Mehr als 100.000 Euro Schaden: Vor dem Offenburger Forum-Kino krachte ein Autofahrer wegen eines riskanten Manövers Anfang November in eine Reihe von geparkten Fahrzeugen – die Polizei rechnet den Vorfall der "Poser-Szene" zu. (Archivfoto) Foto: Kamera 24

Unfälle aufgrund illegaler Autorennen häufen sich. Beamte erhöhen Kontrolldruck weiter.

Ortenau - Heulende Motoren und quietschende Reifen – die Polizei hat illegalen Autorennen und unzulässig aufgemotzten Fahrzeugen den Kampf angesagt. Unter anderem mehr Kontrolldruck soll den "Posern" ihr Hobby künftig verleiden.

"Die ›Poser‹ sind nun auch bei uns im ländlichen Raum angekommen", konstatiert Peter Westermann, Leiter der Verkehrspolizeiinspektion, bei einem Online-Pressegespräch am Mittwoch. Bei den "Posern" handele es sich um meist junge Männer zwischen 18 und 25 Jahren, die mit schicken und oft nur geleasten Autos, einer draufgängerischen Fahrweise und meist viel Krach Gleichaltrige auf sich aufmerksam machen wollen – oft zum Leidwesen von Anwohnern.

Neben der Fahrweise spielt auch das "Tuning" – also das technische Aufmotzen der Fahrzeuge – eine Rolle: Autos würden tiefergelegt, die Karosserie verbreitert, Scheiben getönt oder Lautstärke erhöhende Anlagen eingebaut, zählt Westermann auf. Viele Umbauten seien nicht illegal – häufig seien die Veränderungen jedoch nicht genehmigungsfähig oder es fehle schlicht die TÜV-Abnahme.

Das "Imponiergehabe junger Männer mit ihren aufgemotzten Fahrzeugen" sei bisher eher aus größeren Städten bekannt gewesen, so Westermann. Seit der Corona-Krise macht das Phänomen aber auch dem Polizeipräsidiums Offenburg zunehmend Sorgen – auch weil sich mutmaßlich auf illegale Autorennen zurückzuführende Unfälle zuletzt gehäuft hatten.

82 Vorfälle bis Mitte Mai

Von Jahresbeginn bis Mitte Mai gab es im Bereich des Polizeipräsidiums 82 Vorfälle im Zusammenhang mit der Poser- und Tuningszene – im gesamten Jahr 2020 waren es insgesamt nur 100. "Durch die Pandemie scheint das Phänomen noch gesteigert worden zu sein, wahrscheinlich wegen fehlender Freizeitmöglichkeiten", so Westermann.

Offenburg hat sich in den letzten Monaten zum Haupttreffpunkt – vor allem die Parkplätze eines großen Möbelhauses und eines Fast-Food-Restaurants – entwickelt (29 Fälle). In Lahr dagegen sei eher eine kleinere Szene aktiv, überwiegend jüngere Motorradfahrer auf dem Flugplatzgelände. "Die versuchen da ihre Kunststückchen einzuüben", so Westermann.

Um das verkehrsgefährdende Verhalten in den Griff zu kriegen, setzt die Polizei ein neues Konzept um. Davon berichtet Polizeioberkommissar Sebastian Thomann. Zum einen soll ein "Flächendeckender Kontrolldruck der Reviere rund um die Uhr" den "Posern" den Spaß verderben, zum anderen soll langfristig Prävention in Schulen oder auf Automessen helfen. Dafür wurde der Arbeitsbereich "Tuning" eingerichtet. "Die Mitglieder werden speziell geschult, rechtlich aber auch technisch", so Thomann. Jedes Revier verfüge über zwei bis drei solcher Experten.

Gelbe Karte

Künftig wollen alle betroffenen Dienststellen und Behörden enger zusammenarbeiten – auch die Führerscheinstelle und die Staatsanwaltschaft. So soll verhindert werden, dass Fahrer in verschiedenen Bereichen nicht mehrfach als Ersttäter registriert werden, erläutert Thomann, denn die Szene sei sehr mobil. Auffälligkeiten sollen zudem konsequent an die Führerscheinstellen gemeldet werden, auch ein gestuftes Bußgeldkonzept ist in Planung.

Bei anderen Präsidien bereits erprobt ist die sogenannte gelbe Karte: "Wenn Fahrzeuge negativ auffallen, wird der Halter von der Polizei angeschrieben. Ihm wird mitgeteilt, dass sein Fahrzeug im Fokus der polizeilichen Überwachung steht", erläutert Thomann, mögliche Konsequenzen würden gleich aufgezeigt.

Mit Hinweisen zu Treffpunkten der Szene können Bürger sich an örtliche Polizeireviere wenden, bei akuten Rennen sollte der Notruf gewählt werden, rät die Polizei.

Seit Beginn der Corona-Pandemie registrierte das Polizeipräsidium Offenburg eine Zunahme von Vorfällen, die sie der sogenannten Poser- und Tunerszene zurechnet. Peter Dieterle, Leiter des Offenburger Reviers, präsentierte Pressevertretern am Mittwoch einige der spektakulärsten Unfälle:

- Messgerät ist überfordert:

Erhebliche Mängel hatte die Polizei bei der Kontrolle eines italienischen Sportwagens im September 2020 festgestellt. Eine genaue Lärmmessung war jedoch nicht möglich. "Das Lärmmessgerät beim TÜV war auf 130 Dezibel ausgelegt, der Lärm dieses Autos war deutlich größer", so Dieterle. Doch das war nicht alles: Bei entsprechender Motordrehzahl schlugen bis zu 50 Zentimeter lange Stichflammen aus dem Endrohr des Fahrzeugs. Das Auto wurde schlussendlich beschlagnahmt.

- 100.000 Euro Schaden:

Ein weiterer Fahrer schnitt Anfang November vor dem Offenburger Forum-Kino eine Kurve. Aufgrund von überhöhter Geschwindigkeit – mutmaßlich 80 bis 100 Stundenkilometer – ging das Kunststück schief: Er kam von der Fahrbahn ab und krachte nahezu ungebremst in eine Reihe geparkter Autos. Mehr als 100.000 Euro Schaden waren die Konsequenz. "Das ist kein normaler Versicherungsfall", betont Dieterle. Die Versicherung komme aufgrund der Fahrweise für die Schäden nicht auf.

- Zuschauer knapp verfehlt:

Bei einem Treffen der Szene in Offenburg kam es beim von "Posern" sogenannten "Car-Freitag" Anfang April bei einem mutmaßlichen Autorennen zu einem Unfall mit beinahe fatalem Ausgang. Infolge überhöhter Geschwindigkeit krachte ein Pkw in einen anderen. Ein durch das Fahrzeug des Unfallverursachers in Richtung eines Gebäudeeingangs geschleudertes Auto verfehlte vier junge Zuschauerinnen dabei nur knapp, so Dieterle.