschließen dürfe, schickte Bayer voraus, ehe er die Fakten darlegte.

Der erste Bauabschnitt umfasst 6386 Quadratmeter Allgemeines Wohngebiet, 5901 Quadratmeter Mischgebiet, 1176 Quadratmeter Eingeschränktes Gewerbegebiet, 3063 Quadratmeter Straßen- und 462 Quadratmeter Fußwegfläche. In die Verkaufspreise einkalkuliert seien 33 536 Euro Planungskosten sowie 190 732 Euro Kosten der Stadt für Flächenerwerb vor der Erschließung, wobei die Grundstücksflächen mit 155 381 Euro und die Straßenfläche mit 35 351 Euro zu Buche schlagen. Ferner seien Vermessungskosten von 37 837 Euro, der Erschließungsbeitrag und der Gemeindeanteil für die Herstellung der Straßen in die Rechnung eingeflossen – letzterer liegt für die Stadt bei 52 858 Euro. Die Kosten für den Gehweg entlang der Landesstraße 196 schlagen mit 27 600 Euro zu Buche, jene für den Sammelweg "Ellenstraße" mit 70 725 – sie werden auf beide Bauabschnitte umgelegt. 25 900 Euro für naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahmen sind ebenso eingepreist wie die Anliegerbeiträge für Abwasserbeseitigung – 72 300 Euro – und Wasserversorgung – 61 700 Euro –, wobei die tatsächlichen Kosten 650 000 Euro übersteigen. Kosten für Leerrohre zur Breitbandversorgung werden nicht umgelegt, und auch weitere Folgekosten, etwa für den durch neue Einwohner nötigen Infrastrukturausbau, bleiben ebenfalls unberücksichtigt.

Kosten für Anschlussleitungen kommen für Häuslebauer noch hinzu

Zu den 109,15 Euro pro Quadratmeter, die unter Bayers Strich stehen, kommen für Grundstückskäufer rund 5000 Euro Kosten für Anschlussleitungen vom Haus zu den Kanälen. Weil diese 109 Euro der Verwaltung als "nicht vertretbar" erschienen, hatte sie eine Staffelung vorgeschlagen: 100 Euro im Wohn- und Mischgebiet, 65 Euro für die Bauplätze eins und zwölf im Mischgebiet und 45 Euro im Gewerbegebiet, womit sie die Preise mit 256 851 Euro subventioniert hätte.

Der Ortschaftsrat Heinstetten hatte für 98 Euro im Wohn- und Mischgebiet plädiert – die Subvention hätte das auf 277 483 Euro erhöht. Was die Verwaltung akzeptierte – und 98 Euro im Beschlussvorschlag einsetzte.

Die Rechnung hatte sie freilich ohne die Fraktionen gemacht. Den weitestgehenden Antrag stellte die Bürgerliste, und ihr Sprecher Oliver Rentschler begründete, warum es bei 109 Euro bleiben sollte: Die "umfangreiche und sehr großzügige Wohnungsbauförderung der Stadt, passgenau zugeschnitten", unterstütze junge Familien. Sie verlange – anders als andere – keinen Infrastrukturzuschlag, im ländlichen Raum sei der Bauplatzpreis "nicht der alles entscheidende Punkt" bei Baukosten, und die verbilligte Abgabe städtischer Bauplätze widerspreche dem allgemeinen Ziel "Innenentwicklung vor Außenentwicklung".

Dass der Ortschaftsrat Heinstetter Interessen im Blick habe, sei nachvollziehbar, so Rentschler. Der Gemeinderat müsse aber die Interessen der Gesamtstadt wahren, die Haushaltskonsolidierung ernst nehmen – und dürfe keine Präzedenzfälle schaffen. Die bisherige Praxis zur Festlegung der Verkaufspreise habe sich über lange Jahre bewährt, und zudem sei die Stadt nicht verantwortlich zu machen für "die aufwendigen Bestimmungen der Verkehrsbehörde mit der anscheinend zwingend notwendigen Linksabbiegespur", womit Rentschler einen weiteren Kostenfaktor ansprach.

Frank Schroft setzte die jahrelange Verzögerung des Baugebiets – rechtskräftig war der Bebauungsplan 2009, erschlossen wurde aber nicht – dagegen. Die inzwischen gestiegenen Erschließungskosten dürften Bauplatzkäufern nicht zum Nachteil gereichen, und wenn die Stadt den Linksabbieger nicht einrechne, subventioniere sie schließlich auch. Jürgen Marienfeld (Freie Wählervereinigung) aus Heinstetten hält 109 Euro "in einem Stadtteil ohne namhafte Infrastruktur" für "unzumutbar" und "nicht familienfreundlich" – er beantragte namentliche Abstimmung.

Tarzisius Eichenlaub: Subventionieren mit der Gießkanne – oder doch gezielt?

Sein Fraktionschef Tarzisius Eichenlaub warnte angesichts der "wirklich guten Förderprogramme" für Familien und Innensanierung vor dem Gießkannenprinzip, und Ernst Berger, Fraktionschef der CDU, stellte den Antrag, sich bei 104,50 Euro in der Mitte zu treffen angesichts der langen Verzögerung bis zur Erschließung.

Der Heinstetter Ortsvorsteher Thomas Deufel (CDU) erinnerte an die Ziele der Agenda Meßstetten 2030, bezahlbare Bauplätze zu schaffen, an die Preissteigerung von 74 Prozent gegenüber Altbauplätzen im Ort und den Nutzen des Linksabbiegers für die Allgemeinheit. Dafür, dass die Baufirma teurer sei als jene, die in Unterdigisheim "Wasserfuhr" erschließe, könnten Bauplatzkäufer nichts.

Matthias Schwarz (FWV) und sein Fraktionskollege Harald Eppler hielten eine Grundsatzdiskussion über künftige Richtlinien für angebracht, stellten aber keinen Antrag auf Vertagung des Beschlusses, für den somit drei Anträge im Raum standen. Dem der Bürgerliste schlossen sich am Ende 14 Räte an, neun stimmten dagegen. Somit kostet der Quadratmeter im ersten Bauabschnitt im Wohn- und im Mischgebiet 109,15 Euro.

Bei den Bauplätzen eins und zwölf im Mischgebiet sind es 65 Euro, im Eingeschränkten Gewerbegebiet 45 Euro – diesen Punkten und den weiteren Formalien schlossen sich in der Abstimmung 15 Räte und der Bürgermeister an, sieben stimmten dagegen.

So viel kosten Bauplätze pro Quadratmeter in der Gesamtstadt Meßstetten zuzüglich Anschlussleitungen:

n Meßstetten: 92 Euron Tieringen: 81 Euron Hossingen: 69 Euron Heinstetten, altes Baugebiet: 63 Euron Unterdigisheim, altes Baugebiet: 63,71 Euro

n Hartheim: 40 Euron Oberdigisheim: 39 Euro

Hut ab vor dem Mut von Oliver Rentschler! Der Fraktionschef der Bürgerliste wusste, dass er sich im Baugebiet Pfarrwiesen in Heinstetten keine Freunde macht mit seinem Antrag, die dortigen Grundstückspreise nicht städtisch zu subventionieren. Dass ihm das als Stadtrat, der die kommunalen Finanzen und die Gleichbehandlung aller Grundstückskäufer in der Gesamtstadt im Auge haben muss, egal war, spricht für sein Rückgrat und seine Unabhängigkeit als gewählter Bürgervertreter. Ärgerlich war in der Sitzung indes, dass zahlreiche Zuhörer die Diskussion ihrer gewählten Vertreter kommentierten. Schon Applaus für Redebeiträge hat dort nichts verloren, demonstrativ hämisches Gelächter und vernehmbar geäußerte Kommentare noch viel weniger. Die Stadträte sind gewählt – und sollten unbeeinflusst diskutieren können, ehe sie abstimmen.