Auch modellbauerisches Heimatgefühl hatten Hermann und Edwin Faller im Gepäck, als es vor einem halben Jahrhundert zur Nürnberger Spielwarenmesse ging. Die Schwarzwaldmühle – hier ein frühes Werbefoto für den damaligen Verkaufskarton – sollte in den siebziger Jahren auf tausenden Modellbahnen einen festen Platz bekommen. Foto: Biene

Genau vor 50 Jahren purzelte Olympia-Waldi aus Faller-Formen. Die Schwarzwaldmühle gehörte 1972 ebenfalls zu den Neuheiten.

Gütenbach - Vor 50 Jahren ging ein Ruck durch Gütenbach – das Olympia-Fieber war allgegenwärtig: Im 350 Kilometer entfernten München warteten die Olympischen Spiele 1972 auf ihre Eröffnung. Bei den Gebrüder Faller hatte man sich frühzeitig um Lizenzen bemüht und konnte das sympathische Maskottchen alsbald aus eigenen Formen purzeln lassen. Der legendäre Waldi konnte aus einem guten Dutzend von Teilen zusammengesteckt werden – auch für Kinderhände mühelos machbar. Wer mochte, konnte die gestreckte Dackelfigur aus Gütenbacher Fertigung bei Bedarf mit zwei Rollachsen mobilmachen. Wer den bunten Kunststoff-Dackel lieber ins Regal stellen wollte, für den gab es zwei transparente Kunststoffsockel.

Flower-Power-Jahre mit schrillen Farben

"Bei Faller war man zu Beginn der siebziger Jahre sehr umtriebig und versuchte immer wieder, dem breiten Sortiment neue Impulse zu geben", sagt Buchautor Ulrich Biene, der zwei Werke über die Geschichte des Unternehmens geschrieben hat. "Es waren die Flower-Power-Jahre mit schrillen Farben und dem Neuentdecken von Spielzeug." Edwin und Hermann Faller hatten damals sehr viel Gespür für formale Ästhetik – und Trends an der Ladentheke.

Den Olympia-Waldi hatten die Gütenbacher attraktiv in einem selbst gefertigten Kunststoff-Tiefziehteil mit transparenter Haube an den Fachhandel ausgeliefert, sodass man rechtzeitig vor Beginn der Olympischen Spiele in München im bundesrepublikanischen Handel war. Faller war eines der wenigen Unternehmen, das damals die offizielle Olympia-Lizenz erhalten hatte. Die Begeisterung war auch im Ort allenthalben spürbar. Einige Gütenbacher kauften damals ihr erstes Farbfernsehgerät.

Sportfaszination zieht Menschen in ihren Bann

Olympia war eben vor einem halben Jahrhundert ein Thema, das mit all seiner Sportfaszination die Menschen in seinen Bann zog. Für Faller kam der Anlass gerade recht, um auch das Steckspiel Famos zu aktualisieren. "Zwei Blister-Packungen – eine für den Sommersport, eine andere für den Wintersport – schufen unzählige Möglichkeiten, damit spielende Kinder auf dem Küchentisch ihre stilisierten Sportfiguren und sogar den Münchener Olympiaturm zusammenstecken konnten", sagt Ulrich Biene.

Die Famos-Idee stammte noch aus den Gründungsjahren nach 1948, als Hermann und Edwin Faller gerade dabei waren, ihre Geschäftsidee vom attraktiven Spielzeug nach vorn zu bringen. Anfangs ähnelte Famos eher einem Legespiel mit kleinen, geometrischen Holztafeln. Späterhin wurde daraus ein Kunststoff-Steckspiel.

Inmitten des Spielwarenbooms

1972 war ein Jahr inmitten des Spielwarenbooms und allgegenwärtiger Ladengeschäfte – der Spielzeugmarkt erlebte ebenso wie Faller selbst angesichts der damaligen Babyboomer-Generation ein enormes Wachstum. "Damals war Faller dabei, sich neue Produktlinien zu erschließen. Dazu passt auch der damalige Batterie-Zug Hit-Train, der vor allem dank bunter, fantasievoller Gestaltung den spielerischen Zugang zu Modelleisenbahn eröffnen sollte", erzählt Ulrich Biene. Auch hier hatte Faller versucht, Mädchen und Jungen gleichermaßen für neue Spielideen im Kinderzimmer zu begeistern.

Der Olympia-Waldi gilt heute als begehrte Rarität, weil er letztlich nur temporär im Handel verfügbar war. Rechtzeitig zur Nürnberger Spielwarenmesse 1972 hatten die Gebrüder Faller aber auch Heimatgefühl im Gepäck.

Schwarzwaldmühle gehört damals ebenfalls zu den Neuheiten

Die noch heute legendäre Schwarzwaldmühle, die sich in den siebziger Jahren auf den meisten Modellbahnanlagen wiederfinden sollte, gehörte vor genau 50 Jahren zu den Neuheiten. "Ein romantisches Modell, wie es der Wanderer heute noch in einem der Seitentäler des Hochschwarzwaldes finden kann", war seinerzeit in der Ankündigung zu lesen.

Das Mühlenrad wurde ganz in Faller-Manier durch einen "beigegebenen" 12-16 Volt-Motor betrieben. Überdies gab es zahlreiche verspielte Details, die im gelben Faller-Karton dem Modellbahner gleich mitgeliefert wurden. Über der Eingangstür hing eine feine Laterne, daneben die gastronomische Außenwerbung mit dem Hinweis auf Ganter-Bier. Und gleich rechts der Mühle warteten Holztische und Bänke, gerade so, als wenn Minuten später die nächsten Wanderer vorbeischauen sollten.