Michael Wendel hat die fünfeinhalb Meter hohe Lemurensäule heim geholt. Foto: Müller Foto: Schwarzwälder Bote

Kunst: Michael Wendel stellt große Holzskulpturen her / Lemurensäule ist fünfeinhalb Meter hoch

Die Liebe zur Kunst wurde Michael Wendel quasi in die Wiege gelegt. Sein Vater Wilhelm Wendel war freischaffender Künstler; Wendel wurde in dessen Atelier groß. Mit der Lemurensäule hat der Hossinger ein riesiges Kunstwerk geschaffen, das nun seinen Garten ziert.

 

Meßstetten-Hossingen. Im Haus von Michael Wendel in der Hossinger Ortsmitte kann nur ein Künstler wohnen: Überall gibt es etwas zu entdecken, an den Wänden gibt es kaum einen weißen Fleck. Gemälde seines Vaters Wilhelm Wendel und selbstangefertigte Holzschnitte und Werke befreundeter Künstler reihen sich dicht an dicht. "Ich lebe quasi mit der Kunst", sagt der 66-Jährige.

Der Vorgarten des kleinen Bauernhauses gleicht vielmehr einem Skulpturenpark. Mittendrin: Die fünfeinhalb hohe "Lemurensäule". Die gigantische Skulptur hat vier Jahre in Ebingen vor dem Kunst-Werk-Haus gestanden. Nun musste die Säule dem "FairTeiler", einer Einrichtung zum Foodsharing weichen. Die Lemurensäule ist deshalb wieder zu Hause in Hossingen und reicht über zwei Stockwerke; ein Lastwagen hat das Kunstwerk von Ebingen nach Hossingen transportiert.

Die Lemurensäule ist die bisher größte Skulptur, die Wendel geschaffen hat. Ein Jahr lang hat wendel den Kiefernstamm mit Motorsäge, Stechbeutel und Handsäge bearbeitet und in Detailarbeit Fratzen herausgearbeitet. "Die Leute sagen, das sieht aus wie ein Marterpfahl", erzählt der 66-Jährige. Dabei war dieses überhaupt nicht sein Absicht. Eigentlich verkörpert die Säule alles, was Wendel in Sachen mag und fasziniert: Nachdem er viele Jahre Holzschnitte angefertigt hatte, sehnte er sich nach einer größeren Herausforderung und verlagerte seine Kunst vom Horizontalen in die Vertikale: Er widmete sich seiner alten Liebe, dem Skulpturenbilden. "Das ist sozusagen Holzschlacht", sagt der Künstler und lacht dabei.

Die Lemurensäule ist über und über voll mit nahezu unheimlichen Gesichtern. "Mich fasziniert die Mimik von Gesichtern", erklärt Wendel. "Ein Gesicht darf auch mal wüst sein, eine Fratze schneiden." In der Säule verarbeitete er eine Legende aus der Antike: Wenn ein Mensch nicht standesgemäß beigesetzt wurde, so sagte die Legende, haben die Lemuren-Geister die Verwandten zweimal im Jahr heimgesucht. Den passenden "Anstrich" gab er den Lemuren dezent mit Leinölfarbe.

Künstler sieht in jedem Stück Holz, was daraus werden soll

Wenn Michael Wendel ein Stück Holz in die Hand nimmt, sieht er meist, was er daraus einmal fertigen möchte: Hände, Gesichter, Körper – der Künstler sieht in Holz stets etwas Lebendiges: "Ich möchte das dann sofort ausarbeiten." So hat er derzeit einige Projekte in den Startlöchern. Beispielsweise möchte er aus der just gefällten Dorflinde eine Skulptur herausarbeiten. Dafür müsse er aber auf besseres Wetter warten. Da die Skulpturen viel zu groß sind, dass er sie in seinem Atelier bearbeiten kann, muss er diese Arbeiten in seinem Vorgarten erledigen. Auch die Lemurensäule hat er dort auf Böcken liegend bearbeitet. Viele Leute sehen, was er da schafft, schauen zu. "Aber die Wenigsten sprechen einen eigentlich dabei an", erzählt der Künstler.

Früher hat Wendel eher zu Pinsel und Farbe, oder auch mal zum Stift und Kreide gegriffen. Heute malt der 66-Jährige kaum noch und widmet sich nahezu ausschließlich den Holzskulpturen. In den vergangenen Jahren hat Wendel um die 30 Skulpturen geschaffen, allesamt aus Holz. Meist trägt er von einem Holzstück das Material ab, manchmal arrangiert er Holzteile und manchmal fügt er noch ein weiteres Material hinzu.