Die Regierung will Apothekern 25 Cent mehr je verschreibungspflichtige Arzneipackung zugestehen. Die Pharmazeuten fordern viermal so viel. Über den Vorschlag sind einige so empört, dass sie auf die Straße gehen. Foto: dapd

Apotheker wollen mehr Geld je verschreibungspflichtige Arzneipackung als von der Regierung zugestanden.

Stuttgart/Kiel - Den Kielern bot sich diese Woche ein ungewohntes Bild: Vor dem Landtag bliesen Demonstranten in weißen Kitteln in rote Tröten, auf Plakaten forderten sie: „Schluss mit Nullrunden“. Das Besondere daran: Apotheker gehen nur alle paar Jahre für ihre Belange auf die Straße, und dann nur ein Bruchteil der Berufsgruppe mit rund 130.000 Beschäftigten. Für eine Erhöhung des Tarifgehalts in der Apotheke wurde noch nie gestreikt. Den letzten größeren Protest gab es 2006 und 2007, als Apotheker gegen Rabattverträge und die Erhöhung des Kassenabschlags demonstriert haben.

Beides hat die Bürokratie erhöht und den Verdienst des Apothekers geschmälert. Die jetzt vorgeschlagene Honoraranhebung um 25 Cent pro rezeptpflichtiger Medikamentenpackung verstärkt den Frust der Berufsgruppe noch, da der Aufschlag aus ihrer Sicht bei weitem nicht reicht, um die gestiegenen Kosten plus die Inflation der vergangenen Jahre auszugleichen. Mancher Apotheker empfindet den Vorschlag von Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler als „Affront“, der Präsident der Apothekervereinigung ABDA, Heinz-Günter Wolf, als „Schlag ins Gesicht aller Pharmazeuten“.

Die Branche bangt um ihre Existenz: Seit 2008 sinkt die Zahl der Apotheken in Deutschland, Ende März 2012 zählte die ABDA bundesweit 21.159 Betriebsstätten. Von Januar bis März sind unter dem Strich jede Woche sechs Apotheken von der Bildfläche verschwunden. 2011 haben doppelt so viele geschlossen, wie neue Filialen eröffnet wurden. In Baden-Württemberg liegt die Apothekenzahl seit Jahrzehnten das erste Mal wieder knapp unter 2700. Die Präsidentin der Apothekerkammer Niedersachsen, Magdalena Linz, fürchtet mittlerweile ein Massensterben: „Nach dem Ärztemangel wird dann auch ein Apothekermangel in ländlichen Regionen unvermeidbar sein.“

Apotheker wollen Nachtdienste besser bezahlt bekommen

Die Apotheker sind so empört über den 25-Cent-Zuschlag, weil ihr Fix-Honorar seit 2004 nicht erhöht wurde. Damals wurde die Vergütung grundlegend umgestellt: Für jede auf Rezept verkaufte Medikamentenpackung bekommen Apotheker von den gesetzlichen Krankenkassen ein fixes Honorar von 8,10 Euro, worauf sie den Kassen wiederum einen Rabatt gewähren müssen. Dieser schwankt je nach Jahr zwischen 1,75 Euro und 2,30 Euro, aktuell beträgt der sogenannte Kassenabschlag 2,05 Euro. Zudem schlagen Apotheken auf jede Packung drei Prozent für Lagerhaltung auf, sie erhalten Geld für Notdienste, die Herstellung von Rezepturen sowie die Abgabe von Betäubungsmitteln und verdienen an freiverkäuflichen Arzneien. Im Schnitt macht eine Apotheke zwischen 75 und 80 Prozent ihre Umsatzes mit rezeptpflichtigen Präparaten.

Rösler will das fixe Honorar je verschreibungspflichtiger Packung ab 2013 von 8,10 auf 8,35 Euro anheben, dies entspricht jährlichen Gesamtkosten von 190 Millionen Euro. Die Apotheker fordern eine Erhöhung des Zuschlags um 1,04 Euro oder knapp 800 Millionen Euro. Zudem wollen sie unter anderem die Nachtdienste besser bezahlt bekommen. Sie argumentieren, dass allein die Inflationsrate seit 2004 um 14,5 Prozent gestiegen ist, der Personalstand in der Apotheke hat vergleichbar zugelegt. Zwar werden jedes Jahr mehr Medikamente auf Rezept verkauft, was die Einnahmen aufbessert – dem stehen aber ein erhöhter Arbeitsaufwand und höhere Personalkosten gegenüber. Zudem fühlen sich Apotheker zunehmend ausgepresst, da die Politik mit jeder Gesundheitsreform neue Sparzwänge erlässt – den Pharmazeuten aber zugleich mit Regeln wie jüngst einer neuen Betriebsordnung Mehrarbeit aufbürdet. „Ich glaube, dass es nach wie vor eine Menge gut verdienender Apotheker gibt“, sagt Frank Jaschkowski, Geschäftsführer der Apothekerkammer Schleswig-Holstein. „Die Situation hat sich in den vergangenen zehn bis 20 Jahren aber immer weiter verschlechtert, und wir sind jetzt am Ende der Fahnenstange angelangt.“ Jaschkowski ist deswegen vor den Kieler Landtag gezogen, die ABDA hat diese Woche in einer Krisensitzung mit Kammer-Vertretern eine bundesweite Plakataktion beschlossen. Präsident Wolf warnt: „Ohne angemessenes Honorar können die Apotheken auf Dauer nicht das gewünschte Versorgungsniveau erhalten.“

„Viele Pharmazie-Studenten sagen zu einem Job in der öffentlichen Apotheke Nein danke“

Laut der Apothekengewerkschaft Adexa tut sich die Branche schon heute schwer, Nachwuchs zu finden. „Viele Pharmazie-Studenten sagen zu einem Job in der öffentlichen Apotheke Nein danke“, sagt eine Adexa-Sprecherin. Stattdessen gingen immer mehr Apotheker und pharmazeutisch-technische Assistenten in die Industrie, „weil dort die Gehälter besser sind“. Bei angestellten Apothekern endet die Verdienstkarriere im 11. Berufsjahr – bei 3745 Euro und 27,50 Euro monatlich für die betriebliche Altersvorsorge. Dafür arbeiten Apotheker 40-Stunden-Wochen und regelmäßig auch nachts. Mehr als 70 Prozent des Personals ist weiblich. Neben dem wachsenden gesetzlichen Druck gilt der hohe Frauenanteil als Grund, warum in dem Beruf verglichen mit anderen eher mäßig bezahlt wird.

Ein Apothekenleiter verdient in der Regel deutlich besser – es wagen aber immer weniger Pharmazeuten die Selbstständigkeit, meint Jaschkowski. „Wer dafür Kredite aufnehmen muss, fragt sich, ob sich das Geschäft wohl auch noch in fünf Jahren rentieren wird.“ Und das gilt für ländliche Regionen genauso wie in der Stadt: Auf dem Land verlieren Apotheker Geschäft, weil die Ärzte abwandern. In der Stadt verhindert oft die große Konkurrenz üppige Einkünfte.