Klicken Sie sich durch Bilder vom Mercedes-Benz-Museum - von innen und außen. Foto: Wagner

Wir testen Automobil-Museen auf ihren Erlebnisfaktor. Diesmal das Mercedes-Benz-Museum.

Stuttgart - In Baden-Württemberg gibt es jede Menge Museen rund um das Auto. In unserer Serie testen wir einige Häuser auf ihren Erlebnisfaktor. Das Stuttgarter Mercedes-Benz-Museum direkt neben der Konzernzentrale setzt 125 Jahre Autogeschichte perfekt in Szene.

"Ich glaube an das Pferd. Das Automobil ist nur eine vorübergehende Erscheinung." Mit dieser Einschätzung hat sich Kaiser Wilhelm II. (1859-1941) gründlich getäuscht. Vor 125 Jahren wurde ein Fortbewegungsmittel entwickelt, das die Welt bis heute auf Trab hält - das Auto.

Es dominieren weiche Kanten

Daimler-Benz als Unternehmen und Stuttgart als Stadt stehen für motorisierte Mobilität. Denn Gottlieb Daimler und Carl Benz waren es, die den "selbstfahrenden Wagen" erfanden und zum Patent anmeldeten. Der Standort des Museums ist kein Zufall. Es liegt neben der Konzernzentrale, in unmittelbarer Nähe begannen Daimler und der Ingenieur Wilhelm Maybach 1882 den ersten schnell laufenden Benzinmotor zu entwickeln. Ohne die Erfindung wäre der Erfolg des Autos kaum möglich gewesen.

Selbst wenn es leerstünde, wäre das Museum für viele Menschen einen Besuch wert - wegen der einzigartigen Architektur des holländischen Büros van Berkel & Bos. Gewaltig schraubt sich das Gebäude in die Höhe. 850 Stahlbetonpfähle wurden in den Boden gerammt, 11.000 Tonnen Stahl und 43.000 Tonnen Beton verbaut, die Gesamtkosten lagen bei 150 Millionen Euro. All das fügt sich zu einem imposanten Gebäude, das wie ein Solitär wirkt an dem Standort.

Innen ist der Anblick nicht weniger atemberaubend, das Atrium nimmt den Besucher mit seinen Ausmaßen gefangen. 34 Meter hoch führen zwei silberne Aufzüge bis direkt unter die Decke, insgesamt 47,5 Meter misst das Museum. In die Halle ist eine leistungsfähige Lüftungsanlage integriert. So leistungsfähig, dass dort der weltweit größte künstliche Wirbelsturm erzeugt werden kann. Obwohl sehr viel Beton als Baustoff verwendet wurde, fühlt der Besucher sich wohl. Alles ist sehr offen gestaltet, man setzt auf Großzügigkeit. Auffallend ist, dass als Thema der Architektur das Runde auch im Inneren aufgenommen wird. Es dominieren weiche Kanten.


Ambiente: Zwei schraubenförmige Rundgänge führen von oben nach unten. Das Erlebnis Autogeschichte beginnt mit dem Pferd (siehe Kaiser Wilhelm II.) und seinem Nachfolger, dem Patent-Motorwagen. "Die Rundgänge sind der Doppelhelix nachempfunden, der Struktur des menschlichen Erbguts", erläutert Museumssprecherin Miriam Weiss. Die Schwerkraft treibt einen sozusagen wie von selbst von der einen zur nächsten Epoche. Die Aufteilung in einen Mythos- und den Collections-Bereich wirkt schlüssig. Immer wieder begegnen sich die Sektionen. Und immer wieder eröffnen große Glasflächen interessante Ausblicke auf die Mercedes-Welt und die Umgebung.

Lernen: Der Rundgang ist eine Exkursion durch die Automobilgeschichte - vor allem die von Mercedes. Ausgiebig erläutert wird das technische Innenleben der Vehikel. Das ist nur manchmal etwas zu komplex für Menschen, die kein Ingenieurstudium absolviert haben. Meistens haben es die Museumsmacher verstanden, schwierige Sachverhalte einfach zu vermitteln. Eine nette Idee ist es, mit Zeittafeln die Epoche einzuordnen, in denen die motorisierten Exponate entstanden sind. So wird beim Blick auf Bilder vom ersten Atlantikflug von Charles Lindbergh, dem Besuch von US-Präsident John F. Kennedy in Berlin oder dem Mauerfall dem Besucher auf einen Blick deutlich, in welche Zeit man jetzt eintaucht. Geschichtsunterricht im Vorbeigehen.

Jedes Auto hat seine Geschichte

Kinder: Unter 15 Jahren ist der Eintritt kostenlos, das freut Familien. Kinder und ihre Eltern erhalten an der Kasse ein kleines Entdeckerbuch für den Gang durch die Ausstellung. Die kleinen Fahrzeugfans können sich wie die Erwachsenen per Audioführungen das Phänomen Auto erklären lassen. Etwas enttäuscht dürfte vor allem der männliche Nachwuchs sein, dass man in die vielen tollen Kisten nicht einsteigen darf. Aus Sicht des Museums ist das zu verstehen, die wertvollen Ausstellungsstücke sind bestens erhalten und sollen es möglichst lange bleiben. Dennoch schade: Wann sonst gäbe es die Gelegenheit, das Cockpit eines echten Feuerwehrautos zu erkunden oder sich hinter das Steuer eines Omnibusses zu klemmen. Schulklassen sind nach vorheriger Anmeldung willkommen.

Erleben: Etwa 650.000 Menschen haben 2010 das Museum besucht. Vor allem wohl, weil es faszinierend ist, so viele Fahrzeuge auf einmal zu sehen, von denen jedes auf seine Art Geschichte geschrieben hat. Besonders beliebt sind die beiden Rennsimulatoren auf Ebene zwei. Das virtuelle Erlebnis auf der Rennstrecke kostet allerdings vier Euro extra, aus Sicherheitsgründen ist erst ab einer bestimmten Körpergröße die Benutzung erlaubt. In der nachgebauten Steilkurve (Ebene zwei) dürften am meisten Ahs und Ohs zu hören sein. Die Geschichte des Automobils ist auch eine Geschichte des Rennfahrens. Auch Mercedes fuhr viele Siege ein. Vom legendären Silberpfeil, in dem Manfred von Brauchitsch 1934 das Eifelrennen auf dem Nürburgring gewann, bis zu Lewis Hamiltons Formel-1-Auto, das ihm 2008 den Weltmeistertitel sicherte, reicht die Palette der gezeigten Wagen. Diese Boliden sind, wie alle motorisierten Ausstellungsstücke, nach einem Technikcheck fahrtüchtig - und werden bei Rallyes oder Rennen immer wieder eingesetzt.

Aktueller Hinweis: Das Museum ist Partner des Automobilsommers 2011. Mit Events und Veranstaltungen wird das 125-Jahr-Jubiläum des Autos gefeiert. Hier finden sie weitere Informationen: www.automobilsommer2011.de