Maybrit Illner (ZDF) thematisierte das neue Rettungspaket der Bundesregierung. Foto: imago/Metodi Popow/M. Popow

Um den Doppel-Wumms der Ampel ging es im ZDF-Talk von Maybrit Illner. CDU-Chef Merz befürchtet einen Doppel-Murks, Minister Lindner verrät wenige Details der Regelung.

Immer mal wieder kleine Spitzen gegen Wirtschaftsminister Robert Habeck(Grüne) zu setzen, das kann sich Finanzminister Christian Lindner (FDP) nicht verkneifen – selbst nach einem so „historischen Moment“ – wie die Journalistin Eva Quadbeck in der ZDF-Talkrunde von Maybrit Illner am Donnerstagabend den Tag der Verkündung des neuen Rettungspakets nannte. Zweimal äußerte sich Lindner in den 60 Minuten bei Illner leicht süffisant über Habeck, aber dazu später.

Der „Murks“ mit der Gasumlage

Das erste Wort hatte der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz in der Runde, und das fiel erwartungsgemäß kritisch aus. Nur über die Pressekonferenz sei er über das Vorhaben der Bundesregierung informiert worden, und es sei ja nun offensichtlich, dass die Gasumlage „Murks“ gewesen sei, und er hoffe nur, dass der von Kanzler Olaf Scholz (SPD) verkündete „Doppel-Wumms“ nicht zum „Doppel-Murks“ werde. Prinzipiell kritisierte Merz, dass die Maßnahmen zur Drosselung von Gas- und Strompreisen noch gar nicht ausformuliert seien: „Da wird ein Preisschild ins Fenster gestellt, aber wir kennen das Produkt noch gar nicht.“ Es werde nun ein Gesetzgebungsmarathon folgen müssen, und er hoffe nur, dass dieses Vorhaben der Ampel besser laufe als vorherige.

Schlechte Erfahrung mit dem Tankrabatt

Im übrigen, so der CDU-Chef, sei viel Zeit verloren gegangen, weil sich die Ampel-Koalition wochenlang gestritten habe und die Gasumlage hätte sofort mit der Verstaatlichung von Uniper abgeschafft werden müssen. „Dieser Wurf der Ampel muss jetzt sitzen“, forderte Merz. Was jetzt komme, sei eine OP am offenen Herzen. Fallstricke aber sieht er schon, etwa, dass den internationalen Gasmärkten nun mit dem Rettungspaket signalisiert werde: „In Deutschland könnt ihr jetzt 200 Milliarden Euro verdienen.“ Man müsse aufpassen, dass nicht ähnlich wie bei der Tankpreisbremse die Zwischenhändler profitierten und am Verbraucher nichts hängen bleibe.

Vage Aussagen über die Details

Wie die Sache konkret aussehen wird, dass sollten die Ampel-Politiker Omnid Nouripour (Grüne) und Christian Lindner (FDP) klären – taten das aber nur ansatzweise. Maybrit Illner wollte wissen, wie hoch denn die Entlastung für die Bürger sei, wenn sich doch der Gaspreis ums Sechs- bis Siebenfache und der Strompreis ums Neun- bis Zehnfache verteuere. Die Antworten blieben vage. „Wir werden den Leuten beim Grundbedarf beistehen, also, dass der gedeckelt wird und eine Bremse hat“, erklärte Nouripour.

Tücken der Gaspreisbremse

Lindner sagte, dass man für die Strompreisbremse die sogenannten Zufallsgewinne der Energieerzeuger – selbst Wind- oder Solarstrom verkauft sich ja derzeit teuer – abschöpfen, im Stromsystem belassen und somit die Verbraucher entlasten wolle. Das müsse auf EU-Ebene geregelt werden, aber wenn das nicht klappe, mache man das national. Möglich sei auch, aus den 200 Milliarden Euro „zusätzlich etwas in den Strommarkt zu geben“. Ähnlich wie Merz sieht Lindner übrigens Tücken bei der Gaspreisbremse. In Spanien sei der Gaspreis so herunter subventioniert worden, dass Gaskraftwerke mit dem knappen Gut wieder Strom produzieren.

Habeck muss liefern

„Wann werden denn die Leute etwas von den 200 Milliarden Euro an ihren Rechnungen merken?“ wollte Maybrit Illner von Lindner wissen. Der setzte da die erste Spitze gegen Habeck mit der Bemerkung, dafür sei der Bundeswirtschaftsminister zuständig , der habe ja eine Expertenkommission eingesetzt, die „sehr zeitnah im Oktober“ Vorschläge machen werde: „Ich möchte Habeck jetzt aber öffentlich keine Fristen setzen.“ Da würde er nur wieder kritische Leitartikel auf sich ziehen. Spitze Nummer zwei gegen Habeck hatte Lindner mit leicht süffisantem Lächeln gesetzt, als er auf Reisen seiner Ampel-Kollegen hinwies, die sich um internationale Bezugsquellen von Flüssiggas bemühten und dabei „langfristige Verträge“ abschlössen, denn nur so seien günstige Preise zu erzielen. Auch ein kleiner Giftpfeil gegen einen Klimaschützer.

Lindner will fünf AKWs laufen lassen

Denn sowohl Habeck als auch Scholz waren auf der Arabischen Halbinsel gewesen, um fossilen Brennstoff „einzukaufen“. In der Sache hält das Lindner für richtig: Man müsse alles in der Macht stehende tun, um die Kapazitäten zur Energieerzeugung jetzt zu erhöhen, die Kohlekraftwerke weiter laufen lassen und alle drei noch aktiven Atomkraftwerke am Netz lassen sowie zwei bereits still gelegte Atommeiler reaktivieren, meint der FDP-Chef. Denn selbst der jetzt verkündete Abwehrschirm gegen die „ruinösen Gaspreise“ werde es nicht schaffen, zu Gaspreisen wie vor der Krise zu führen.

Angst vor den Finanzmärkten

Dass die Bereitstellung der 200 Milliarden Euro über einen Fonds einen Schattenhaushalt darstelle, dementierte Lindner vehement. Man sei jetzt in einem „Energiekrieg“, es gehe um „die langfristige Substanz unseres Landes“. An der Schuldenbremse will Lindner in jedem Fall festhalten, und er führte auch internationale Erfahrungen als Argument an: Etwa den Absturz des britischen Pfund nach der Verkündung eines 150-Milliarden-Pfund-Rettungsschirms in London. Man müsse genau überlegen, was man tue und die Lage nicht verschlechtern. Das Motto „viel hilft viel“ bringe einen nicht weiter. Es gehe auch um das Vertrauen der internationalen Finanzmärkte in ein Land – mit der deutschen Schuldenbremse sieht er das gesichert.

Putin eskaliert erneut

Einen kleinen Exkurs gab es in der Talkrunde noch zu den Scheinreferenden Russlands in der Ostukraine – mit weitgehendem Konsens. Mit den Referenden und der Annexion habe sich Kremlchef Wladimir Putin innenpolitischen Spielraum verschafft, sagte die Ex-Russlandskorrespondentin des „Stern“, Katja Gloger. Er habe nun auch eine rote Linie zum Westen gezogen, indem er nun selbst entscheiden könne, welche Reaktionen er auf einen Angriff auf diese annektierten Gebiete wähle: „Das ist ein neues Eskalationspotenzial.“ Friedrich Merz sagte, der Westen müsse die Ukraine in die Lage versetzen, „dieser völkerrechtlichen Annexion entgegen zu treten“.

Pipeline-Sabotage: Nouripour zeigt auf Moskau

Omnid Nouripour, außenpolitischer Experte bei den Grünen, stellte angesichts atomarer Drohungen des Kreml fest: „Putins System basiert auf Angst. Wenn wir uns davon lähmen lassen, hat er gewonnen.“ Nouripour äußerte ziemlich unverblümt den Verdacht, dass Moskau hinter den Anschlägen auf die Nordstream-Pipeline stehe. Ein solcher Anschlag könne nur staatlich gesteuert sein, „in der Ostsee kommt da nur Russland in Frage“. Vorsichtiger äußerte sich Lindner. Man sehe, dass Putin „skrupellos“ sei, dass zeige sich an seiner hybriden Kriegsform, den Cyberattacken und gezielter Desinformation. Zur Urheberschaft der Pipeline-Anschläge aber wolle er sich nicht äußern, solange keine Belege vorlägen.