Ärzte im Sindelfinger Krankenhaus setzen einen Herzkatheter ein Foto: FACTUM-WEISE/factum / martin stollberg

Die kritisierte EU-Verordnung zur Zulassung von Medizinprodukten wird abgeändert. So kann ein drohender Mangel an lebenswichtigen Geräten vorerst abgewendet werden.

Der drohende Mangel an künstlichen Hüftgelenken und Herzkathetern ist abgewendet. Nachdem bereits die EU-Kommission die Übergangsfristen für die Zertifizierung medizinischer Produkte verlängern will, soll das Problem nun auch im Parlament zügig gelöst werden. Wie der Europaabgeordnete Peter Liese mitteilte, werde das Thema in einem Dringlichkeitsverfahren behandelt.

„Es geht jetzt schnell, und das muss es auch, weil es um Menschenleben geht“, betont der CDU-Politiker. Viele Hersteller hatten sich beklagt, dass sie zu wenig Zeit für die Umstellung auf die neuen EU-Regeln hätten. Die Fristen sollen nun verlängert werden. Wäre das nicht passiert, hätten in Krankenhäusern womöglich lebenswichtige Eingriffe nicht mehr durchgeführt werden können, weil die notwendigen Instrumente dafür gefehlt hätten.

Im Grunde wollten die EU-Gesetzgeber im Fall der sogenannten Medical-Device-Regulation (MDR) nur das Beste für die Bürger. Die Regelung soll dafür sorgen, dass nur solche Medizinprodukte eingesetzt werden, die ein strenges Zulassungsverfahren durchlaufen haben – und dieses Zulassungsverfahren muss in aller Regel alle fünf Jahre erneuert werden. Doch der gute Wille bewirkte in diesem Fall eher das Schlechte.

Auslöser für die Revision der bereits bestehenden Medizinprodukteverordnung im Jahr 2017 war der Skandal in Frankreich und Deutschland, bei dem Brustimplantate mit Industriesilikon gefüllt wurden. In Zukunft sollten solche Verbrechen vermieden werden. Doch statt einer verbesserten Patientensicherheit wurde genau das Gegenteil erreicht. Denn in Zukunft sollen die Hersteller auch seit Jahren erfolgreich genutzte Produkte, sogenannte Bestandsprodukte, erneut zertifizieren. Das aber ist manchen Unternehmen zu kostspielig und auch bürokratisch zu aufwändig, weshalb sie sich entscheiden, ihre Medizinprodukte lieber vom Markt zu nehmen.

Druck aus der baden-württembergischen Politik

Dies gilt insbesondere für Nischenprodukte, die oft in deutlich geringeren Mengen eingesetzt werden, zum Beispiel um Kinder zu behandeln. Dabei geht es etwa um bewährte Ballonkatheter, aber auch einfache Schläuche, Sonden oder Prothesen, die selten zum Einsatz kommen und deswegen nur in kleiner Stückzahl produziert werden.

Druck kommt vor allem aus Baden-Württemberg, wo viele Hersteller von Medizingeräten ihren Sitz haben. So pocht Manne Lucha, Gesundheitsminister in Stuttgart, auf einfachere Zertifizierungsverfahren. Der Bund müsse dringend den Druck auf Brüssel erhöhen, dass die EU die Rahmenbedingungen für Nischenprodukte verbessere, forderte der Grünen-Politiker. Der baden-württembergische Gesundheitsminister hat in diesem Jahr den Vorsitz bei der Gesundheitsministerkonferenz inne, die sich jüngst mit dem Thema befasste.

Eine langfristige Lösung fehlt noch

Laut EU-Kommissionsvorschlag soll nun eine Übergangsfrist für sogenannte Hochrisiko-Produkte wie etwa Implantate bis Dezember 2027 verlängert werden. Ursprünglich sollte die Frist bereits im Mai 2024 enden. Für Produkte mit mittlerem oder geringem Risiko, zum Beispiel Spritzen, schlägt die Behörde eine Verlängerung bis Dezember 2028 vor. Betroffen seien Medizinprodukte, die vor dem 26. Mai 2021 eine Bescheinigung erhalten haben oder für regelkonform erklärt wurden.

Für Peter Liese, der selbst als Kinderarzt gearbeitet hat, ist das Problem allerdings noch nicht vom Tisch. „Unabhängig von diesem Vorschlag brauchen wir eine langfristige Lösung, insbesondere für Produkte in der Kinderkardiologie und Kinderchirurgie, bei denen eine reine Fristverlängerung nicht ausreicht“, sagt der Europaparlamentarier. Sorgen bereiten ihm die Produkte, die nur in kleiner Stückzahl hergestellt werden und für die sich in den Unternehmen der Aufwand der erneuten Zertifizierung nicht lohne. Liese verweist auf eine Praxis in den USA, die sogenannte Orphan Device Regulation. Die legt fest, dass Hersteller zusätzliche Anreize erhalten, wenn sie Medizingeräte auch in kleiner Stückzahl herstellen.