Neue Bildgebung erlaubt mehr minimal-invasive Eingriffe Foto: Leif Piechowski

Anfang dieses Jahres hat die Klinik für Radiologie im Klinikum Stuttgart eine sogenannte "Angiographieanlage" in Betrieb genommen: Sie kann jeden Punkt im menschlichen Körper dreidimensional erfassen und ermöglicht dadurch hochpräzise medizinische Eingriffe.

Stuttgart - Anfang dieses Jahres hat die Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie im Klinikum Stuttgart eine neue Angiographieanlage in Betrieb genommen. Sie kann jeden Punkt im menschlichen Körper dreidimensional erfassen und ermöglicht dadurch hochpräzise medizinische Eingriffe.

Das Gerät ist Kernstück eines Siemens-Referenzzentrums für Interventionelle Radiologie und Onkologie, in dem Besuchergruppen aus anderen Ländern sehen können, wie die Technologie im Klinikalltag funktioniert. Die Angiografieanlage bringt das Klinikum Stuttgart im europaweiten Vergleich auf den modernsten Stand der Technik. „Wir haben den größten Hybrid-Operationssaal, den ich in der Umgebung so kenne, damit ist unser Klinikum an der vordersten Front der Medizin“, sagt Professor Götz Martin Richter, der Direktor der Klinik für Radiologie.

Zwei riesige Bildschirme stehen im weitläufigen OP-Saal. „Atmen Sie einmal tief ein und dann wieder aus. Und jetzt halten Sie die Luft an“, sagt Richter zur Patientin. An einem großen Arm sind Röntgenröhre und Flachdetektor der Anlage befestigt. Auf Knopfdruck rotiert das Gerät um die Patientin und durchleuchtet sie. Nach wenigen Sekunden ist der Einsatz auch schon wieder vorbei, es darf wieder geatmet werden und auf einem Bildschirm ist die Gebärmutterarterie der Patientin zu sehen.

„Jetzt wissen wir genau, wo wir mit dem Katheter abbiegen müssen und dann können wir mit dem Veröden beginnen“, sagt Richter und schiebt einen sehr langen, sehr dünnen Katheter, der eher wie ein Draht aussieht, etwas tiefer in die Ader der liegenden Frau. Sie leidet an einem Uterusmyom, einem gutartigen Tumor in der Gebärmutter. Richter sagt: „Dank der Angiografieanlage können wir das Myom zum Absterben bringen und ersparen der Patientin eine Gebärmutterentfernung.“

Ein weiteres Bild zeigt: Der Katheter liegt jetzt richtig. Die Nerven im Becken der Patientin werden betäubt, dann werden tausende kleiner Mikropartikel durch den Schlauch auf den Weg geschickt. Sie sollen die Blutgefäße verstopfen und dafür sorgen, dass der Blutfluss in der Gebärmutterarterie stillsteht. „Das Myom kann dann nicht mehr mit Blut versorgt werden, geht kaputt und wird von Bindegewebe ersetzt oder komplett abgestoßen“, sagt Richter. Er wartet genau fünf Minuten, damit auch jedes Mikropartikelchen durch den Blutfluss an seinen Platz getragen wird, dann ist die Versorgung des Myoms gestoppt.

Die Angiografieanlage, die diese Behandlung möglich gemacht hat, befindet sich im Hybrid-Operationstrakt des Katharinenhospitals, in dem auch interdisziplinär gut gearbeitet werden kann, beispielsweise Herzchirurgen mit Kardiologen. Professor Götz Martin Richter ist nach den ersten Erfahrungen mit der neuen Angiografieanlage hellauf begeistert: „Ich bin beeindruckt, was das Gerät kann und leistet.“

Im Katharinenhospital kommt die Anlage bei einem breiten Spektrum von Therapien zum Einsatz. Krebserkrankungen sind damit behandelbar, große Fortschritte werden gerade bei der Heilung von Lebertumoren erwartet. Der Aortenchirurgie kann das hochmoderne Gerät besonders weiterhelfen. „Durch die dreidimensionale Computertomografie finden wir das erkrankte Segment, ohne mühsam suchen zu müssen“, sagt Richter.

Neben dem Klinikum Stuttgart verfügt auch das Tübinger Universitätsklinikum seit Anfang des Jahres über die Angiografieanlage Artis zeego mit Qtechnologie. Erste Erfahrungen mit der Technologie des Geräts hat das Stuttgarter Robert-Bosch-Krankenhaus bereits vor etwa vier Jahren gemacht. 2010 wurde der dortige Hybrid-Operationssaal mit neuer Angiografieanlage in Betrieb genommen. Besonders von der Möglichkeit, Eingriffe minimalinvasiv und damit bei nur kleinstmöglicher Verletzung zu gestalten, ist man dort angetan.

Die Anlage im Stuttgarter Klinikum ist eine Weiterentwicklung bisheriger Bildgebungstechnik und hat den Vorteil, dass eine Bildfusion nun möglich ist. Dabei überlagern sich mehrere Datensätze und zeigen dadurch ein wesentlich deutlicheres Bild. Die Röhrenkonstruktion ist ebenfalls neu. Außerdem hat sich die Strahlendosis, die auf Patient und Anwender wirkt, fast halbiert, das Gerät arbeitet schneller und präziser.

„Die Strahlendosis ist ein großes Thema. Bei uns Ärzten schwingt immer die Angst mit, selber geschädigt zu werden, zum Beispiel trübe Augen zu bekommen, weil wir der Belastung ständig ausgesetzt sind. Deswegen ist das ein riesiger Fortschritt“, sagt Professor Richter.