Der Info-Point in der Landeserstaufnahmeeinrichtung in Meßstetten ist neu gerichtet und an anderem Ort platziert. Er ist die erste Anlaufstelle neu ankommender Flüchtlinge. Dort arbeitet auch die 33-jährige Klara Sbahe aus Syrien. Foto: Holbein

Am Info-Point der Landeserstaufnahmeeinrichtung in Meßstetten. Klara Sbahe kümmert sich um die Neuankömmlinge.

Meßstetten - Das Telefon klingelt mitten in die Besprechung hinein. Birgit Karwath, Leiterin der Betreibergesellschaft European Homecare (EHC) für die Landeserstaufnahmeeinrichtung (Lea) in Meßstetten, nimmt ab. Die Pforte ist dran: Am Eingang der früheren Zollernalbkaserne warten die nächsten Flüchtlinge und bitten um Einlass: Alltag am Info-Point der Lea. "Man hat keine Zeit, eine Pause zu machen", sagt Klara Sbahe, etwa wenn 100 Menschen auf einmal ankommen. Die 33-jährige junge Frau, die aus Aleppo in Syrien stammt und fließend Deutsch und Arabisch spricht, arbeitet seit kurzem am Info-Point: "Ich will den Menschen helfen." Seit rund einem Monat lebt sie nun in Meßstetten und hat dort eine Wohnung.

Es herrscht reges Leben und ein Kommen und Gehen an der Theke

Während Karwath mit den Mitarbeitern spricht und die Übergabe macht, hält ein Bus in der Lea, er soll Flüchtlinge zur Einrichtung nach Sigmaringen bringen. Künftig soll regelmäßig ein Bus fahren und Menschen von Meßstetten nach Sigmaringen befördern, um Platz in der Lea zu schaffen. Die Mitarbeiter stehen bei der Besprechung im Kreis hinter der Theke des Info-Points, alle haben ein Namensschild angesteckt. An diesem Tag fahren 47 Leute mit dem Bus nach Sigmaringen: "Ziel ist es, die Gebäude langsam zu leeren, damit die Menschen nicht mehr im Matratzenlager schlafen müssen", erläutert Karwath.

An der Theke sammeln sich die Flüchtlinge. Klara Sbahe schreibt deren Anliegen, Sorgen, Nöte und Bedürfnisse auf einen kleinen gelben Zettel, schaut nach dem Ausweis, tippt Daten in den Computer, registriert, fragt nach, was die Menschen brauchen, gibt ihnen Hygieneartikel aus, hört sich ihre Probleme an, übersetzt und informiert, telefoniert, weil ein Flüchtling seinen Ausweis verloren hat, füllt Formulare aus. Derweil stapeln sich die Unterlagen in den Ablagefächern, die noch durchzusehen sind. Die 33-Jährige kniet nieder, holt die Post aus dem Fach der Theke und sieht sie durch: Briefe und Päckchen für die Bewohner von überall her erreichen den Info-Point. Die Flüchtlinge holen ihre Post dort ab.

Zwischendurch bedient die junge Syrerin den Reißwolf, um nicht mehr benötigte Akten zu vernichten: "Datenschutz". Sie ist Ansprechpartnerin für die Menschen: Dort ist ein Zimmer abgeschlossen, das geöffnet werden muss, hier ist ein Handtuch auszugeben: Der Zulauf an der Theke nimmt kein Ende, immer ist jemand da, der eine Information oder etwas anderes benötigt. Da steht einer, der kein Geld bekommen hat, weil er nicht bei der Ausgabe war. Derweil checken andere EHC-Mitarbeiter die Gebäude und Zimmer, um zu schauen, ob Plätze frei sind.

Klara Sbahe geht mit einer Gruppe Flüchtlinge mit, einer davon ist schwerhörig, hilft ihnen, zurückgekehrt gibt sie an eine Frau Toilettenpapier aus. "Die Arbeit ist schwer und sehr anstrengend", sagt sie. Doch "manchmal macht sie Freude, wenn die Menschen gut drauf sind", allerdings sind die Leute mitunter auch aggressiv und ungeduldig, wenn sie an der Theke warten müssen: "Die Menschen sind lange unterwegs und wollen endlich mal ankommen." Gelegentlich fühlt sich die 33-Jährige von der Situation überfordert.

33-Jährige vermittelt zwischen deutscher und arabischer Mentalität

Da hilft es ihr, in einem Team zu arbeiten und Sozialkompetenz zu sammeln. "Das ist eine riesige Erfahrung. Ich bin stolz darauf, Hilfe zu leisten, mit den Menschen zu kommunizieren und zwischen der arabischen und deutschen Mentalität zu vermitteln. Für mich ist Integration, die Menschen auf die andere Seite des Flusses zu bringen." Das sei nicht immer leicht: "Aber wenn ich mich daran erinnere, wie diese Menschen im Krieg leben mussten, was für ein Schicksal und Leid sie erfahren haben, dann schlucke ich die Belastungen runter. Es gilt einfach, alle Kräfte zu sammeln und einzubringen."

So hört sie sich die Sorgen des Mannes an, dessen Frau und Tochter noch unterwegs sind und später nach Meßstetten kommen, während er auf Transfer nach Sigmaringen gehen soll. Die 33-Jährige will sehen, dass die Familie zusammen bleiben kann, kontaktiert das Regierungspräsidium und hat Erfolg: Der Mann darf auf seine Angehörigen in der Lea warten. Ohne Stress geht es am Info-Point nicht ab: "Wir versuchen, Konflikte so gut wie möglich zu vermeiden, aber manchmal ist das nicht machbar. Du musst immer den vergangenen Tag vergessen, neu anfangen, sonst kannst Du das nicht leisten." An diesem Nachmittag bleibt der große Ansturm aus.

Ein Flüchtling mit Bluthochdruck kommt neu an. Er muss schnell in die Krankenstation, um sich messen zu lassen: Klara Sbahe tippt seine Daten rasch in den Computer.

An der Theke wird plötzlich in hektischem Arabisch diskutiert: Es gibt Probleme mit den Zimmern; einige wollen nicht in einem großen Saal mit 30 anderen untergebracht sein. Die 33-Jährige vermittelt. Ein anderer beklagt, dass ihm sein Handy geklaut wurde: Klara Sbahe schickt ihn zur Polizeistation. "Abends bin ich erschöpft und schlafe sofort ein, wenn ich ins Bett liege", erzählt sie. Bereut hat sie es dennoch nicht, in der Lea zu arbeiten. "Das war die richtige Entscheidung." In diesem Moment drängelt sich einer lautstark vor und ein anderer bringt eine Unterschriftenliste, mit der er sich beschweren will. "Wir können den Menschen nicht immer gerecht werden." Klara Sbahe versucht es, zeigt Verständnis, erklärt, beruhigt, informiert: "Das ist menschlich schwieriges Terrain."

Dann geht sie und bereitet heißes Wasser für eine Familie mit Kindern zu, denn Wasserkocher sind in den Zimmern nicht erlaubt. Wenn am Ende des Tages die Menschen versorgt sind, ist die 33-jährige Syrerin glücklich.

Klara Sbahe ist 33 Jahre alt und stammt aus Aleppo in Syrien. Seit sechs Jahren lebt sie in Deutschland, hat hier studiert am Institut für Künstlerische Keramik und Glas der Hochschule Koblenz und 2012 das Studium mit dem Master als Bildhauerin abgeschlossen. In Heidelberg will sie jetzt ihren Doktor machen – neben ihrer Arbeit in der Lea. Ihre Mutter und ihre Schwester haben den Krieg in Syrien erlebt und sind geflüchtet. Dass dort alles zerstört ist, schmerzt die 33-Jährige. In ihre Heimatland will sie deshalb derzeit nicht zurückkehren. Sie hat in Aleppo gelebt und gearbeitet, hatte dort Freunde: "Jetzt ist alles in Trümmern." Für Ihr Land wünscht sie sich Frieden, dass die Menschen dort nicht mehr in Gefahr leben.

(hol). Die European Homecare GmbH betreibt mit 70 Mitarbeitern und unter der Leitung von Birgit Karwath die Landeserstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Meßstetten. Die erste Anlaufstelle für die Asyl suchenden Menschen ist der Info-Point der Lea. Dort helfen die EHC-Mitarbeiter den Flüchtlingen und Asylbewerbern rund um die Uhr in drei Schichten: in der Frühschicht von 6 bis 14.30 Uhr, in der Spätschicht von 14 bis 22.30 Uhr und der Nachtschicht von 22 bis 6.30 Uhr. Dazwischen – von 14 bis 14.30 Uhr – findet eine Übergabe statt. In jeder Schicht sind sechs Leute beschäftigt, die Nachtschicht ist mit drei Mitarbeitern besetzt und am Wochenende arbeiten zwei bis drei Beschäftigte.

"Wir haben sehr viele neue Mitarbeiter, erzählt Karwath. "Angefangen haben wir mit 15 Leuten. Jetzt sind wir bei knapp 80 inklusive der Honorarärzte, Hebammen und weiterer Kräfte."

Bei EHC sind viele Nationalitäten vertreten: Menschen aus Deutschland, Tunesien, Syrien, aus dem Irak, Kosovo, Iran, Libanon, Rumänien, Vietnam, Mazedonien, Armenier, aus Ägypten, Kenia, Serbien und Bosnien.