Matthias Brandt als Kommissar Hanns von Meuffels im Polizeiruf 110 Foto: dapd

Matthias Brandt, Sohn von Willy Brandt, gibt seinen Einstand als "Polizeiruf 110"-Kommissar.

Stuttgart - Matthias Brandt (49) zählt zu den meistbeschäftigten Charakterdarstellern im deutschen Fernsehen. An diesem Sonntag gibt der jüngste Sohn des ehemaligen Bundeskanzlers Willy Brandt (1913-1992) seinen Einstand als Münchner "Polizeiruf 110"-Kommissar. Bereits Folge zwei sorgt für Aufregung.

Herr Brandt, können Sie ein Gedicht aufsagen?
Aus dem Stegreif? Ich glaube nicht (lacht).

Dann hat Ihnen Kommissar Hanns von Meuffels, den Sie im neuen ARD-Krimi "Polizeiruf 110" spielen, etwas voraus. Er rezitiert in einer Szene aus Baudelaires "Blumen des Bösen" - ganz schön gebildet.
Ja, bewundernswert. Das ist ja das Tolle an meinem Beruf, dass ich so was machen kann, auch wenn es meiner Lebensrealität nicht entspricht. Ich musste während meiner langen Theaterzeit so viele anspruchsvolle Texte einstudieren, dass mir fürs Auswendiglernen von Gedichten wohl die Aufmerksamkeit gefehlt hat.

Das Nordlicht von Meuffels ist neu in München und im Polizeipräsidium ein Fremdkörper. Kennen Sie solche Situationen?
Ich glaube, so etwas kennt jeder. Genau das hat mich auch an der Figur gereizt, dass sie eben fremd ist. Für die Konstellation bietet übrigens München ideale Voraussetzungen - nicht weil es abweisend wäre, sondern weil es vielleicht die Gegend mit dem stärksten regionalen Selbstbewusstsein ist. Die Bayern heißen einen willkommen, machen einem aber auch klar, wo die Grenzen sind.

Wann haben Sie sich zum letzen Mal irgendwo fremd gefühlt?
Schwer zu sagen. Aber ich erinnere mich an meine Theaterzeit. Wenn man in ein neues Ensemble kommt, fremdelt man am Anfang. Das ist völlig normal - und auch nicht anders, als wenn ein Kind in einen neuen Kindergarten oder in eine neue Schulklasse kommt. Fremdheitserfahrungen sind mir nicht fremd, wenn Sie so wollen. Vor allem, wenn man wie ich nicht über ein ausgeprägtes Heimatempfinden verfügt.

Warum fehlt Ihnen dieses Gefühl?
Das ist sicher biografisch zu begründen. Wir sind in meiner Kindheit und Jugend relativ oft umgezogen. Und diese gewisse Rastlosigkeit wurde dann noch mal bestärkt durch den wandernden Beruf, den ich gewählt habe. Ich habe früher alle paar Jahre das Theater gewechselt, das fördert nicht gerade die Wurzelbildung. Seit 1998 lebe ich in Berlin - es ist der Ort, den ich mir freiwillig ausgesucht habe und an dem ich freiwillig bleibe. Mehr Heimatgefühl geht bei mir nicht.

Ihr Vater, der spätere Bundeskanzler Willy Brandt, war Regierender Bürgermeister von Berlin. Was würde er als Sozialdemokrat dazu sagen, dass Sie nun einen adligen Kommissar spielen?
Keine Ahnung. Da müssten wir jetzt wohl eine spiritistische Sitzung abhalten, um das rauszukriegen. Ich denke, man darf diese Adelsgeschichte nicht überbewerten, das ist nur eine Farbe der Figur. Die Idee ist, dass sich dieser Mann zwar losgesagt hat von seiner adligen Sippe, aber noch immer ein Paket voll Familientradition mit sich rumschleppt. Durchaus auch im positiven Sinn: Hanns von Meuffels hat eine starke Verbindung zu preußischen Tugenden wie Geradlinigkeit, Mut und Zurückhaltung.

Hat Familie Brandt Krimis geguckt?
Nein, zumindest kann ich mich an so etwas nicht erinnern. Ich war schon so früh auf die "Sportschau" versessen, dass mich nur wenig anderes interessiert hat. Mein Vater hat aber gern Western geschaut, und ich habe dieses Genre später dann auch für mich entdeckt.

Welche Western mögen Sie? Klassisch-amerikanische mit John Wayne oder lieber Italowestern mit Clint Eastwood?
Ich kann beiden viel abgewinnen. Mein absoluter Lieblingswestern ist aber "Rio Bravo" mit John Wayne und Dean Martin. Clint Eastwood bewundere ich sehr. Dass er mal zu einem der bedeutendsten Filmemacher unserer Zeit werden würde, konnte man zu Zeiten des Spaghettiwesterns noch gar nicht vermuten.

Das Fernsehen hat Sie relativ spät entdeckt, mittlerweile gehören Sie aber zu den Stars der Branche. Wie fühlt sich das an?
Manchmal gibt es Momente, in denen man wie jeder andere auch lieber seine Ruhe hätte. Ich habe auf der anderen Seite aber einen ziemlich pragmatischen Umgang mit meiner Popularität. Wenn man regelmäßig im Hauptabendprogramm auftritt, kann man nicht verlangen, dass einen keiner erkennt. Die meisten Menschen haben aber ein Gespür und Verständnis dafür, dass es Situationen gibt, wo man einfach für sich sein will.

In ihrem zweiten "Polizeiruf" geht es um ein Selbstmordattentat. Der Film soll nun aus Jugendschutzgründen nicht wie üblich um 20.15 Uhr, sondern erst ab 22 Uhr gezeigt werden. Wie sehen Sie das?
Die Begründung ist für mich nicht nachvollziehbar. Ich finde die Entscheidung falsch. Die Jugendschutzbeauftragte des Bayerischen Rundfunks bezieht sich ja hauptsächlich auf Gewaltdarstellungen, die angeblich den Rahmen dessen sprengen, was zu dieser Sendezeit möglich ist. Dem kann ich beim besten Willen nicht folgen. Man muss sich doch nur mal anschauen, was sonst so um diese Zeit im Fernsehen läuft.

Der erste Film, "Cassandras Warnung" von Regisseur Dominik Graf, ist ebenfalls kein 08/15-Krimi. Welche Reaktion der Zuschauer erwarten Sie?
Dass es bei den Reihen am Sonntagabend so viele verschiedene Ansätze gibt, finde ich gut und richtig. Ansonsten tue ich mich immer ein bisschen schwer damit, mir zu überlegen, was der Zuschauer meint. Ich kenne den doch gar nicht persönlich.

ARD, Sonntag, 20.15 Uhr