Mitten in der Mannheimer Innenstadt greift ein Mann am Freitag mehrere Menschen mit einem Messer an. Die Polizei stoppt den Angreifer mit mindestens einem Schuss. Die Attacke zielte nach übereinstimmenden Aussagen auf den Anti-Islam-Aktivisten Michael Stürzenberger.
Nach einem Messerangriff mit mehreren Verletzten gegen 11. 35 Uhr auf dem Marktplatz in Mannheim haben Polizisten am Freitag (31. Mai) einen Verdächtigen angeschossen. Der Mann sei dabei ebenfalls verletzt worden, teilte das Polizeipräsidium in der baden-württembergischen Großstadt mit. Den Angaben zufolge bestand für die Bevölkerung keinerlei Gefahr. Der Marktplatz war zum Zeitpunkt des Angriffs fast menschenleer.
Polizei hält sich mit Einzelheiten zurück
Nähere Angaben zu dem Geschehen und den möglichen Hintergründen nannte die Polizei zunächst aus den generell geltenden ermittlungstechnischen Gründen nicht. Die Rede war nur von mehreren Verletzten. „Über das Ausmaß und Schwere der Verletzungen können bislang keine Angaben gemacht werden“, heißt es in einer Meldung des Polizeipräsidiums Mannheim.
Und weiter: „Rettungs- und Einsatzkräfte sowie der Rettungshubschrauber sind im Einsatz. Es besteht keine Gefahr für die Bevölkerung. Der Schienenverkehr ist zwischen dem Kurpfalzkreisel und dem Paradeplatz bis auf weiteres gesperrt.“
Mannheims Oberbürgermeister Christian Specht zeigt sich tief getroffen. „Dieser brutale Angriff erschüttert und schockiert uns, er macht uns sprachlos“, erklärt der CDU-Politiker am Freitagnachmittag. Er sei in Gedanken bei dem verletzten Polizisten und auch bei den anderen Opfern. Zugleich rief er die Menschen dazu auf, nicht über die Hintergründe der Tat zu spekulieren, sondern die Ermittlungsergebnisse abzuwarten.
Anti-Islam-Aktivist Michael Stürzenberger soll das Opfer sein
Berichten mehrer Medien zufolge soll der Messerangriff dem Anti-Islam-Aktivisten Michael Stürzenberger gegolten haben. Dessen Gruppe „Bürgerbewegung Pax Europa“ (BPE) berichtet am Freitag auf ihrer Internetseite, dass eine ihrer Kundgebungen in Mannheim attackiert worden sei. Dabei seien Stürzenberger, mehrere Helfer und ein Polizist von einem Mann mit einem Messer verletzt worden.
„Bereich der verfassungsschutzrelevanten Islamfeindlichkeit“
Michael Stürzenberger und sein Umfeld rund um die Pax-Europa-Bewegung werden von den Behörden etwa in Bayern dem Bereich der verfassungsschutzrelevanten Islamfeindlichkeit zugeordnet.
Ebenfalls trat er als Autor auf der rechtspopulistische Website „Political Incorrect“ in Erscheinung. Er verbreite „islamfeindliche Äußerungen“, hieß es etwa auf der Internetseite der Bayerischen Informationsstelle gegen Extremismus.
Dort heißt es: „In Bayern werden der Verfassungsschutzrelevanten Islamfeindlichkeit Michael Stürzenberger und der bayerische Landesverband der bundesweiten Bürgerbewegung Pax Europa e. V. (BPE) zugeordnet.“
Und weiter heißt es: „Es liegen tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass Stürzenberger sowie der bayerische BPE-Landesverband verfassungsschutzrelevante islamfeindliche Bestrebungen verfolgen, die auf eine Abschaffung der Religionsfreiheit für Muslime gerichtet sind . . . Der Verfassungsschutz bewertet den . . . Personenzusammenschluss als extremistische Bestrebung im Phänomenbereich Rechtsextremismus. “
Karriere als Journalist, Blogger, CSU-Sprecher und Polit-Aktivist
Der 1964 in Bad Kissingen geborenen Stürzenberger ist Journalist und arbeitet seit langem als Webvideo-Produzent, Blogger und politischer Aktivist. Nachdem dem nicht abgeschlossenen Studium der Politologie und Geschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München (1984-1988) war er zunächst als Journalist bei lokalen TV-Sendern tätig, bis er 2003 Pressesprecher der Münchner CSU unter Monika Hohlmeier (bis 2004) wurde.
Später agierte er als Bundesvorsitzender der inzwischen selbstaufgelösten Kleinpartei „Die Freiheit“. Er ist Mitglied in der „ Bürgerbewegung Pax Europa (BPE) und Aktivist der „Bewegung Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida). Die Bundeszentrale für politische Bildung bezeichnete die Partei „Die Freiheit“ als „rechtspopulistische Partei mit anti-islamischen Tendenzen“.
„Neue, eigenständige Extremismusform“
Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz listete Stürzenberger im Verfassungsschutzbericht von 2013 bis 2022 in dem Kapitel „Verfassungsschutzrelevante Islamfeindlichkeit“ auf, die sich „außerhalb des Rechtsextremismus“ als „neue, eigenständige Extremismusform“ etabliert hätten. Der Verfassungsschutzbericht 2023 nennt Stürzenberger und diese Extremismusform nicht mehr.
Parteifreund wurde bei islamistischen Anschlag 2008 getötet
Stürzenberger nennt selber als prägendes Ereignis den Tod seines Parteifreundes Ralph Burkei im Jahre 2008. Burkei wurde bei am 11. Juli 2008 bei islamistischen Anschlägen in der indischen Metropole Mumbai getötet.
Damals explodierten insgesamt sieben Bomben innerhalb von elf Minuten auf der S-Bahn in Bombay. 209 Personen, 22 davon Ausländer – darunter Burkei – wurden getötet und mehr als 700 verletzt. Nach Angaben der Polizei von Bombay wurden die Bombenangriffe von Laschkar-e-Toiba und den Students Islamic Movement of India (SIMI) verübt.
Seit 2022 führt Stürzenberger Kundgebungen mit der „Bürgerbewegung Pax Europa“ durch, meist als Veranstalter und Hauptredner.
Messerangriff auf Stürzenberger
In Mannheim stand er am Freitagmittag für eine öffentliche Kundgebung auf dem Marktplatz, als plötzlich gegen 11.35 Uhr ein Angreifer mit einem Messer auf ihn zustürmte und ihm ins Gesicht stach.
Auf der Internetplattform „X“ (vormals Twitter) kursiert inzwischen ein mehrfach kopiertes, rund 32 Sekunden langes Augenzeugen-Video von der Tat. Darauf ist zu sehen, wie der mutmaßliche Täter auf Michael Stürzenberger zustürmt, ihn zu Boden wirft und mehrfach versucht auf ihn mit einer langen Klinge einzustechen.
Der Mann kann sich aus der Umklammerung von herbei geilten Helfern Stürzenbergers befreien, springt auf und sticht dann auf die Umstehenden ein. Währenddessen schreit eine Person im Hintergrund mehrfach: „Nehmt ihm das Messer weg!“
Nach circa zehn Sekunden sieht man vier Polizisten, die in das Geschehen eingreifen. Einer der Polizeibeamten wirft sich schützend vor dem am Boden liegenden, verletzten Stürzenberger. Daraufhin sticht der Täter mit dem Messer auf ihn ein. Wie aus Sicherheitskreise verlautet, wird der schwerverletzte Beamte gerade operiert.
Ein anderer Beamter geht mit gezückter Waffe auf den nun selbst am Boden liegenden Messerangreifer zu, ruft: „Messer weg!“ und schießt. Eine dritte Beamtin legt ihm schließlich Handschellen an.
Scholz und Faeser sind "erschüttert"
Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich erschüttert gezeigt über die Gewalttat in Mannheim. "Die Bilder aus Mannheim sind furchtbar", schreibt der SPD-Politiker "X". "Mehrere Personen sind von einem Attentäter schwer verletzt worden. Meine Gedanken sind bei den Opfern. Gewalt ist absolut inakzeptabel in unserer Demokratie. Der Täter muss streng bestraft werden."
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) spricht von einem schrecklichen Verbrechen. "Die Bilder dieser brutalen Gewalttat sind erschütternd." Sie wünsche den Opfern, dass sie wieder vollständig genesen könnten. "Meine Gedanken sind insbesondere auch bei dem durch Messerstiche schwerverletzten Polizeibeamten."
Die Ermittlungen würden die Hintergründe der Tat aufklären, insbesondere den Hintergrund und die Motive des Täters, schreibt Faeser. "Wenn die Ermittlungen ein islamistisches Motiv ergeben, dann wäre das eine erneute Bestätigung der großen Gefahr durch islamistische Gewalttaten, vor der wir gewarnt haben" (mit AFP/dpa-Agenturmaterial).