In einem Jobcenter in Neuss hat ein Mann eine Mitarbeiterin durch Messerstiche tödlich verletzt. Foto: dpa

Der 52 Jahre alte Täter habe mit Tötungsvorsatz gehandelt, sagte die zuständige Staatsanwältin am Donnerstag.

Neuss - Nach der tödlichen Messerattacke in einem Jobcenter in Neuss soll der Verdächtige wegen Mordes in Untersuchungshaft. Der 52-jährige Langzeitarbeitslose habe die Tat sofort gestanden, berichteten Polizei und Staatsanwaltschaft am Donnerstag in Neuss.

Als Motiv habe er Wut über den vermeintlichen Missbrauch seiner persönlichen Daten angegeben. Ein Fernsehbeitrag habe seinen Argwohn geweckt.

Der Vater von fünf Kindern war am Mittwochmorgen mit zwei Messern in die Behörde gestürmt, um einen Sachbearbeiter zur Rede zu stellen. Der hatte ihn eine Erklärung unterschreiben lassen, die die interne Datenweitergabe regelt. Weil der Mitarbeiter nicht da war, hatte er seine persönliche Sachbearbeiterin aufgesucht. Die Frau habe mit ihm kurz gesprochen, ihn wegen eines bereits wartenden Kunden mit Termin aber bald aus dem Büro geschickt.

Daraufhin habe der Mann ein Messer gezückt, dessen Klinge aber abbrach. Der 52-Jährige holte ein zweites Messer hervor und rammte es der 32-jährigen Mutter aus Düsseldorf mit voller Wucht in den Körper. Die 20 Zentimeter lange Klinge sei bis zum Heft eingedrungen. Die Frau erlitt drei tiefe Stiche in Brust, Bauch und Oberschenkel. Die Mitarbeiterin sei "möglicherweise nur Zufallsopfer", sagte der Leiter der Mordkommission, Guido Adler. Der arbeitslose Mann habe nach eigenen Angaben schon "vor Wut gekocht", als er das Büro betrat, sagte Staatsanwältin Britta Zur.

Mutmaßlicher Täter wird auf Geisteszustand untersucht

Der Mann soll nun in der Untersuchungshaft auf seinen Geisteszustand untersucht werden. Er habe eine Tötungsabsicht zwar bestritten, die Tatspuren sprächen aber eine andere Sprache, sagte Zur weiter.

Eine Leistungskürzung oder ähnliche gravierende Einschnitte hätten dem Mann nicht gedroht. Er habe in einem Projekt fit für den Arbeitsmarkt gemacht werden sollen. Ein Mitarbeiter eines kooperierenden Instituts habe dazu einen Lebenslauf mit dem 52-Jährigen erstellt, der früher Landwirt gewesen sein soll. Der Mann ist geschieden und nicht vorbestraft.

Nach der Bluttat ist eine Sicherheitsdiskussion entbrannt. Die Sicherheitsmaßnahmen in den Jobcentern kämen auf den Prüfstand, sagte ein Sprecher der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit am Donnerstag in Düsseldorf. "Man muss alles überdenken."

Das Büro der 32-jährigen Mitarbeiterin hatte nach Angaben der Jobcenter-Leiterin keine Zwischentür, die eine Flucht oder schnelle Hilfe aus dem Nachbarbüro ermöglicht hätte. Auch gab es in dem Gebäude keinen privaten Sicherheitsdienst.

Das Opfer hatte noch am Tag vor ihrem Tod an einem Deeskalationstraining teilgenommen. Den Notfallknopf an ihrer Tastatur hatte sie nicht ausgelöst. Möglicherweise kam der Messerangriff so massiv und rasch, dass es der Frau nicht mehr möglich war, Alarm auszulösen.

"Man kann keine Beratung hinter Panzerglas führen", hieß es bei der Regionaldirektion NRW. Aber über Maßnahmen wie etwa Metallschleusen an den Eingängen wie an den Gerichten in NRW werde man nun diskutieren müssen. "Denkblockaden gibt es da nicht mehr."

Keine erhöhten Sicherheitsmaßnahmen

Die Zentrale der Bundesagentur für Arbeit plant nach der tödlichen Attacke im Neusser Jobcenter vorerst keine unmittelbaren Konsequenzen. "Wir müssen immer über die Sicherheit in unseren Dienststellen nachdenken", sagte das für Hartz IV zuständige Vorstandsmitglied Heinrich Alt am Donnerstag in Nürnberg. "Ich bin aber auch der Meinung: Verhindern lässt sich sowas nicht, auch wenn man Sicherheitsvorkehrungen über das jetzt schon vorhandene Maß hinaus trifft", fügte Alt hinzu.

Die Gewerkschaft Verdi forderte eine Überprüfung der Sicherheitsmaßnahmen in allen Jobcentern. Kommunen und Bundesagentur für Arbeit müssten "unverzüglich die Sicherheitskonzepte der Jobcenter auf den Prüfstand stellen, damit sich solch ein schrecklicher Vorfall wie in Neuss nicht wiederholen kann", forderte Isolde Kunkel-Weber vom Verdi-Bundesvorstand in Berlin.