Zunftarchivar Clemens Fuchs zeigte und erklärte von den Brüdern Alois und Eugen Stehle gefertigte Masken. Foto: Straub

Alois Stehle hat die Ahlandmaske und das Pompele geschaffen. Darüber hinaus gibt es in der Stadt viele sichtbare Spuren des Künstlers, Bühnenbauers und Schnitzers.

Kürzlich standen er und sein Bruder Eugen Stehle beim Vortrag von Zunftarchivar Clemens Fuchs im Mittelpunkt. Mit 80 Leuten war der Saal im Zunfthaus auf Einladung des Fördervereins der Narrenzunft und der Rottenburger Fasnetskultur voll besetzt. Einige hatten ihre eigenen „Stehle“-Masken mitgebracht, aufgereiht lagen sie auf mehreren Tischen. Während die vielen von Alois Stehle, der von 1907 bis 1982 lebte, sich oft ähneln, sind die von Eugen Stehle (1911 bis 1999) zumeist Unikate. Einige Nachfahren der Stehles waren im Publikum und ergänzten den Vortrag des Zunftarchivars mit kleinen Anekdoten aus dem Familienalltag.

 

„Um die Geschichte zu verstehen, muss man zu Eugen Stehle senior zurückgehen“, sagte Fuchs. Der Vater von Alois und Eugen junior lebte von 1882 bis 1968 und war bereits Kunstmaler und Theaterbauer. Seinen Betrieb hatte er zunächst in der Ehinger Straße, später in der Hechinger Straße. Dort entstand zwischen dem Ersten und Zweiten Weltkrieg ein Wohnhaus samt Werkstatt. Eugen Stehle senior arbeitete zum Beispiel an den Säulen und Fresken in St. Moriz und fasste den Ölberg an der Außenseite neu. „Die Begabung als Handwerker hat er seinen Söhnen in die Wiege gelegt“, sagte Fuchs.

Narrenzunft wird 100

Der Zunftarchivar zeigt eine Entwurfszeichnung von 10. September 1925, unterschrieben von Alois Stehle senior. Sie zeigt deutlich die Ahlandmaske. Kurz danach wurde die Rottenburger Narrenzunft gegründet. Im kommenden Jahr feiert sie ihr 100-jähriges Bestehen. „Die Maße mit 21 Zentimetern in der Breite und 29 Zentimetern Höhe stimmen sehr gut mit den heutigen überein“, sagte Fuchs. Eugen Stehle senior malte auch Wandbilder, wie einige Fotos zeigten. 1905 gründete er mit 23 Jahren eine Firma für Bühnen- und Theaterbau, in die später die Söhne einstiegen.

Alois Stehle lernte zunächst Kunstmaler und Grafiker, später studierte er an der Kunstakademie Stuttgart. Für seine Abschlussprüfung im Jahr 1944 wurde er sogar von der Wehrmacht beurlaubt. Gegen Ende des Krieges geriet er in Gefangenschaft in Reval (heute Tallin) bis 1948. Nach dem Krieg nahm der Betrieb einen raschen Aufschwung. So bauten Stehles zum Beispiel die Bühnen in der Rottenburger Festhalle, in der Wurmlinger Uhlandhalle und zahlreiche Theaterbühnen im weiteren Umkreis. Außerdem stellten sie Altäre her, beispielsweise den schwimmenden Altar des THW. Alois Stehle gehörte von 1949 bis 1982 dem Narrenrat an und war Masken- und Gewandmeister. 1951 begann er mit der Maskenschnitzerei.

Viele Masken sind mit einer Säge entstanden

Während Alois Stehle im Betrieb eher der Planer und Organisator war, berichtete Fuchs, war Eugen Stehle junior der Handwerker, der die Aufträge bei den Kunden vor Ort ausführte. „Alois Stehle hat manches aus Lindenholz heimlich geschnitzt“, sagte Fuchs. In Sitzungen des Narrenrates sei er manchmal ausgerastet, wie aus Protokollen hervorgeht: „Aber er war ein herzensguter Mensch.“ Schnitzte er zu Beginn viel von Hand, stellte er später mit einer Säge viele Masken seriell her. „Er bemalte sie selbst“, so Fuchs. Er schnitzte auch für die Narrenzünfte Poltringen, Bühl und Wurmlingen.

Erste Ahlandmaske 1951

Die erste Ahlandmaske stellte er 1951 her. Die Figur geht zurück auf eine in Sandstein gemeißelte Fratze, die noch heute an einem Haus im Rottenburger „Preußischen“ zu finden ist. Sie wird auf den Zeitraum zwischen 1550 und 1570 datiert und befand sich ursprünglich an einem größeren Gebäude in Rottenburg, das jedoch 1644 bei einem großen Stadtbrand zerstört wurde. Woher die Steinfratze ursprünglich kommt, konnte bis heute nicht abschließend geklärt werden. Wegen des damals noch häufigen Schnees und Regens bei der Fasnet war sie lackiert.

Eine 1972 vorgestellte Version der Ahlandmaske kam allerdings gar nicht gut an. „Diese seltsame Maske hat damals alle überrascht“, sagte Fuchs. Aus ihr entstand das Pompele als eigene Figur. „Vielleicht kommt die Zwietracht älterer Ahlande und Pompele noch daher.“ In seine Masken brachte Alois Stehle manchmal ein großes A mit der Jahreszahl, ein S für Stehle und ein R für Rottenburg ein, in manche nur AS.

Für das große Narrentreffen 1966 schnitzte Stehle die große Version der Maske, die am Wagen angebracht wurde. Er schuf weitere Figuren wie einen roten Teufel und Hexen.

Eugen Stehle schuf Unikate

Eugen Stehle junior lernte ebenfalls Kunstmaler und Bühnenbauer. Er schuf weniger Masken, dafür einige Unikate. Sie eint ein breiteres Maul und eine etwas grobere Form. Tochter Ursel hatte eine Maske dabei und erklärte schmunzelnd, wie schwierig sie zu tragen gewesen sei: „Es hat gedrückt an allen Ecken und Enden.“ Eugen Stehle junior malte auch Berglandschaften und Menschen. „Er war künstlerisch und handwerklich sehr begabt“, sagte Fuchs. Auch einige Wappenreliefs und Figuren in der Stadt sind von ihm. „Er hat immer ein wenig im Schatten seines Bruders Alois gestanden“, so Fuchs. Als in den 80er-Jahren die Ahlandgruppe eine Maske von ihm ablehnte, habe er mit der Schnitzerei aufgehört.

In Kriegsgefangenschaft auf Zementsäcke gemalt

In der nächsten Rottenburger Krippenausstellung ist ein besonderes Werk von Alois Stehle zu sehen, wie Werner Wiedmaier berichtete: ein Weihnachtsbild, in der Kriegsgefangenschaft auf Zementsäcken gemalt. Wer gegen Ende der Ausstellung in der Zehntscheuer ins Erdgeschoss geht, findet ab dem 19. Januar eine weitere vor: Rund 100 verschiedene Masken, darunter zahlreiche Exemplare der Stehle-Brüder, sind ab dann in der Ausstellung „Itz isch halt so“ zum 100-jährigen Jubiläum der Narrenzunft zu sehen. Diese wird zum Landschaftstreffen organisiert und auch einen „Laufsteg“ mit Ahland-Häsern von 1930 bis heute beinhalten und bis zum 9. März zu sehen sein.