Der Hausarzt steht auch künftig im Zentrum, aber nicht mehr als Einzelpraxis. Foto: © Studio Romantic – stock.adobe.com

Um neue Wege der Gesundheitsversorgung in Baden-Württemberg zu erproben, fördert das Land elf weitere lokale Gesundheitszentren, auch Primärversorgungszentren genannt. Zu den Projekten gehören auch die in Calw, Schömberg, Bad Liebenzell und Wildberg.

Kreis Calw - "Bislang wenden sich die Menschen bei gesundheitlichen Anliegen vor allem an ihre Hausärztin oder ihren Hausarzt. Diese Rolle nehmen künftig auch die Primärversorgungszentren ein", erklärte Minister Gesundheitsminister Manfred Lucha bei der Bekanntgabe in Stuttgart. Unterstützt werden Projekte in Aulendorf, Bubsheim, Calw, Friedrichshafen, Wilhelmsdorf, Bad Liebenzell, Jestetten, Konstanz, Bad Waldsee, Schömberg und Wildberg mit Beträgen zwischen 150 000 und 260 000 Euro. Das hat Gesundheitsminister Manne Lucha am Donnerstag (1. September) in Stuttgart bekannt gegeben.

Enge Zusammenarbeitunter einem Dach

"In den Primärversorgungszentren arbeiten Angehörige unterschiedlichster Gesundheitsberufe Hand in Hand unter einem Dach", so Luchs. In enger Zusammenarbeit böten sie den Bürgern hier eine umfassende und schnelle Betreuung in gesundheitlichen Fragen.

Die Menschen würden immer älter und hätten mehr chronische Erkrankungen – dafür brauche es die Zusammenarbeit der verschiedenen Facharzt-Disziplinen. Genau das geschehe in solchen Zentren, in denen die niedergelassenen Ärzte keine Einzelkämpfer seien. Und das sei auch das, was die Menschen bräuchten, wenn sie von Medizin vor Ort reden würden. "Gerade in ländlichen Regionen sichern sie damit die Gesundheitsversorgung und entlasten gleichzeitig Krankenhäuser."

Insgesamt zehn Millionen Euro stellt das Land dafür in diesem Jahr zur Verfügung. Bereits im Juli hatte es eine erste Förderrunde mit zehn Projekten in Baden-Württemberg gegeben.

Folgende Projekte wurden im Kreis Calw in der jetzigen Förderrunde zusätzlich ausgewählt:

Calw: Verstetigung des Case Managements im Rahmen des hausärztlichen Primärversorgungszentrums Calw (198 237 Euro).

Bad Liebenzell: Aufbau eines Primärversorgungszentrums in Kooperation mit der Mednos eG (155 000 Euro).

Schömberg: Anbindung der Primärversorgungszentren an psychotherapeutische Betreuung von Kindern und Jugendlichen (Online Coaching und Diagnostik)" (192 272 Euro)

Wildberg: Primärversorgungszentrum Wildberg (200 000 Euro).

Was sind Primärversorgungszentren?

Das Gesundheitswesen in Baden-Württemberg ist auf einem hohen Niveau. Gleichwohl gilt es, angesichts vieler Herausforderungen die Gesundheitsversorgung zukunftsfest zu machen. Deshalb brauche man in Baden-Württemberg eine regional passgenaue, gut erreichbare ambulante Gesundheitsversorgung. Lokale Gesundheitszentren, auch Primärversorgungszentren genannt, sind ein wichtiger Baustein, um die kommenden Herausforderungen im Gesundheitssystem zu bewältigen. Alle Bürger sollen die Möglichkeit haben, vor Ort die optimale Versorgung zu finden.

Primärversorgungszentren und Arztpraxen – was ist da der Unterschied?

In Primärversorgungszentren arbeiten Profis aus unterschiedlichen Gesundheitsberufen stärker zusammen und betreuen die Patienten damit umfassend. Hausärzte sind damit ein wichtiger Bestandteil des Primärversorgungszentrums, das aber noch weitere Angebote umfasst. Es können dort beispielsweise weitere Fachärzte arbeiten, therapeutische Angebote sind möglich (etwa Physio-, Ergo-, Logotherapie) und weitere Angebote wie eine Apotheke, Pflegestützpunkte und Nachsorgeeinrichtungen (wie eine Kurzzeitpflege) sind integrierbar. Möglich ist auch die Zusammenarbeit mit einem Krankenhaus, wenn dieses in der Nähe liegt.

Warum das alles?

Die Menschen werden immer älter und haben beispielsweise mehr chronische Erkrankungen – auch dafür braucht es die Zusammenarbeit der verschiedenen medizinischen und therapeutischen Berufsrichtungen. Genau das geschieht in solchen Zentren, wo die niedergelassenen Ärzte keine Einzelkämpfer mehr sind. Die Primärversorgung stellt den persönlichen Zugangspunkt zum medizinischen System und zu einer Vielzahl an Versorgungsleistungen dar. Für Patienten sollte perspektivisch der Zugang zum Versorgungssystem über die Primärversorgung gehen.

Was ist der Vorteil?

Kernpunkt des Primärversorgungszentrums ist das sogenannte "Case-Management". Es vermittelt Patienten die passenden Versorgungsangebote, leitet sie an andere Gesundheitsprofessionen weiter und hat den Überblick über den gesamten Behandlungsverlauf. Damit leistet das Case-Management einen Beitrag für eine Versorgung aus einer Hand. Und vor allem: Patienten haben dauerhaft nur einen Ansprechpartner, von dem sie kontinuierlich versorgt werden.

Was dagegen ist ein "Medizinisches Versorgungszentrum"?

Medizinische Versorgungszentren (MVZ) sind ärztlich geführte Einrichtungen, in denen Ärzte einer Fachrichtung oder auch fachübergreifend zusammenarbeiten. Primärversorgungszentren gehen über das Konzept der MVZ hinaus und beziehen auch andere Gesundheitsprofessionen mit ein.

Welche Rolle spielen Landkreise, Städte und Gemeinden?

Die Einzelpraxis ist oft nicht mehr das, was junge Mediziner und der Nachwuchs in anderen Gesundheitsberufen attraktiv finden. Viele bevorzugen heute ein Angestelltenverhältnis und wollen in Teams arbeiten. Die Suche nach Nachfolgern gestaltet sich zunehmend schwierig. Es herrscht somit ein akuter Handlungsbedarf, auf den insbesondere mit lokalem Engagement reagiert werden muss.

Landkreise, Städte und Gemeinden können hier helfen, dass die dezentrale, flächendeckende Versorgung erhalten bleibt und ausgebaut wird. Kommunen haben vor diesem Hintergrund das Potenzial, sich als Akteure für die Sicherung der Versorgung für ihre Bevölkerung zu positionieren – auch wenn die ärztliche Versorgung in Zukunft sicherlich weiterhin primär von privatwirtschaftlich betriebenen Praxen und Gesundheitszentren gewährleistet wird.