Jürgen Klinsmann Foto: dapd

Der US-Nationaltrainer Klinsmann über seine Ansprüche und den Mercedes-Benz Junior-Cup.

Stuttgart - Jürgen Klinsmann hat zwei große Ziele: Die Qualifikation für die WM 2014 – und die Verbesserung der Nachwuchsarbeit in den Staaten: „Fußball kannst du in den USA nicht mehr stoppen“, sagt er.


Herr Klinsmann, die U-19-Auswahl der USA nimmt am Mercedes-Benz-Junior-Cup in Sindelfingen teil. Was ist drin?
Die Jungs werden ganz schön durchschnaufen müssen bei dem hohen spielerischen Niveau, das da auf sie zukommt. Der Anspruch ist sicher nicht der Turniersieg. Dafür sind die Burschen zu wenig eingespielt. In Sindelfingen trifft sich die Crème de la Crème des Jugendfußballs. Unsere Jungs brennen darauf, sich einen Eindruck vom europäischen Fußball verschaffen zu dürfen.

Was steht sonst noch auf dem Plan?
Die Burschen werden sich wie immer, wenn sie in fremden Ländern unterwegs sind, auch einige Sehenswürdigkeiten anschauen. Das gehört zu so einer Reise einfach dazu, um den Horizont zu erweitern. In Stuttgart werden sie das Mercedes-Benz-Museum besichtigen, vielleicht gehen sie auch noch auf den Fernsehturm. Einen Besuch bei der Bäckerei Klinsmann in Botnang habe ich ihnen aber nicht auf den Zettel geschrieben (lacht).

Dafür steht auf Ihrer To-do-Liste, den Jugendfußball in den USA voranzubringen. Wie schwierig ist das im Land des Basketballs, Baseballs und Footballs?
In einem Land mit über 300 Millionen Einwohnern muss Platz für Fußball sein. Du kannst den Fußball in den USA gar nicht mehr stoppen. Wir wollen sicher keine Konkurrenz zu Basketball oder Football sein, das wäre vermessen. Der US-Amerikaner hat diese Sportarten fest in seiner DNA verankert, er trägt sie immer im Herzen. Aber der Fußball ist immer mehr im Kommen.

Woran machen Sie das fest?
Fußball hat schon länger einen hohen Stellenwert bei den Jugendlichen, weil man sich damit in den Staaten ein Stipendium fürs College sichern kann. Fußball ist mehr denn je ein Sprungbrett für die Jugend – und das müssen wir besser ausnutzen.

Jugendfußball wie im Wilden Westen


Wie geht das?
Der Jugendfußball ist in den USA noch ein bisschen wie im Wilden Westen organisiert. Die Proficlubs hatten bis vor kurzem noch keine Jugendabteilungen oder Internate wie in Deutschland. Das ist alles erst im Kommen. Erwachsenenfußball und Jugendfußball waren in den USA bisher getrennt. Es gab Erwachsenenteams ohne Jugendabteilung und Jugendteams ohne Erwachsenenabteilung. Und es gab eben die Möglichkeit, sich über Highschoolteams fürs College zu empfehlen.

Was muss besser werden?
In den separaten Jugendteams arbeiteten hauptamtliche Trainer. Die Übungseinheiten kosteten Geld – das war also meist nur etwas für die Mittelschicht und die Oberklasse. Wenn die Proficlubs jetzt Nachwuchszentren errichten, sollte Fußball für jedermann zugänglich sein. Schwierig ist es aber, da den ganzen Markt abzudecken. Die Entfernung zwischen einigen Erstligaclubs beträgt ja oft mehr als 300 Meilen.

Was ist zu tun?
Wir müssen die Dinge besser vernetzen und das immense Potenzial auf den Colleges nutzen. Darin liegt das eigentliche Herz des US-Sports. Da lassen sich die Menschen bei den Spielen in den Bars gehen, da liegen die Emotionen, und daraus lassen sich Kräfte bündeln. Bei den Matches der großen Profiligen ist nicht so viel Begeisterung dabei. Da essen die Leute ihren Hotdog, kaufen sich ein T-Shirt und wollen sich oft nur berieseln lassen.

Viele US-Sportfans sind also das krasse Gegenteil von Ihnen. Sie sind für Emotionen an der Seitenlinie bekannt. Den Jugendfußball wollen Sie voranbringen – wohin soll der Weg des A-Nationalteams führen?
Oberstes Ziel ist die Qualifikation für die WM 2014 in Brasilien, das ist das Nonplusultra. Da wollen wir mit den Großen der Welt mitspielen. Wir wollen gegen Deutschland oder Spanien nicht nur auf Konter lauern – wir wollen irgendwann auf Augenhöhe sein.

Was machen Sie, damit das klappt?
Die meisten unserer Nationalspieler sind mittlerweile fast alle Stammspieler in den europäischen Topligen oder in der US-Profiliga. Die Basis ist gelegt. Jetzt geht es darum, einen offensiven, spielstarken Stil zu entwickeln, der die Menschen in den USA begeistert. Und wir müssen wachsam sein und noch mehr Spieler mit doppelten Staatsbürgerschaften wie Timothy Chandler vom 1. FC Nürnberg für uns gewinnen. Wichtig ist auch, und da sind wir wieder im Jugendbereich, dass wir Spieler aus Süd-oder Mittelamerika, die in den USA leben, sichten und für uns gewinnen. Die Jungs sind nämlich noch richtige Straßenfußballer.