"Eisberg voraus!" Diese Zeiten sind vorbei Foto: Archiv/Hoffmann

Schilderwald wird dichter. Badeinsel und "Eisberg" werden entfernt. Schwere Entscheidung für Gemeinderat.

Meßstetten-Oberdigisheim - Eingebuchtet werden wollen weder die Mitglieder der Stadtverwaltung noch jene des Gemeinderates Meßstetten. Deshalb haben sie mit Blick auf den Stausee Oberdigisheim schweren Herzens eine Entscheidung treffen müssen.

Immer wieder waren in den vergangenen Jahren nach Unfällen an Badeseen Urteile gefallen, bei denen Kommunen in die Verantwortung genommen wurden, auch strafrechtlich. Damit es den Meßstettern nicht so ergeht, hat die Verwaltung die Situation am Stausee Oberdigisheim prüfen lassen, um das Gewässer "rechtssicher" betreiben zu können, wie Bürgermeister Frank Schroft es in der jüngsten Sitzung des Gemeinderates nannte.

Zuerst hatte die Deutsche Gesellschaft für das Badewesen den Auftrag für eine gutachterliche Stellungnahme bekommen, im Juni fand dann ein Treffen vor Ort statt.

Zum Hintergrund: Bei Badeseen wie dem Stausee Oberdigisheim wird zwischen Badestellen und Naturfreibädern unterschieden – letztere sind "eindeutig begrenzte Anlagen" mit bädertypischen Ausbauten wie Sprunganlagen oder Rutschen. Unter die Definition "Badestelle" fallen jederzeit frei zugängliche Wasserflächen eines Badegewässers, dessen Nutzung gestattet ist, in dem üblicherweise eine große Zahl von Personen badet und in dem bädertypische Anlagen im Wasser nicht vorhanden sind.

Aus für Attraktionen wie die Badeinsel und den "Eisberg"

Für den Stausee Oberdigisheim bedeutet dies das Aus für Attraktionen wie die Badeinsel und den "Eisberg", der erst 2019 angeschafft worden und coronabedingt in diesem Sommer nicht zu Wasser gelassen worden war. Einen Vorteil bringt die Kategorie Badestelle aber auch mit sich: Die verkehrssicherungspflichtige Stadt muss den Badebetrieb nicht beaufsichtigen lassen, wenngleich sie andere Auflagen zu erfüllen hat.

Deren Liste ist lang: Vor der Badesaison muss das Gewässer überprüft werden, eventuell auch durch Taucher. Land- und Wasserflächen einschließlich der Zugangswege müssen sicher sein und regelmäßig während der Badesaison kontrolliert werden – das gilt auch für Einbauten und Einrichtungen zur Überprüfung von Gefahrenstellen. Die Badestelle muss sauber gehalten werden und Badeinformationen sowie alle nötigen Hinweisschilder enthalten. Wasserrettungstürme und ihre Sichtverhältnisse sind zu überprüfen, Rettungsgeräte und -boote zu warten und zu pflegen, so dass sie jederzeit einsatzbereit sind. Ausreichend Informations- und Sicherheitsschilder müssen aufgestellt werden.

Zur Liste der Voraussetzungen gehören außerdem der Einsatz von Funkgeräten und Mobiltelefonen zur besseren Verständigung untereinander in Notfällen. Sie sind regelmäßig zu überprüfen und Telefonlisten zu aktualisieren – all das gilt für den Fall, dass ein Wasserrettungsdienst eingerichtet ist.

Konflikte zwischen den Nutzern – etwa Bandenden und Anglern – sind auszuschließen

Mit Letzterem so wie mit Kioskpächtern und Einsatzkräften sind Verträge zu schließen und deren Einhaltung zu prüfen. Außerdem muss die Stadt die Stellen, an denen der Zutritt zum Wasser möglich ist, beschildern.

Darüber hinaus muss die Stadt ausschließen, dass verschiedene Nutzer des Sees – Badende und Angler – in Konflikte geraten und deshalb prüfen, ob sie Nutzungszeiten definieren soll. Dass die Benutzungs- und Badeordnung den Aspekten der gutachterlichen Stellungnahme angepasst werden muss: selbstredend.

Weil die Stadt aber mehr für ihre Bürger und Gäste tun will als es das Gutachten erfordert, will sie mit Unterstützung der DLRG weiterhin zeitweise die Wasserrettung aufrecht erhalten, vor allem an Wochenenden und heißen Sommertagen, wenn viele Badegäste kommen, muss dazu aber nun einen Vertrag mit der DLRG abschließen. Auch in Sachen Beschilderung wird sie noch aufrüsten müssen.

Unter all diesen Voraussetzungen ist der Gutachter der Deutschen Gesellschaft für das Badewesen einverstanden, den Stausee Oberdigisheim als Badestelle zu betreiben, womit auch der Gemeinderat und – laut Ortsvorsteher Achim Mayer – auch der Ortschaftsrat Oberdigisheim einverstanden sind. Bürgermeister Frank Schroft zeigte sich nach der Entscheidung erleichtert, sei doch anderswo sogar schon ein Kollege von ihm nach einem Badeunfall wegen fahrlässiger Tötung bestraft worden.

Sowohl ihn als auch Mayer ärgert freilich der Schilderwald rund um den See, der nun noch dichter wird, und Mayer kommentierte sarkastisch: "Ich freue mich schon auf das Schild: ›Achtung, Wasser wird nass sein!‹"