Rein weiblich besetzte Podien sollen vor allem die Frauen im Publikum ansprechen. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Ein Schwerpunkt der Messe Invest ist der Female Finance Day – er trägt dazu bei, dass sich immer mehr Frauen selbst um ihr Vermögen kümmern. Expertinnen geben Ratschläge, die auch für Männer von Interesse sind. Nicht jeder Tipp erscheint realitätsnah.

Frauen und Geldanlage – das sind doch zwei Paar Schuhe. Dieses alte Klischee scheint überwunden, wenn man die Stuttgarter Messe Invest als Maßstab nimmt. Sowohl auf der Expertenseite als auch unter den rund 12 500 Besucherinnen und Besucher ist der Wandel unverkennbar. Den Veranstaltern zufolge ist der Frauenanteil im Publikum auf „fast ein Viertel“ gestiegen – sicherlich auch eine Folge des Female Finance Days am zweiten Messetag.

 

Da taucht unweigerlich die alte provokante Frage auf: Sind Frauen die besseren Privatanleger, gerade weil sie sich nicht so sehr für die Börsenbewegungen interessieren? Zumindest ruft Patricia Frick von der LBBW eine frühere Studie in Erinnerung, wonach Männer mit Zu- und Verkäufen aktiver sind, es aber aufgrund von Fehlentscheidungen doch nicht schaffen, die Marktentwicklung zu übertrumpfen. Wichtig sei, sich mit der eigenen Anlage identifizieren zu können und sich damit wohlzufühlen. Dann hält man, besser Frau, auch Schwächephasen länger durch, sagt sie mit Blick auf die aktuellen Turbulenzen, die viele Anleger und Anlegerinnen sehr nervös gemacht und teils auch zum Verkaufen veranlasst haben.

Nachhaltigkeitskriterien sind eine Frauensache

Nicht nur den Frauen wird geraten: „Investiere nur in etwas, was du wirklich verstehst.“ Die ESG-Grundsätze für nachhaltiges und verantwortungsbewusstes Investieren sind aber womöglich eher Frauensache: „Die sind bei unserer Zielgruppe präsent, weil Frauen nach diesen Kriterien anlegen wollen“, schildern Daniela Meyer und Astrid Zehbe, Gründerinnen der Finanzmarke Finanzielle. In Rüstungshersteller, allen voran Rheinmetall, zu investieren, ist demzufolge eher ein Männerding. Ansonsten kommen die Tipps der Fachfrauen auf den Podien geschlechtsneutral daher. Die Frage, ob man noch am Goldpreisboom teilhaben will oder nicht, ist von allgemeinem Interesse. Man muss auch nicht eine Frau sein, um vergleichsweise langweilige ETFs zu schätzen, weil man sich nicht täglich ums Depot kümmern will. Exchange Traded Funds, also Indexfonds, mit einem möglichst geringen Anteil an US-Aktien werden in diesen wilden Phasen besonders empfohlen. Man kann aber auch als weibliche Anlegerin neuen Trends folgen und aktiv gemanagte ETFs ins Depot legen, die dann immer noch günstiger sind als gemanagte Fonds. „Die breite Streuung ist wichtig“, betont die Finanzautorin und TV-Moderatorin Carola Ferstl. Die ETF-Idee sei daher „bestechend“ – man müsse „keine Angst haben, auf das falsche Pferd zu setzen“.

Den Hype um Bitcoin & Co. verstehen alle Fachfrauen auf dem Podium – ohne persönlich in die führende Kryptowährung investiert zu sein. Es sei zu wenig reguliert, und es mangele an einem vernünftigen Bewertungsmodell, heißt es. Krypto sei nur „eine Anlage fürs Spielgeld“ im Depot, urteilt die Finanzjournalistin Jessica Schwarzer. Nathalie Richert von der Baader Bank mahnt, nicht jedem Hype zu folgen, sondern zunächst eine persönliche Risikoabwägung vorzunehmen. Das individuelle „Risikoprofil“ kann auch darüber entscheiden, wie hoch der Aktienanteil im Depot sei sollte. Hat man früher noch zu 50 Prozent geraten, so will sie sich nicht mehr auf einen Wert festlegen.

Staatsanleihen spielen als sichere Häfen auf der Invest eine untergeordnete Rolle. Dafür werden Immobilien zur Risikostreuung empfohlen. „Der Mangel an Wohnraum ist ein Trend, den wir nicht gelöst bekommen“, sagt Isabella Blättermann von Pflugfelder Immobilien. Eine Investition in Steine habe daher „nichts mit Mut, sondern mit kühler Kalkulation zu tun“. Inflation „treibt die Miete“, argumentiert sie zudem. Als Kapitalanlage sei dies aber nur sinnvoll, „wenn man mit möglichst viel Fremdkapital arbeitet“.

Einfach mal mit einer Ein-Zimmer-Wohnung anfangen

Wichtig sei Diversifikation, sagt auch Justine Ivakovic, Gründerin der DI Frau GmbH. „Ich habe von allem etwas.“ Immobilien könnten ein Baustein sein – „jeder kann mit der richtigen Strategie in Immobilien investieren“. Einfach mal als Kapitalanlegerin mit einer Ein-Zimmer-Wohnung anfangen, regt sie für den Einstieg an. Da könne bei einem guten Mietverhältnis „nicht so viel schiefgehen“. Wie sich das Ganze bei überteuerten Märkten wie in der Region Stuttgart noch rechnen soll, dafür haben die Fachfrauen aber keine überzeugende Antwort.

Aktienkäufe gegen die Altersarmut

Ein Kontrastprogramm bietet Gundula Roßbach, Präsidentin der Deutschen Rentenversicherung: Die gesetzliche Rente als erste Säule des Drei-Säulen-Modells zur Altersvorsorge ist das Gegenteil von Anlagespekulation. Die neue Regierung plant zwar eine „Frühstart-Rente“, mit der Kinder und Jugendliche an den Kapitalmarkt herangeführt und für die private Vorsorge sensibilisiert werden sollen. Erwachsene müssen sich aber weiter selbst darum kümmern. Da sind gerade Frauen gefordert: 1394 Euro erhalten sie durchschnittlich nach 35 Versicherungsjahren an gesetzlicher Rente – Männer aber 1809 Euro. Die Frauen haben stark aufgeholt, doch Aktienkäufe bleiben zumeist außerhalb ihrer Möglichkeiten. Damit dieses Missverhältnis nicht auf ewig bestehen bleibt, müssen sich noch viel mehr Frauen für das aktive Geldanlegen interessieren.