Die Bestuhlung in der Bärahalle reichte gerade aus – das Interesse der Oberdigisheimer am Festakt ihrer 1250-Jahre-Feier war groß. Foto: Schwarzwälder Bote

1250 Jahre Oberdigisheim: Jubiläumsfeierlichkeiten beginnen mit Festakt in der Bärahalle / Kreisarchivar hält Festvortrag

Im Jahre 768 wird der Weiler Oberdigisheim erstmals urkundlich erwähnt – 1250 Jahre ist das her. Die Oberdigisheimer feiern den runden Geburtstag an diesem Wochenende ausgiebig; den Anfang machte gestern Abend der Festakt in der Bärahalle.

Meßstetten-Oberdigisheim. Wenn, wie Meßstettens Bürgermeister Frank Schroft in seinem Grußwort feststellte, die Vergewisserung über die eigene Herkunft eine Voraussetzung für Gestaltung der Zukunft ist, dann haben die Oberdigisheimer gestern eine Menge für ihre Zukunft getan. Wobei die Redner des Abends unterschiedliche Akzente bei der Rückschau auf 1250 Jahre setzten: Ortsvorsteher Achim Mayer erinnerte an eine nicht ganz unbedeutsame Zäsur der jüngeren Geschichte, nämlich die Eingemeindung nach Meßstetten im Januar 1975, als ein großer, starker, aber misslicherweise nicht ganz schuldenfreier junger Mann – vier Millionen Mark betrug das Minus in der Meßstetter Gemeindekasse – eine glänzende Partie machte: Er bekam – als sechste Braut! – das hübsche Mädel von nebenan, das nicht nur ansehnlich, sondern auch betucht war: neue Schule samt Halle, Poststelle, Banken, Ärzte, Textilbetriebe und zu allem Überfluss keine Schulden. Immerhin: Sollte Mayer Zweifel hegen, dass der Bub gut genug war für so eine Schönheit, dann behielt er sie für sich.

Frank Schroft hatte allerdings gut zugehört: Er pickte sich aus 1250 Jahren den Bauernkrieg heraus, in dem sich just der Oberdigisheimer Pfarrer als engagierter Agitator für die Sache des kleinen Mannes betätigte. Ein bisschen aufsässig waren sie halt schon damals – aber wenn der "kritische Geist" sich mit Schaffenskraft und Ideenreichtum paart, kann das ja nur recht und überhaupt kein Hindernis für ein gedeihliches Miteinander sein.

Es war, als hätte der dritte Redner des Abends nur darauf gewartet, Schrofts vorsichtige Andeutungen in Sachen "kritischer Geist" zu bestätigen. Wilhelm Isert, der in den 1970er Jahren Oberdigisheimer Grundschulrektor und eigens aus Erzingen zum Festabend gekommen war, schien ein diebisches Vergnügen an den eigenen Spitzen zu haben – ob es nun die gegen Meßstettens damaligen Bürgermeister Erwin Gomeringer waren, der den Oberdigisheimern laut Isert die relative Autonomie in einer Verwaltungsgemeinschaft Oberes Bäratal nicht gönnte, oder gegen den einstigen Schulamtsleiter und heutigen Poeta laureatus und Sängergauehrenpräsidenten Helmut Hauser, der die nach Iserts Fortgang vakante Schulleiterstelle seinerzeit nicht mehr neu besetzt habe. Isert erinnerte auch an Pläne des Kultusministerium, die Schule zu schließen, und an den gemeinsamen Besuch von Bürgermeister, Rektor und Elternbeiratsvorsitzenden in Stuttgart, der diese Pläne zuschanden machte. Es klang fast ein wenig nach Bauernkrieg – nur der Pfarrer fehlte.

Auf diese vielen kleinen Rückblicke folgte der große. Kreisarchivar Andreas Zekorn begann im Frühmittelalter, erläuterte zuerst einmal die Herkunft des Namens – "Heim des Digin" – und erläuterte, weshalb mit dem "Dichinesheim" der Schenkungsurkunde von 768 eher Ober- als Unterdigisheim gemeint sein werde: Der archäologische Befund spreche für Oberdigisheim, der relativ günstige Siedlungsstandort am Zusammenfluss von Bära und Kohlstattbrunnenbach ebenfalls.

Den rebellischen Pfarrer erwähnte Zekorn nur kurz; ihn interessierte das ausgehende 19. Jahrhundert wesentlich mehr als Bauernkrieg und Eingemeindung: In den sogenannten "Ruggerichtsakten" findet der Historiker reizvolle Details in Hülle und Fülle. "Ruggericht" hieß seinerzeit die Visitation des Balinger Oberamtmanns, der in regelmäßigen Abständen im Dorf erschien, um den mündig gewordenen Jungmännern die Erbhuldigung an die Krone abzunehmen, die Feuerschau vorzunehmen – waren die Schläuche dicht und Zündhölzer sicher vor den Kindern? Nein! – , die gemeindliche Sozialfürsorge unter die Lupe zu nehmen, die Brunnenreinhaltung zu überprüfen und die "Dunglegen" zu inspizieren. Letztere waren im alten Oberdigisheim ein ums andere Mal ein Stein des Anstoßes: kein Gülleloch, keine Einfassung, die Jauche lief über die Straße, und am schlimmsten stand es ausgerechnet um die "Miste" des Schultheiß. Der übrigens wesentlich weitreichendere Befugnisse hatte als heutzutage Achim Mayer: Er durfte beispielsweise kleinere Vergehen mit "Ortsarrest" ahnden.

Vorbei. Das Oberdigisheim des Jahres 2018 hat mit dem des 19. Jahrhunderts wenig gemein – so lautete jedenfalls Zekorns Fazit: Das dörfliche Lebensumfeld habe sich in den vergangen Jahrzehnten stark verändert; selbst die 1960 Jahre erschienen heute "antiquiert". Zekorn kann daran nichts Schlimmes finden: "Wir erfreuen und heute wesentlich leichterer, angenehmerer und besserer Lebensbedingungen."

  Das Oberdigisheimer Jubiläum geht heute, Samstag, weiter, unter anderem mit einer historischen Modenschau, die im Anschluss an den Fassanstich – er erfolgt um 16 Uhr – über den Catwalk geht. Am Abend spielen die "Dirndlknacker" auf; am Sonntag wird weiter gefeiert.