Auch ohne Bürgerentscheid will Bürgermeister Frank Schroft die Bürger ins Boot holen. Foto: Eyrich

Mehrheit der Stadträte dagegen: Aufwand und Nachteile in keinem Verhältnis. Mit Kommentar

Meßstetten - Mit 17 zu sieben Stimmen hat der Gemeinderat sich am Donnerstag gegen einen Bürgerentscheid über die Fortführung der Landeserstaufnahmestelle für Flüchtlinge (Lea) über 2016 hinaus ausgesprochen. Der Hauptgrund: Aufwand und Nachteile stünden in keinem Verhältnis.

40.000 Euro – die Schätzung basiert auf den Kosten für Bürgerentscheide vergleichbarer Größenordnung – müsste die Stadt Meßstetten berappen, um ihre Einwohner darüber abstimmen zu lassen, ob sie die Lea für ein weiteres Jahr behalten wollen. Das war jedoch nicht der einzige Grund für den Ausgang der Abstimmung im Gemeinderat, vor der Bürgermeister Frank Schroft und alle Fraktionschefs das Für und Wider eines Bürgerentscheids ausführlich dargelegt hatten.

Ein erster Entwurf für einen Vertrag über eine Laufzeitverlängerung bis zum 31. Dezember 2017 zwischen Land, Landkreis und Stadt liege vor, so Schroft, doch die Verhandlungen seien noch nicht abgeschlossen, und somit täte der Gemeinderat den zweiten Schritt vor dem ersten, spräche er sich für einen Bürgerentscheid aus. Er tue sich schwer, der Bürgerschaft ein Mitspracherecht zu signalisieren, dass sie im Zweifel gar nicht mehr habe, so Schroft. "Eine Entscheidung macht nur Sinn, wenn die Bürger wissen, über was sie entscheiden", das sei auch in der Gemeindeordnung verankert.

Schroft geht davon aus, dass Mitte Juni ein abgestimmter Vereinbarungsentwurf vorliegen wird. Für den organisatorischen Aufwand eines Bürgerentscheids müssten zwei bis drei Monate eingeplant werden, so dass eine Rückmeldung an das Land bis zum Frühsommer nicht möglich wäre. Vorbeugend zu planen, vorzubereiten und zu organisieren sei angesichts der hohen Kosten keine Option. Zudem sei es für ihn "persönlich selbstverständlich und unumgänglich, dass wir in einem breiten Beteiligungsprozess die Bürgerschaft beim weiteren Fortgang der Lea mitnehmen müssen", betonte der Bürgermeister und nannte "eine zentrale und zeitnahe Bürgerinformationsveranstaltung in der Turn- und Festhalle Meßstetten, bei Bedarf weitere Veranstaltungen in den Stadtteilen, begleitende Informationen mittels einer Broschüre und eine regelmäßige Berichterstattung über das Amtsblatt" als Beteiligungsmöglichkeiten. Auch auf diese Weise sei sichergestellt, "dass Anregungen, Wünsche und Überlegungen der Bürger in die Entscheidungsfindung des Gemeinderats einfließen".

Schroft: Stadt hat eine soziale Verantwortung

Im Sinne der Mitarbeiter der Lea und ihrer beruflichen Perspektiven liege es in der sozialen Verantwortung der Stadt, "bis Ende Juli zum Abschluss einer belastbaren Vereinbarung mit verlässlichen Aussagen zu kommen".

Mit der Stellungnahme der Freien Wählervereinigung unterstützte Fraktionschef Tarzisius Eichenlaub Schrofts Argumentation: Aus zahlreichen Gesprächen mit Bürgern und direkt Betroffenen "wissen wir, dass die Mehrheit der Meßstetter Bevölkerung" der Fortführung der Lea "positiv gegenüber steht", zumal sich die Lea positiv auf die Stadt auswirke: nicht nur finanziell, sondern auch als "Leuchtturm" und "Botschafterin" weit über die Stadtgrenzen hinaus. Die Verantwortung für 300 Mitarbeiter erfordere eine zügige Entscheidung.

Zwar sei der Betrieb nicht immer unproblematisch gewesen – das gelte jedoch für die Zeit der Überbelegung. Eichenlaub forderte deshalb eine verbindliche Höchstgrenze, den Weiterbetrieb von Krankenstation und Polizeiwache sowie die Fortdauer des "Lea-Privilegs", zumindest für Meßstetten und seine Stadtteile.

Das Gelände brachliegen zu lassen, komme für seine Fraktion "nicht infrage", so Eichenlaub, und die Zusicherung des Landes, die Stadt im Konversionsprozess zu begleiten, behindere der Weiterbetrieb der Lea nicht. Ein Bürgerentscheid sei nur zu einem Thema angebracht, das die Stadt "auf Jahre oder Jahrzehnte" präge.

CDU-Fraktionschefin Elke Beuttler erkannte all diese Argumente an, hielt aber dagegen, dass nun die Bürger – anders als 2014, als der Zeitdruck hoch war – mitreden sollten, auch um eine "tragbare Basis" zu haben, "wenn wieder schwierigere Zeiten" – also eine hohe Belegung – kommen sollten. In der Abwägung sei die Mehrheit der CDU-Fraktion gegen eine Entscheidung "über die Köpfe der Bürger hinweg", auch als "Ausdruck des Respekts" gegenüber den ehrenamtlich Tätigen in der Lea.

Dass die Bürgerliste sich diese Debatte schon vor mehr als fünf Monaten gewünscht hätte, betonte Fraktionschef Oliver Rentschler, zumal die Aufgaben des Integrationsministeriums mit Neubildung der Landesregierung auf zwei andere Ministerien verteilt seien. Die Bürger jetzt zu hören, sei "eine Frage der politischen Glaubwürdigkeit". Sei vor Inbetriebnahme der Lea ein Bürgerentscheid aus humanitären Gründen nicht möglich gewesen, sei das nun anders: "Direkte Demokratie hilft, Politikverdrossenheit abzubauen", zitierte er den Politiker Sebastian Frankenberger.

Doris Vivas von der Unabhängigen Liste Meßstetten schließlich mahnte, an die Beschäftigten zu denken, und führte ebenfalls den hohen Aufwand für einen Bürgerentscheid ins Feld, ehe das Gremium mit 17 zu sieben Stimmen den Antrag der CDU auf Durchführung eines Bürgerentscheids ablehnte. 18 Stimmen wären nötig gewesen, um ihn durchzubringen.

Kommentar: Vernünftig

Von Karina Eyrich

Die Ratio hat über das Herz gesiegt bei der Entscheidung im Gemeinderat Meßstetten gegen einen Bürgerentscheid über die Fortführung der Landeserstaufnahmestelle für Flüchtlinge. Wohl keinem der Stadträte inklusive Bürgermeister Frank Schroft ging es darum, Bürger von der Entscheidung auszuschließen. Nutzen und Aufwand – allein der finanzielle über rund 40 000 Euro – wären jedoch enorm hoch gewesen für eine Geste des guten Willens, denn mehr wäre das Zulassen eines Bürgerentscheids nicht gewesen. Die Lea läuft gut, ist seit Monaten mit weniger als 500 Personen belegt, bringt Arbeitsplätze und Einnahmen – und schließlich ginge es nur um eine Verlängerung für ein Jahr, nicht für eine halbe Ewigkeit. Die Meßstetter dürfen sicher sein, dass die Stadträte vor einem "Ja" zu einer Laufzeit-Verlängerung genau hinhören, was die Bürger wollen.