Drittes Gastspiel, treue Fans: "Familie Flöz" sorgte am Samstagabend in der Balinger Stadthalle für Tränen ebenso wie für herzhaftes Lachen. Foto: Thiercy

Das Maskentheater "Familie Flöz" erntet minutenlangen Applaus in der Stadthalle für "Infinita". Ergreifend dargestellt wird der Lauf des Lebens.

Balingen - Mit dem Rollator durchs Altenheim, respektive über die Bühne flitzen? Einen Handstand auf den Lehnen des Rollstuhls machen? Aus dem Laufstall ausbrechen und einen Stuhl erklimmen, der doppelt so groß ist wie man selbst? Geht! Das ist der Lauf des Lebens und den hat das Maskentheater "Familie Flöz" am Samstagabend ergreifend dargestellt.

150 Zuschauer: Viele kommen spontan

150 Zuschauer durften Stadthallenchef Matthias Klein und sein Team in der Stadthalle begrüßen. 40 von ihnen hatten, so Klein, die Karten an der Abendkasse quasi spontan gekauft. Ja, sagt er, die Besucher kämen zögerlich. Aber: "Die 150 Gäste des Abends sind ohne Pandemie hochgerechnet 400." Volles Haus also.

Und das völlig verdient für "Familie Flöz", die zum dritten Mal in der Eyachstadt gastierte. "Sonst war es noch lustiger", sagt Matthias Klein, der sich das Spektakel mit seiner Frau ansah. Aber, meint er, die Besinnlichkeit, die Gänsehaut-Momente, die würden in die Zeit und zum Advent passen.

Von der Wiege bis zur Bahre

Es ist ein Theater der ganz anderen Art, das die Truppe seit den frühen 1990er-Jahren auf die Bühnen bringt und das vielfach rund um den Globus ausgezeichnet wurde. Die Darsteller tragen starre Masken. Mimik also? Fehlanzeige. Gesprochener Text? Nein. Es verlangt den Schauspielern alles an Können ab, um mit reiner Körpersprache Geschichten zu erzählen.

Bei "Infinita" ist es die Geschichte von der Wiege bis zur Bahre. Mal zum Weinen, mal zum Lachen komisch. Immer aber mit Witz und Poesie erzählt. Pardon: dargestellt. Da ist zum Beispiel der Witwer. Ein passionierter Klavierspieler, der sich schon als Kind in seine Frau verliebte. Eine Bratschistin. Er landet im Altersheim, wo er gemeinsam mit den "Mitinsassen" revoltiert. Nach dem Klau der täglichen Pillenration rocken die alten Herren die Station. Statt Hardrock gibt es "Rock mit dem Stock".

Stück über die Menschlichkeit

Da ist aber auch der Säugling, der im überdimensional großen Laufstall seine ersten Schritte macht. Machen muss. Denn seine Puppe ist hinaus geflogen. Ja, der Mensch wächst über sich hinaus. Auch wenn er bei den anstrengenden Kletterversuchen heftig pupsen muss. Am Ende zählt nur das eine – die anderen helfen ihm. Sind für ihn da.

Ob nun im Krabbelalter oder viel, viel später mit dem Rollator: "Infinita" ist ein Stück über Menschlichkeit. Die Gesten scheinen manchmal überzeichnet, sorgen aber dennoch für Gänsehaut. Oder vielleicht gerade deswegen. "Familie Flöz" ist kreativ, einzigartig und ein Paradebeispiel dafür, was Theater kann. Die Truppe selbst zitiert zum Stück Karl Valentin: "Da hab ich ein Leben lang Angst vor dem Sterben gehabt, und jetzt das!" Ja, es ist ein Weg vom ersten Schrei bis zum letzten Atemzug. Einer, den jeder gehen muss.

Internationale Truppe

"Familie Flöz" ist eine internationale Truppe von Schauspielern, hervorgegangen aus dem Pantomime-Studium an der Hochschule Essen. Und weil die Akteure komplett ohne das gesprochene Wort auskommen, sind sie in 32 Ländern der Welt zu sehen und wurden vielfach mit Preisen überschüttet. Vom Balinger Publikum mit minutenlangem Applaus. Und am Ende des Abends ließen sie denn auch die Masken fallen, die vier Darsteller von Baby, Senior oder Krankenschwester: Björn Leese, Benjamin Reber, Hajo Schüler und Michael Vogel.