Haben stark für die Einrichtung der Landeserstaufnahmestelle für Flüchtlinge in der Zollernalb-Kaserne Meßstetten geworben: Wolf-Dietrich Hammann, Bilkay Önay und Günther-Martin Pauli (von links). Die Meßstettener zeigten sich gestern durchaus offen für die Pläne. Baldmöglichst sollen nach Angaben des Integrationsministerium die ersten Menschen kommen. Foto: Maier

Festhalle ist bei Infoveranstaltung zur Flüchtlingsunterkunft in der Zollernalb-Kaserne proppenvoll. Öney: "Es geht um eine Notsituation".

Meßstetten - Am Ende hat es ein Lob der baden-württembergischen Integrationsministerin Bilkay Öney gegeben: "Ich bin überwältigt von Ihrem Einsatz, Engagement und Ihrer Bereitschaft und Menschlichkeit." Zuvor hatten sich die Meßstetter in der Festhalle über die geplante Flüchtlingsunterkunft in der Zollernalbkaserne informiert.

 

Die Ministerin hatte Grund für ihr Fazit: Mit 60 Beamten war die Polizei angerückt, um eventuellen Störungen zu begegnen, aber es blieb – bis auf die Verärgerung der knapp 100 Leute, die wegen Überfüllung in den für 400 Menschen gestuhlten Saal – zusätzlich standen noch viele im Foyer und in den Gängen der Halle – nicht rein durften, ruhig, und so zogen die Polizisten nach und nach ihre Kräfte ab.

Im Saal betonte die Integrationsministerin, dass es verpflichtend darum gehe, die Flüchtlinge vor dem Winter menschenwürdig unterzubringen – wofür sie Beifall bekam: "Das sind Menschen in Not, die vor Krieg und Vertreibung fliehen." Da die Flüchtlingszahlen innerhalb kurzer Zeit rasant gestiegen seien, sei nun dringend Handlungsbedarf geboten, eine zweite Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) zu schaffen. Öney verdeutlichte aber auch, dass es sich in Meßstetten um eine "zeitlich befristete Übergangslösung in einer Notsituation" handle. Das unterstrich auch der Ministerialdirektor des Integrationsministeriums Wolf-Dietrich Hammann: "Wir werden vertraglich und verlässlich regeln, dass in der Zollernalbkaserne nur so lange Flüchtlinge aufgenommen werden, bis wir weitere Landeserstaufnahmeeinrichtungen dauerhaft im Land Baden-Württemberg installiert haben." Hammann informierte darüber, dass im Land seit zwei Jahren intensiv nach weiteren LEA gesucht werde, dass Meßstetten aber momentan die einzige schnell verfügbare Liegenschaft sei.

Nach Meßstetten werden überwiegend Familien kommen mit Kindern vor allem aus Syrien, dem Balkan, Gambia und Pakistan. So lange die LEA in Meßstetten besteht, würden der Stadt keine weiteren Flüchtlinge zugewiesen, sagte Öney. Um die Sicherheit zu garantieren, gibt es eine Pforte mit Zugangskontrolle und Ausweise für diese Menschen. Außerdem ist ein Sicherheitsdienst eingesetzt und die Polizeipräsenz wird erhöht durch mehr Streifenfrequenz und eine zahlenmäßige Aufstockung des Meßstetter Polizeipostens.

Dass diese traumatisierten Menschen zur Ruhe kommen und in der Zollernalbkaserne dafür eine entsprechende Aufenthaltsqualität vorfinden müssen, betonte Landrat Günther-Martin Pauli, der aber darauf hinwies, dass perspektivisch die Nachnutzung der Kaserne mit zu besprechen sei.

In diesen zwei Jahren bis 2016 häufig vor Ort sein wird Grit Puchan, die als Vizepräsidentin des Regierungspräsidiums Tübingen schon ab heute einen Arbeitskreis leiten wird, der die praktische Umsetzung der LEA lenken wird.

Die meisten Fragen und Stellungnahme aus dem Publikum, das nach den Statements auf dem Podium die Gelegenheit bekam, sich an der Diskussion zu beteiligen, waren sachlich und von Verständnis geprägt. Nur wenige äußersten sich kritisch oder gar ablehnend, was die Zuhörer mit Buh-Rufen quittierten. Die Befürworter waren eindeutig in der Mehrheit. So hieß Alexandra Huber, die direkt neben der Kaserne ihren landwirtschaftlichen Betrieb führt, die vielen Familien mit Kindern willkommen: "Ich habe selbst drei Kinder und wäre in einer solchen Notlage dankbar, wenn ich aufgenommen werden würde." Die Integrationsministerin unterstrich, dass es für die Kinder entsprechende Betreuungsangebote in Meßstetten geben werde.

Daniel Götting, dem Vorstandssprecher des TSV Meßstetten, sicherten die Verantwortlichen zu, dass die Vereine die Sportanlagen der Zollernalbkaserne weiterhin nutzen dürfen. Er seinerseits kündigte an, dass der TSV sich Gedanken mache, wie sich der Verein in die Betreuung der Menschen einbringen könne – etwa mit Sportangeboten für die Familien und Kinder. Der frühere Obernheimer Bürgermeister Georg Maier appellierte, sich offen zu zeigen für die Notlage dieser Menschen. Ähnlich argumentierte Giustino Murgia vom Vorstand der Süddeutschen Gemeinschaft: "Das ist nicht nur unsere humanitäre, sondern auch unserer christliche Pflicht." Er fragte nach einer zentralen Stelle, welche die ehrenamtliche Hilfe koordiniert. Derweil beruhigte Puchan die Meßstetter, dass die ärztliche Versorgung der Flüchtlinge über eine eigene Krankenstation in der Zollernalbkaserne, die rund um die Uhr besetzt werde, gesichert sei – mit einer Krankenschwester. Ärzte kämen direkt in die LEA, auch Fachärzte. Ziel sei, diese Versorgung mit möglichst eigenem Personal in der LEA zu schaffen, ohne die medizinische Infrastruktur im Landkreis über Gebühr zu strapazieren. Auch die Notfallversorgung in der LEA sei gewährleistet. Die Sorgen des Heinstetter Feuerwehrkommandanten Jürgen Marienfeld nahm Hammann mit dem Hinweis, dass es in der LEA ein Rauchverbot gebe und die Menschen nicht selbst kochten.

Info: LEA, Freizügigkeit, Leistungen

Was ist eine Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA)?

In Baden-Württemberg besteht ein dreigliedriges Aufnahmesystem. Eine LEA ist die erste Station für Asylbewerber und die meisten sonstigen Flüchtlinge; die LEA in Karlsruhe ist die bisher einzige Einrichtung dieser Art im Land. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer dort beträgt rund sechs Wochen. Von Karlsruhe aus werden die Asylsuchenden und Flüchtlinge nach einem Bevölkerungsschlüssel, also anhängig von der Einwohnerzahl der Kreise, den unteren Aufnahmebehörden bei den Stadt- und Landkreisen zugeteilt (sogenannte vorläufige Unterbringung). In den Kreisen werden die Betroffenen bis zum Abschluss des Asylverfahrens – längsten für zwei Jahre – in Sammelunterkünften untergebracht. Nach dem Ende der vorläufigen Unterbringung werden die Flüchtlinge innerhalb des Landkreises auf die Gemeinden in die sogenannte Anschlussunterbringung verteilt.

Was dürfen Asylbewerber?

Asylbewerber im laufenden Verfahren dürfen frühestens nach neun Monaten gestatteten Aufenthalts eine Beschäftigung ausüben. Sie haben allerdings auch nach Ablauf dieser Wartefrist nur einen nachrangigen Zugang zum Arbeitsmarkt, weil grundsätzlich die Bundesagentur für Arbeit der Arbeitsaufnahme durch den Asylbewerber zustimmen muss. Politisch diskutiert wird derzeit, ob diese Wartefrist auf drei Monate verkürzt werden soll. Für Asylbewerber besteht während der Zeit in der LEA eine Residenzpflicht; sie müssen sich innerhalb des Landkreises aufhalten. Während der vorläufigen Unterbringung dürfen sie sich in ganz Baden-Württemberg frei bewegen.

Welche Leistungen erhalten Asylbewerber vom Land?

Asylbewerber erhalten Grundleistungen für Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gesundheits- und Körperpflege sowie Gebrauchs- und Verbrauchsgüter des Haushalts. Diese Grundleistungen können die Kreise als Sach- oder Geldleistungen gewähren; der Trend geht zu Geldleistungen. Maximal erhält ein Asylbewerber 362 Euro im Monat, davon muss er bis auf die Wohnung all seine Bedürfnisse bestreiten. Darin enthalten ist auch ein Taschengeld von 140 Euro. Dazu übernimmt der Kreis die medizinische Betreuung der Asylbewerber. Zudem können Leistungen gewährt werden, wenn sie im Einzelfall zur Sicherung des Lebensunterhalts oder der Gesundheit unerlässlich, zur Deckung besonderer Bedürfnisse von Kindern geboten oder zur Erfüllung einer verwaltungsrechtlichen Mitwirkungspflicht erforderlich sind.