Maro Engel im Glück: in Moskau gewinnt er sein erstes DTM-Rennen. Foto: dpa

Der Mercedes-Pilot Maro Engel spricht über seinen ersten DTM-Sieg und seine Freundschaft zum Formel-1-Weltmeister Nico Rosberg.

Stuttgart - Er hat das Wunder von Moskau geschafft: Maro Engel. Wie aus dem nichts gewann der 31 Jahre alte Mercedes-Pilot in Moskau sein erstes DTM-Rennen. Er fing mit seinem Kumpel Nico Rosberg auf der Kartbahn an – doch sportlich trennten sich irgendwann ihre Wege.

Herr Engel, Sie waren am Sonntag vor dem Rennen in der Gesamtwertung weit hinten. Und dann kommt es zum Wunder von Moskau und Sie gewinnen in Russland.
Das war ein unglaubliches Rennen. Aber mein Auto war mega.
Auf den letzten Kilometern begann das große Zittern?
Am Ende des Rennens sah ich Mattias Ekström heranfliegen, aber ich wusste nicht, dass es die letzte Runde war. Zum Glück war das Rennen in diesem Moment dann zu Ende.
Es war der erste DTM-Sieg für Sie. Danach hüpften Sie auf Ihrem Mercedes herum wie ein kleiner Junge.
Ja, das waren ja auch definitiv die längsten fünf, sechs Runden meines Lebens.
Bisher weiß die Öffentlichkeit wenig von Ihnen. Sie sind in Monaco groß geworden – das ist ja eher unüblich, oder?
Meine Eltern sind dort hingezogen als ich drei war. Heute bewohne ich dort ein Appartement mit meiner Verlobten. Ich fühle mich da immer noch sehr wohl. Es ist einer der schönsten Flecken, den wir auf der Welt haben.
Sie Glückspilz.
Nun, Monaco ist vor allem gut für Leute wie mich, die viel unterwegs sind, denn in 20 Minuten ist man am Flughafen in Nizza. Aber wenn man 365 Tage im Fürstentum ist, dann fällt einem die Decke dann doch irgendwann auf den Kopf.
Sie sind ja nicht gerade der einzige Rennfahrer im Fürstentum.
Es ist gibt dort eine echte Rennfahrer-Community. Mein Teamkollege Paul di Resta lebt dort, auch David Coulthard, Lewis Hamilton und Nico Rosberg. Also sehr viele aus der Mercedes-Familie. Man läuft sich hier im Supermarkt über den Weg oder trifft sich zum Abendessen. Ich trainiere hier auch viel mit dem Rad, es geht rauf und runter. Für einen Sportler hat Monaco Vorteile. Nur wer hier ein großes Haus mit Garten möchte, ist fehl am Platz: es ist zu teuer.
In Monaco Rennfahrer zu werden, liegt offenbar irgendwie Nahe.
Meine Eltern hatten gar nichts mit Motorsport am Hut, mein Vater fand ihn ganz interessant und hat ab und zu vor dem Fernseher zugeschaut. Ich bin durch meinen Freund Nico Rosberg dazugekommen. Sein Vater Keke hat gesagt, wäre doch cool, wenn die Jungs im Kart zusammen spielen.
Nico Rosberg ist Ihr Jugendfreund?
Ich war mit ihm im Kindergarten. Wir waren von da an sehr schnell eng miteinander befreundet und haben gemeinsam damit begonnen, Kart zu fahren. Wir fingen auf der Piste seines Vaters auf Ibiza damit an. Keke hatte dort damals ein Anwesen mit eigener Kartbahn. Wir waren da mal gemeinsam im Urlaub, und Keke schenkte Nico ein Kart zum Geburtstag. Wir sind zwei Monate auseinander, Nico hat am 27. Juni Geburtstag und ich am 27. August. Wir wurden damals sechs Jahre alt.
Ihr Vater stand also unter Zugzwang?
Ja. Keke fragte ihn, ob er mir nicht auch so ein Gefährt schenken möchte, dann könnten die Kinder gemeinsam etwas machen – und die Eltern den Urlaub genießen. So kam es dann. Nico und ich waren auch gemeinsam in Monaco auf der Schule und später auf der englischen Schule in Nizza. Unsere Freundschaft hält bis heute. Meine Verlobte Steffi versteht sich ausgezeichnet mit Nicos Frau Vivian.

Rosbergs Rücktritt hat überrascht

Hat es Sie überrascht, dass Rosberg die Formel 1 so Knall auf Fall verlassen hat?
Wenn ich nein sagen würde, müsste ich lügen. Ich denke, es hat jeden überrascht. Ich konnte es aber auch verstehen.
Weshalb?
Nico ist nicht nur Rennfahrer, er weiß, dass es im Leben mehr gibt als Motorsport. Er war schon immer einer, der es zu schätzen wusste, wenn es am Schönsten ist. Und er war dann auch immer stark genug, um sich zu sagen: ,Schöner wird es nicht mehr, und so möchte ich mir die Zeit in Erinnerung behalten.‘ Insofern erkenne ich Nico in dieser Entscheidung durchaus wieder.
War die Entscheidung von Nico Rosberg am Ende richtig?
Ich habe einen riesigen Respekt vor ihr, sie war sicher nicht einfach. Vor allem wenn du in der Formel 1 ein siegfähiges Auto hast, und dir trotzdem sagst: Okay, ich habe mein Ziel erreicht und ich ziehe mich zurück. Doch Nico ist eine starke Persönlichkeit. Deshalb war es für mich auch schön zu sehen, dass er mit dieser Entscheidung offensichtlich sehr glücklich ist. Was will er denn mehr? Er hat eine fantastische Frau und eine süße kleine Tochter.
Sind Sie und Herr Rosberg sich dann später nochmal in Nachwuchsserien begegnet?
Wir sind vier Rennen in der Formel-3-Euroserie gemeinsam gefahren. Bei mir war dann aber nach vier Rennen Schluss, sie liefen nicht optimal. Im Rückblick war das einer meiner Karrierefehler. Es wäre besser für mich gewesen, noch ein Jahr in der Formel BMW dranzuhängen. Ich bin zu früh in die Formel 3 gegangen, aber als 17-Jähriger willst du eben immer sofort im schnellstmöglichen Auto sitzen.
Sie sind sympathisch ehrlich.
So war es doch auch. In der Formel BMW wurde ich als Titelanwärter gehandelt – aber in den ersten acht Rennen habe ich nicht einen Punkt geholt. Es war komplett grauenvoll. Eine Stufe nach der anderen zu nehmen, wäre für mich angebrachter gewesen. In jungen Jahren war für mich das Thema Monaco überdies nicht immer eine Hilfe. Da herrscht oft das Vorurteil: Okay, der hat ja eh die Kohle von zu Hause.
War es so?
Das Gegenteil war der Fall. Anfangs lief der Mode-Betrieb meines Vaters sehr gut. Doch 2000 wurde er verkauft. Die neuen Eigentümer haben dann durch den Börsencrash viel Geld verloren und meine Eltern nicht ausbezahlt.
Und doch sind Sie Rennfahrer geworden.
Ja. Ich musste aber immer bei möglichen Sponsoren klingeln. Oft ging es schief – und ich bin wieder rausgeflogen. 2005 war es mir dann gelungen, einen Förderer zu finden, der es mir ermöglichte, in der italienischen Formel 3000 zu fahren. Da war auch Pastor Maldonado dabei. Danach war ich in der britischen Formel 3 gut unterwegs und bekam einen Juniorvertrag bei Mercedes.
Ein mühsamer Weg.
Dass ich immer noch im Motorsport professionell aktiv bin und für Mercedes fahre, darüber freue ich mich sehr. Ich denke, man muss für seine Überzeugung kämpfen.
Sie waren schon in der DTM, sind für diese Saison nach vier Jahren wieder zurückgekehrt. Ihre Karriere blieb also eher unruhig.
Als ich in der DTM anfing, war es üblich, sich in einem Jahreswagen für einen Neuwagen zu empfehlen. Es war aber nicht realistisch, im „Gebrauchtwagen“ etwas auszurichten. Es gab ein paar Rennen, in denen man ein Highlight setzen konnte. Mir gelang das 2009 in Dijon, da ging mein Auto ab wie die Feuerwehr. Im ersten Teil des Qualifyings war ich Schnellster, auch im zweiten – ich stand also fast auf Pole. Aber in dritten Runde kam der Regen .
Geduld wird irgendwann belohnt.
Wenn Sie da jetzt meinen Moskau-Sieg ansprechen, gebe ich Ihnen absolut recht.