Arbeiten an der Zukunft der Kirche (von links): Oliver Saia, Andreas Föhl, Christian Rose und Beatus Widmann Foto: Eyrich Foto: Schwarzwälder Bote

Visitation: Evangelischer Kirchenbezirk Balingen stellt sich den Herausforderungen der Gegenwart

"Von außen draufschauen" will Christian Rose, der Reutlinger Prälat, wenn er den evangelischen Kirchenbezirk Balingen besucht. Bei seiner Visitation dieser Tage geht es freilich um viel mehr, wie ein Pressegespräch am Freitag zeigte.

Meßstetten-Tieringen. Den seit März amtierenden Oliver Saia, der sich im Dekanat Balingen um Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit kümmert, haben Prälat Christian Rose aus Reutlingen, der Balinger Dekan Beatus Widmann und Andreas Föhl, Medienbeauftragter der Prälatur Reutlingen, am Freitag in der evangelischen Tagungsstätte Haus Bittenhalde vorgestellt. "Wir merken als Kirche, dass wir sehr stark mit der Öffentlichkeit kommunizieren müssen – das wird immer mehr zur Grundaufgabe", sagte Widmann mit Blick auf den Platz der Kirche in der Gesellschaft, der an Bedeutung verliere.

Rose, der sich mehrere Tage Zeit nimmt, um mit Pfarrern und Kirchengemeinderatsvorsitzenden, Prädikanten und sogar Bürgermeistern – "Das ist mir ganz wichtig!" – zu sprechen, will aber auch "draufschauen", was so passiert im Kirchenbezirk. Ausdrücklich betonte Rose, dass die evangelische Kirche "von der Basis, den Gemeindegliedern her" denke. "Prälat ist bei uns kein Würdetitel, sondern eine Stellenbeschreibung – ich bin der Seelsorger der Pfarrerinnen und Pfarrer." Sofern sie das wollten. Und er sei in Gesprächen mit allen Einrichtungen des Kirchenbezirks, um zu hören: "Was läuft gut? Wo gibt es Sorgen und Nöte?"

Mit Blick auf den theologischen Nachwuchs sieht der Dekan gar nicht so schwarz

Dass die Zahl der Gemeindeglieder landauf, landab abnimmt, gehört dazu. Was den theologischen Nachwuchs angehe, sehe es aber "gar nicht so schlecht" aus, sagt Widmann: "Junge Menschen interessieren sich für das Theologiestudium. Dennoch fielen im Pfarrplan 2024 ganze 5,25 Pfarrstellen in seinem Bezirk weg und damit je eine – nicht immer hundertprozentige – Stelle in der Tailfinger Erlöserkirche, der Ebinger Martinskirche, im Balinger Osten, in Hechingen, in Täbingen und in der Gemeinde Zillhausen/Streichen.

Doch der Prozess sei gut mit den Gemeinden vor Ort abgestimmt, und "die Kirche bleibt im Dorf": Die besonderen Strukturen ländlicher Gemeinden würden bei der Verteilung der Pfarrstellen berücksichtigt – auch 2030, wenn der nächste Pfarrplan in Kraft trete.

"Letztlich ist die AfD so kirchenfeindlich wie keine andere Partei"

Als weitere Herausforderung für die Kirche sehen die Geistlichen den Rechtspopulismus, auch wenn sie noch die richtige Strategie des Umgangs suchten, wie Rose sagt. "Die warten darauf, dass wir über deren Stöckchen springen" – doch das gedenken die Theologen nicht zu tun. In Sulz habe er kürzlich ein Gespräch mit einem AfD-Abgeordneten geführt und sei "erschrocken über dessen Wortwahl", so Rose. "Letztlich ist die AfD so kirchenfeindlich wie keine andere Partei." Zwar sei die evangelische Kirche bereit zum Dialog und sich zudem bewusst, dass Deutschland nicht die ganze Welt aufnehmen könne.

"Aber wir sind eine Landeskirche, die bereit ist für Flüchtlinge", das habe auch der Landesbischof betont, sagt Rose, und Widmann fügt hinzu: "Für uns ist die Würde des Menschen unantastbar. Das ist überhaupt nicht verhandelbar und darf nicht relativiert werden." Hier sehe die Kirche besonders stark ihre Verantwortung in der Nachfolge Jesu Christi, macht er deutlich.

"Wir setzen uns auch für Demokratie und für Europa ein", sagt Rose und hofft, "dass sich die junge Generation noch stärker einmischt". Das Brexit-Votum in Großbritannien habe gezeigt, was passiere, wenn sie es nicht tue: "Jetzt haben die den Salat."

Christian Rose: "Neue Diskussionskultur über Demokratie, Gesellschaft und Politik ist notwendig"

Rose wünscht sich eine neue Diskussionskultur über Demokratie, Gesellschaft und Politik, wie er betont. "Wir müssen unseren Beitrag leisten, die Menschen sehen, die sich abgehängt fühlen" – so wie Christus jeden Menschen angesehen habe. "Wir wollen eine prophetische Kirche sein", was in diesem Fall bedeute, "unsere Überzeugungen in die Gesellschaft hinein zu formulieren".

"Die Stimme der Kirche wird wichtiger, weil die Nächsten- oder sogar Feindesliebe bröckelt in der Gesellschaft", sagt Föhl. "Wir vertreten eine dezidiert christliche Position und dafür haben wir eine Grundlage." Wenn er dann Pegida-Vertreter mit schwarz-rot-goldenem Kreuz sehe – da könnte ich..." Nein, den Satz will er nicht laut zu Ende bringen.

Oliver Saia, der über neue, aber weiterhin auch über klassische Medien den Kirchenbezirk in die Öffentlichkeit bringen will, setzt auch auf die Macht von Bildern: Wenn bei Pegida-Demonstrationen der Domplatz unbeleuchtet bleibe, sage das oft mehr aus als Worte.

Noch eines beschäftigt die Kirchenvertreter: "Wir müssen das geistliche Leben wieder befördern." Ganz viele Menschen hätten eine Sehnsucht, und gerade in der heutigen Zeit seien Glaube, Auszeit und Einkehr wichtig. Mit Olaf Hofmann habe der Bezirk einen Diakon eingestellt, der genau solche Angebot organisiere, freut sich Widmann, und Rose verweist auf Seminare und Workshops in den evangelischen Klöstern, die sogar bei Wirtschaftsunternehmen gut ankämen.

Weitere Informationen: Die Twitter-Seite des evangelischen Kirchenbezirks Balingen, die Oliver Saia derzeit aufbaut, ist zu finden unter #evkbbalingen.