Schlagersänger Matthias Reim in Stuttgart: Blick in Richtung Zukunft gewandt Foto: Leif Piechowski

Er ist das Stehaufmännchen unter den Schlagersängern: Nach Karriereknick und Privatinsolvenz hat Matthias Reim, 55, im Januar sein neues Album „Unendlich“ vorgelegt – und geht damit nun auf Tour. Ein Gespräch über Hits, Schubladen und schwäbische Fans.

Stuttgart - Er ist das Stehaufmännchen unter den Schlagersängern: Nach Karriereknick und Privatinsolvenz hat Matthias Reim, 55, im Januar sein neues Album „Unendlich“ vorgelegt – und geht damit nun auf Tour. Ein Gespräch über Hits, Schubladen und schwäbische Fans.


Herr Reim, verraten Sie uns doch mal, wie man einen echten Hit schreibt.
Wenn ich das wüsste, hätte ich jede Woche einen! (Lacht) Ich denke, gerade bei deutschen Hits ist es eine magische Verbindung von Text und Musik – ich treffe die Leute auf der emotionalen, nicht auf der intellektuellen Ebene. Warum manche Songs funktionieren, das habe ich noch nicht rausgekriegt.

Mit „Verdammt, ich lieb’ dich“ haben Sie seit 1990 Millionen von Platten verkauft . . .
Damals hatte ich einen Freund, der beim Radio war. Dem habe ich den Song zugeschickt, bevor ich das überhaupt als Platte veröffentlicht hatte. Er schrieb mir zurück, das könne ich völlig vergessen: absolut aus dem Trend, ein Gitarrensolo, das kein Sender spielen würde. Das war seine Meinung.

Und dann?
Ich hätte es nicht für möglich gehalten, hat er später gesagt. Weil’s von der Stilistik so anders war. Wenn du anfängst zu kopieren, weißt du, dass du keinen Hit haben wirst.

Hat Sie der Song manchmal verfolgt?
Zeitweise schon. Die Leute haben versucht, mich als One-Hit-Wonder abzustempeln. Trotzdem liebe ich den Song. Ihn nicht mehr zu spielen wäre eine Ohrfeige dem Publikum gegenüber. Aber nichts würde mir mehr meine Karriere ruinieren, als wenn ich jetzt einen Song schreiben würde, der wieder so ein Überflieger werden würde. Ich will keinen Ausreißer, ich möchte jetzt Stabilität.

Ende der 90er haben Sie erlebt, wie sich ein Karriereknick anfühlt.
Ganz schlimm. Wenn du „Bravo“-Star bist, weißt du: Nach anderthalb Jahren bist du’s nicht mehr. Als ich merkte, wie die Verkäufe runtergingen, dachte ich, dann gehst du halt wieder ins Studio, arbeitest für andere. Außerdem glaubte ich ja, ich sei noch wohlhabend. Dass ich nichts mehr hatte, habe ich erst 2000 erfahren. Ich wollte meinen großen Namen ein wenig zu Geld machen, zu einer neuen Plattenfirma gehen und schauen, dass ich einen dicken Vorschuss bekomme.

Und, hat’s geklappt?
Ich hab die Plattenfirma zu einem Open-Air-Konzert in Dresden eingeladen. Platz für 20 000 Leute – es kamen 13. Schlimmer konnte es nicht kommen. Gespielt habe ich trotzdem. Das war der Tiefpunkt meiner Karriere. Kurz danach erfuhr ich, dass ich pleite bin. Ich wusste: Du fängst jetzt von vorne an – und zwar bei minus 14 Millionen.

Wie geht man damit um?
Du wirst bestimmt sechs, sieben Jahre für den Insolvenzverwalter singen, sagte mir mein neuer Manager. Aber danach wirst du noch mal durch die Decke gehen. Nimm das als Lehrzeit. Da hab’ ich gesagt: Bingo, machen wir! Und gespielt habe ich ja immer gern. Geld war mir nie so wichtig. Ich hatte eigentlich zum Glücklichsein alles – außer das Gefühl, wohlhabend zu sein.

„Verdammt, ich hab’ nix“, haben Sie damals in einem Werbesong gesungen.
Ja, man kann’s auch mit Humor sehen! Das war ein Befreiungsschlag für mich. Ich wollte einfach ein Zeichen setzen: Leute, ich mache Musik, solange ich will und solange ich kann. Glaubt mal ja nicht, dass sich jemand mit Geldproblemen in Depressionen stürzen und sich umbringen muss. Ich kriegte eine Glaubwürdigkeit bei den Leuten – plötzlich waren die Konzerte wieder voll. Dieses Megadesaster in meinem Leben war der Grundstein für ein gigantisches Comeback. Der Titel meines neuen Albums „Unendlich“ ist ein Bild dafür, dass das, was ich jetzt habe, nicht wieder in der Katastrophe endet.

Macht es Ihnen eigentlich was aus, wenn man Sie in die Schlager-Schublade steckt?
Es gab Zeiten, wo mich das gestört hat. Aber das, was wir auf der Bühne machen, ist eine gigantische Rock-Show. Die Melodien sind eingängig, die Texte sind den Leuten ins Herz geschrieben. Deswegen wird das schlagermäßig kategorisiert. Die Grenzen zwischen Rock und Schlager sind so fließend.

Am 30. April spielen Sie in der Liederhalle.
Wenn die Schwaben feiern wollen, können sie das! Ich hätte auch nichts dagegen, in der Mercedes-Benz-Arena mal ein Open Air vor 50 000 Leuten zu spielen. Aber wenn wir jetzt die kleinen, feinen Hallen rappelvoll kriegen, dann ist das alles, was ich will.

Was erwartet die Besucher beim Konzert?
Ein gigantisches Miteinander! Es ist ein erstaunliches Phänomen. Natürlich wird es Songs aus dem neuen Album geben, ansonsten baller’ ich einen Hit nach dem anderen – auch „Verdammt, ich lieb’ dich“. Könnt ihr’s noch hören?, frage ich dann immer, und die Antwort ist eigentlich klar. Dann singe ich die erste Zeile, den Rest machen die alleine. Eigentlich könnte ich dann gehen.