Eine norwegische Pressung der Black-Sabbath-LP "Master of Reality" aus dem Jahr 1971 Foto: Sammlung Gezener

In seiner Print-Ausgabe vom 21. Juli 2021 veröffentlichte der Schwarzwälder Bote zum 50. Jahrestag des Albums "Master of Reality" von Black Sabbath den Artikel "Von allen guten Geistern verlassen". Diesen Artikel reicht der Schwarzwälder Bote nun zum 51. Jahrestag der Kultplatte in digitaler Form nach.

Oberndorf - Birmingham im Zweiten Weltkrieg. Die mittelenglische Industriestadt steht unter schwerem Beschuss. Knapp 2000 Tonnen Bomben werfen die Nazis Anfang der 1940er-Jahre auf Birmingham ab. Über 2000 Menschen kommen dabei ums Leben, Tausende werden schwer verletzt. Mehr als 300 Fabriken werden entweder komplett zerstört oder so schwer beschädigt, dass sie abgerissen werden müssen. Eine Arbeiterstadt im Trauma. Der Wiederaufbau Birminghams dauert bis in die späten 1960er-Jahre.

Der Urknall des Heavy Metal

Zu dieser Zeit finden in Birmingham vier junge Musiker zusammen: Tony Iommi, Bill Ward, Geezer Butler und Ozzy Osbourne. Sie treten in den Kneipen und Lokalen Birminghams auf und spielen zunächst neben Bluesnummern auch klassischen Rock ’n’ Roll.

Doch sie merken schnell, dass die lebhafte Musik aus den Staaten im trostlosen Birmingham nicht so wirklich ankommt. Auch passt der Lebensstil des "Sex, Drugs & Rock ’n’ Roll" nicht zum kargen Birmingham. Doch dann die zündende Idee: Die vier Musiker behalten die Drogen und den Rock ’n’ Roll bei, ersetzen den Sex durch den Tod, und benennen die Band von Earth auf Black Sabbath um – der Urknall des Heavy Metal.

Inspirationsquelle seit Jahrzehnten

Ihr Debütalbum "Black Sabbath" erscheint im Februar 1970 und gilt heute gemeinhin als das erste Heavy-Metal-Album. Das zweite Album der Band, "Paranoid", wird im September 1970 veröffentlicht und ist das bis heute populärste Metal-Album. Wenn es nach der Musikzeitschrift Rolling Stone geht, ist "Paranoid" auch das beste Metal-Album aller Zeiten.

Am 21. Juli 1971 bringen die vier Düsterrocker mit "Master of Reality" das genreintern einflussreichste Album heraus. Von keiner Platte haben sich Metal-Musiker der Nachfolge-Generationen jemals so sehr inspirieren lassen wie vom dritten Sabbath-Album, das sich schon 1971 millionenfach verkauft.

Sweet Leaf

Wie einflussreich die Platte ist, zeigt sich schon gleich zu Beginn des Album-Openers "Sweet Leaf": Ein Mann hustet, und hustet, und hustet. Fünf Sekunden lang. Es ist der Gitarrist der Band, Tony Iommi, der gerade an einer "Kräuterzigarette" seines Bandkollegen Ozzy Osbourne gezogen hat, was ihm einen kräftigen Hustenanfall beschert.

Noch heute, fünf Jahrzehnte später, wird dieser Hustenanfall immer wieder nachgeahmt. So endet etwa das vor Kurzem erschienene Album "Nembutal" von Opium Warlords in Anlehnung an Black Sabbaths "Sweet Leaf" mit einem Hustenanfall. Man könnte an dieser Stelle noch Dutzende solcher Beispiele nennen. Und das sind gerade einmal die ersten fünf Sekunden von "Master of Reality".

Dann bekundet Ozzy Osbourne in "Sweet Leaf" seine Liebe zum Gras und nimmt es mit Zeilen wie "aalglatte Menschen haben doch keinen blassen Schimmer davon, worum es dir geht" in Schutz vor Gegnern. Ein Song, der angesichts der Legalisierungsdebatten um Cannabis heute aktueller zu sein scheint denn je. Vor 50 Jahren verhilft "Sweet Leaf" dem Subgenre des Stoner Metal und damit Bands wie Kyuss oder Electric Wizard zur Geburt.

After Forever

Nächster Song, nächstes Subgenre: "After Forever" ist der erste offen christliche Metal-Song. Das Subgenre des christlichen Metalls erlebt in 1980er- und 1990er-Jahren mit Bands wie Stryper und Saviour Machine seine Blütezeit.

Embryo & Orchid

"Master of Reality" ist auch das erste Metal-Album, das mit dem knapp 30-sekündigen "Embryo" und dem anderthalb-minütigen "Orchid" erstmals instrumentale Interludien enthält, die für einen ruhigen Ausgleich zwischen zwei härteren Nummern sorgen. Solche ruhigen Interludien finden sich später in diversen Metal-Alben wieder, etwa auf der Exodus-LP "Pleasures of the Flesh" (1987), auf dem Dissection-Album "The Somberlain" (1993) oder auf dem Album "Colony" (1999) von In Flames.

Children of the Grave

"Children of the Grave" gilt als Vorläufer des Speed Metal und ist der erste Sabbath-Song mit einem "Pferdegalopp-Rhythmus", der sich im Laufe der Zeit zu einem beliebten rhythmischen Stilmittel im Metal entwickelt. Von Judas Priest über Iron Maiden und Metallica bis hin zu Megadeth und Slayer greifen alle großen Metal-Bands mal auf den "Pferdegalopp" zurück. Aber auch die im südbadischen Weil am Rhein (Landkreis Lörrach) gegründete und weit über die deutschen Grenzen hinaus bekannte Thrash-Metal-Band Destruction hat in den letzten vier Jahrzehnten immer wieder "die Pferde auf Trab gehalten".

Lord of This World

Bereits auf ihrem Debütalbum hatten Black Sabbath mit okkulten Themen gespielt. Das tun sie auch auf ihrem dritten Album, insbesondere im Song "Lord of This World", wobei Ozzy Osbourne in die Rolle des Teufels schlüpft und großen Gefallen daran findet, dass sich die Menschen für das Böse entscheiden. Später greifen auch Bands wie Venom oder Slayer okkulte Themen in ihrer Musik auf.

Solitude

Dass eine Metal-Band auch mal einen Song ohne verzerrte Gitarren und Drums spielen kann, zeigt die sanft-sehnsüchtige Ballade "Solitude". Später bauen Metal-Bands immer wieder akustische Balladen in ihre Alben ein. Eines der bekanntesten Beispiele ist die Ballade "The Bard’s Song – In the Forest" der Krefelder Power Metal-Band Blind Guardian aus ihrem Album "Somewhere Far Beyond" (1992).

Into the Void

Gitarrist Tony Iommi und Bassist Geezer Butler stimmten in "Master of Reality" erstmals ihre Gitarren um drei Halbtöne herunter, so zum Beispiel im Doom Metal-Track "Into the Void". Ein Kniff mit Langzeitwirkung: Denn während das Herunterstimmen der Saiten für die damalige Zeit noch ungewöhnlich war, wurde es spätestens in den 1990er-Jahren zum Usus im Metal.

Und es waren gerade die düsteren und von Weltuntergangsstimmung geprägten Songs wie "Into the Void", die Black Sabbath und ihrer Heimatstadt Birmingham dabei halfen, den Krieg und das Grauen zu verarbeiten – oder, wie es der Calwer Dichter Hermann Hesse in seinem 1905 verfassten Gedicht "Im Nebel" formulierte: "Wahrlich, keiner ist weise, der nicht das Dunkel kennt."

Stimmen aus baden-württembergischen Plattenläden:

"Eine der Platten aus der Glanzzeit der Band. Ozzy at his best."

– Steffen Schmid, Studio Eins Konstanz

"Das ›verflixte‹ dritte Album von Black Sabbath. Noch heute die Inspirationsquelle schlechthin für alle Stoner-Rock-Bands."

– Heinz Bross, Rimpo Tonträger, Tübingen

"Alles was heute als ›Stoner‹ bezeichnet wird, hat hier seinen Anfang genommen. Bands wie Queens of the Stone Age oder Kyuss hätte es sonst so wohl nicht gegeben."

– Gunnar Frey, Soundservice, Villingen-Schwenningen

"Black Sabbath gehören zum Soundtrack meines Lebens. ›Children of the Grave‹ ist mein Favorit auf ›Master of Reality‹. Die Originalbesetzung in Bestform."

– Moritz Schroeder, Mo’s Plattenladen, Karlsruhe