Leidet darunter, dass heutige Politiker nicht so markant sind wie diejenigen, die er seit Jahren parodiert: Mathias Richling Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Meistens treten Kabarettisten heute nur an ein oder zwei Abenden auf, ehe sie in die nächste Stadt aufbrechen. Mit Mathias Richling ist das anders: Er gastiert im Renitenztheater mit seinem Programm „Richling spielt Richling 2016“ eine ganze Woche lang.

Stuttgart - Einst soll es Menschen gegeben haben, die dachten, das Renitenztheater gehöre Mathias Richling. Wochenlang trat der Kabarettist dort täglich auf, parodierte Johannes Rau, Helmut Kohl und alle anderen Politgrößen. Heute verweilen die Künstler hier meist nur ein oder zwei Tage, Richling (63) aber bleibt eine Woche mit seinem Programm „Richling spielt Richling 2016“.

Schwarze, rote und gelbe (wohl in Ermangelung goldener) Stühle stehen am Freitagabend auf der Bühne. Mancher scheint belegt. Ein Sakko oder ein Blazer oder ein Schal hängt über der Lehne. Sitzgelegenheiten lässt Richling zunächst aus. Erstmal kommentiert er jüngste Geschehnisse: „Am Tag des deutschen Mauerfalls wird in Amerika ein neuer Mauerbauer gewählt.“ Mit US-amerikanischem Akzent erklärt er die Denke der Waffenbefürworter, die den Schuss nicht gehört haben. Leute wie Donald Trump eben: „Wenn wir uns wehren wollen gegen Terroristen, müssen wir selbst Terrorist sein!“ Die Kölner Frauen in der Silvesternacht, sämtliche Opfer bei Amokläufen – sie alle hätten sich mit einem Revolver im Anschlag doch viel besser verteidigen können. Das Traurige: Was der Mann sagt, weicht keineswegs von den tatsächlichen Argumenten der Knarrenproduzenten ab. Dass die allerdings nicht aus Altruismus, sondern Profitgier verkaufen – geschenkt.

Richling, in schwarzem Hemd und blauer Krawatte, feuert seine Sprüche wie immer temporeich ab. Quirlig verrückt er Stühle oder gestikuliert wild. „Red‘ ich zu schnell?“, will er anfangs noch wissen. „Ich frag‘ nur, weil ich die letzten Sätze selber nicht verstanden habe.“ Und dann geht’s los: „War die Zukunft früher schlechter?“, will der Parodist wissen und versucht damit nicht nur den Programmuntertitel „Prognosen auf Rückblicke“ zu rechtfertigen, sondern auch die folgenden Nachahmungen. Denn die Seelen der Politikerinnen und Politiker, die von Richling nach und nach Besitz ergreifen, sind mitunter – euphemistisch formuliert – nicht mehr allzu sehr gefragt. Er ruft die Geister der Verstaubten.

Die Psychoanalyse führt mal wieder zu nichts

Sitzend gibt er dann beispielsweise Helmut Kohl, folgt als Horst Köhler kopfschüttelnd wie –nickend dem imaginären Teleprompter und verkündet als Norbert Blüm: „Die Rente ist sicher.“ Derlei funktioniert immerhin noch teilweise, was Richlings größter Stärke geschuldet ist: Dem Verfassen absurder Dialoge aneinander vorbeiquasselnder Gesprächspartner.

Auch den längst als Klassiker eingestuften Besuch Angela Merkels auf Sigmund Freuds Sofa trägt er vor. Doch die Psychoanalyse führt mal wieder zu nichts. Mit den Worten Richlings: „Mehr kommt auf der Couch bei Anne Will auch nicht raus!“

Befremdlich wirkt jedoch das stete Ankündigen der in der Folge imitierten Person. Unnötig etwa bei SPD-Vertreter Karl Lauterbach, den Richling mit roter Fliege bestens zu verkörpern und damit zu amüsieren weiß: „Ich kenne mich aus mit Gesundheit – ich war selber mal gesund.“ Ebenso unterhält das aphasische Gebrabbel Edmund Stoibers. Wobei das Original ja schon zum Schießen ist. Derzeitige Medienpräsenz populärer Schwaben wie Kretschmann und Oettinger kommt Richlings Show selbstredend auch zugute. Und wenn der gebürtige Waiblinger zum namenlosen schwäbischen Bruddler avanciert, den ja jeder aus der Nachbarschaft kennt, dann lacht in Stuttgart der ganze Saal.

Dennoch: Es behindert Richlings Kunst, dass die neue Politikergeneration austauschbarer, charakterlich weniger markant ist – ähnlich wie im Fußball, wo ja auch alle die selben Satzbausteine ins Mikrofon sabbeln. Die ehemaligen Typen hat er zwar nach wie vor drauf, aber deren Zeit ist nun mal passé. Zudem hat sich auch das Kabarett verändert, zum bloßen Veräppeln gesellen sich nach und nach das Informieren, Analysieren und Abwägen. Klar: Richling sorgt noch immer für Lacher. Innovatives liefert er in diesem Programm aber nicht.

Termine: 15.11 bis 17.11, 20 Uhr, Renitenztheater