Die Flüchtlinge in der Landeserstaufnahmestelle in Meßstetten feiern ausgelassen in der Weihnachtszeit – trotz aller Sorgen. Foto: Eyrich

Menschen in der Landeserstaufnahmestelle haben nur ein Weihnachtswunsch: Frieden. Wehmütiger Blick nach Hause.

Meßstetten - Wie feiert man Weihnachten in einer Einrichtung, in der Menschen verschiedener Religionen leben, denen angesichts der Lage in ihrer Heimat gar nicht nach Feiern zumute ist? Wer die Landeserstaufnahmestelle (LEA) in Meßstetten besucht, kann es erleben.

Großer Heuberg. Winter. Draußen fällt der erste, kalt-nasse Schnee. Im Eilschritt strömen die Flüchtlinge aus sieben Ländern, von denen gestern 900 in der Lea in Meßstetten waren, ins frühere Soldatenheim. Das Licht lockt – und ganz vertraute Klänge, denn drinnen singt Mohamed Khair Al-Shihabi traditionelle syrische Volkslieder, umringt von einigen Dutzend Zuhörern aus seiner Heimat, aber auch aus dem Iran, dem Irak, Afghanistan, Eritrea, Serbien und Somalia. "Natürlich feiern wir Weihnachten, das haben wir auch zuhause getan", sagt Al-Shihabi. "Schließlich beten wir Muslime und die Christen zum selben Gott – da versteht man auch die andere Religion."

Der Kontakt zu den Familien in der Heimat ist meist sehr schwierig

Noch eines eint die Syrer und ihre Gastgeber: "Schnee fällt um diese Jahreszeit auch bei uns", erzählt Al-Shihabi. "Deshalb würden wir uns über Schnee zu Weihnachten freuen." An Heiligabend wollen er und seine Freunde in Gruppen ins nahe Ebingen fahren, dort Gottesdienste in den Kirchen besuchen und den "Countdown" für das Christfest herunterzählen, kündigt er ausgelassen an. Ist seine Fröhlichkeit echt?

Minuten später jedenfalls ist sie verschwunden, wenn Al-Shihabi von seinen Eltern spricht, die – schon wegen ihres Alters – in Syrien zurückgeblieben sind. "Derzeit versuche ich mit Hilfe der Caritas, sie hierher zu holen, und hoffe, dass sie bald kommen können", sagt der junge Mann, der in Deutschland Medizin studieren will. Mit Kontakt zur Familie sehe es derzeit allerdings schlecht aus: "In allen Regionen Syriens ist es gefährlich und die Telekommunikationsnetze sind vielerorts zerstört."

Inzwischen hat die Sängerin Shahed die nicht vorhandene Bühne erobert und singt Songs von Aretha Franklin und Amy Winehouse mit so starker Stimme, dass einer sofort aufs Parkett springt und einen Solo-Tanz hinlegt, als wollte er Meisterschaften gewinnen. Die Männer im Publikum klatschen, johlen, singen mit, soweit sie können. Doch warum fast nur Männer?

"Im Nahen Osten sind Söhne der Stolz der Familie", habe ihm Khair Al-Shihabi erzählt, sagt Alfred Sauter, der schon zu Zeiten der Bundeswehr die gute Seele der Kaserne war und auch in der Lea mithilft, wo er kann. "Deshalb geben die Familien all ihr Geld den Söhnen, damit sie raus kommen, und sagen: ›Schau zu, dass Du Fuß fasst in Europa, dann kannst Du uns Geld schicken.‹" Viele täten das bereits jetzt, obwohl sie selbst nur wenig besitzen.

Nur zwei bis vier Wochen bleiben die Flüchtlinge – etwa ein Fünftel von ihnen sind Kinder – in der Lea und werden danach auf Wohngruppen in ganz Baden-Württemberg verteilt. So herrscht ein ständiges Kommen und Gehen in der einstigen Zollernalb-Kaserne. "Wir sind sehr dankbar dafür, wie nett uns die Leute hier aufgenommen haben und uns helfen", sagt Khair Al-Shihabi mit Blick auf das Team von Ehrenamtlichen aus Meßstetten und Mitarbeitern des Trägers "European Home Care". "Sie machen einen echt guten Job, damit wir hier sein können."

Auch an Heilig Abend werden sie da sein, denn dann gibt’s – schon wieder – eine Weihnachtsfeier. Und Geschenke. Was Khair Al-Shihabi sich wirklich wünscht, kann ihm der Nikolaus nicht bringen: "Ein friedvolles Jahr für Syrien und alle Länder der Welt – ich hoffe, dass ich Weihnachten 2015 wieder mit meinen Eltern feiern kann."

Weitere Informationen:

Mehr zur Landeserstaufnahmestelle auf unserer Themenseite.