So sehen die fertigen "Hudlasocken" oder Endschuhe aus. Die Herstellung ist zeitaufwändig. Foto: Eyrich

Eine Kunst, die kaum noch jemand beherrscht, lehrt Anton Strobel derzeit im Maschenmuseum in Tailfingen. Dabei könnte sie bald neue Urständ feiern in Zeiten wie diesen.

Albstadt-Tailfingen - "Manche versuchen aus unserem Stadtteil ein Dorf zu machen – Stichwort: Hudlasocken!" So klagte vor acht Jahren im Oberbürgermeisterwahlkampf ein Einwohner von Onstmettingen. Acht Jahre und einen Oberbürgermeisterwahlkampf später werden in Onstmettingen immer noch Hudlasocken hergestellt. Anton Strobel nennt sie freilich "Endschuhe" oder "Selb-Schuhe", werden sie doch aus Bändeln – "Selb" – gemacht. Strobel ist in Heinstetten aufgewachsen, erst nach Unterdigisheim und dann nach Tieringen gezogen, wo die Trikotbranche "ganz ordentlich" gewesen und 1957 der letzte von 113 Webstühlen im Ort entsorgt worden sei, berichtet Strobel, der im Buch des Heimatvereins Kohlraisle "Tieringen – Zeitreise in die Vergangenheit" darüber geschrieben hat.

Warum das wichtig ist? Aus der Trikotbranche bezieht Strobel die Bändel für seine Endschuhe, und das wird immer schwieriger. "Du musst Beziehungen haben, sonst kriegst du keine", bestätigt Siegfried Walz aus Burladingen, der solche Beziehungen hat und regelmäßig zum Hudlasock-Abend des Schwäbischen Albvereins in die Onstmettinger Ochsenscheuer kommt. "Dort sind wir neun Frauen und meine Wenigkeit", sagt er und lacht: Hahn im Korb. "Wer dorthin kommt, bekommt einen Leisten und eine Häkelnadel, und die Damen zeigen einem, wie man anfängt", berichtet Walz.

Der einzige Fehler: Sie rutschen

Anton Strobel hat spezielle Leisten, verwendet "eine andere Technik", wie er sagt: "Bei mir werden die Schuhe etwas höher, denn aus der Höhe holt er sich die Breite." Gemeint ist der Fuß, der am Feierabend die Arbeitsschuhe abstreift und in die bequemen, flexiblen, strapazierfähigen Hausschuhe schlüpft, die nur einen einzigen Fehler haben: Sie rutschen. Noppenspray empfiehlt Anton Strobel, denn eine Sohle aufzunähen, das sei schon ein "Jesus-G’schäft". "Dann darf man sie nur nicht mehr waschen", was aber grundsätzlich ein Vorteil der Endschuhe sei: waschbar, bequem und mollig warm.

Sechs bis acht Stunden für Schuhgröße 38

"Wir haben sogar Fußball damit gespielt", erinnert sich Siegfried Walz an seine Jugend, als die "älteren Herrschaften in der Nachbarschaft abends in der Sonne saßen und Hudlasocken machten". Das dauert: "Zwischen sechs und acht Stunden für einen 38er", sagt er mit Blick auf die Schuhgröße. "Aber da muss man dran bleiben. Außerdem muss man einige Paare machen, bis man’s kann." Zehn bis zwölf Meter Bändel stecken drin, und die sind eigentlich ein Abfallprodukt, "die Bruchkante von den Stoffrollen", die man früher "direkt vermüllt" habe, weiß Walz. "Wenn die von der Maschine kommen, sind das Kilometer."

Baumwolle muss es sein

Also: Erst mal ziehen – "nur dann gibt es einen schönen Schuh", erklärt Anton Strobel mit Blick auf die bunten, zusammengerollten Stoffreste. Um sie zu besorgen, hat er schon alle möglichen Firmen angeschrieben, aber "nix bekommen", ist weit gefahren. Denn irgendein Stoff darf es nicht sein – Baumwolle ist gefragt. Ein ähnliches Problem stellt sich beim Leisten, wie Walz erklärt: Aus Eichen- oder Buchenholz sollte er sein, und das ist "sündhaft teuer". Außerdem müsse man erst mal einen Schreiner finden, der einem den Leisten zurechtschneide.

Ugandische Schüler sind die Nutznießer

Ob Hudlasocken oder Endschuhe: So mir nix, dir nix sind sie also gar nicht zu machen. Dass Anton Strobel für ein Paar – je nach Größe – nur 25 bis 30 Euro nimmt, liegt daran, dass es ihm Spaß macht und er damit kein Geld verdienen muss. Spenden sammelt er auf diesem Wege, und zwar für Projekte von Pfarrer Kasozi, der einst im Schlichemtal gearbeitet hatte, in dessen Heimat Uganda. In der Hauptstadt Kampala verhilft der Priester, der auch Lehrer ist, Kindern zu Schulbildung; dafür braucht er 90 Euro pro Kopf und Jahr – aktuell sind es an die 1000 Kinder. "Wir wickeln das direkt mit ihm ab, da kommt jeder Cent an", weiß Anton Strobel und ist auch ein bisschen stolz auf den Erfolg der Projekte: "2021 hat die erste Schülerin von Pfarrer Kasozi ein Studium angefangen; außerdem bildet er Maurer, Zimmerleute und Metzger aus."

Kurstag im Tailfinger Maschenmuseum

Ingrid Haasis vom Schwäbischen Albverein Onstmettingen hingegen bildet Hudlasock-Macher aus: "Man muss kein Albvereins-Mitglied sein, um mitmachen zu dürfen, und bekommt das komplette Material gegen eine Spende und den Leisten geliehen", sagt Siegfried Walz, der aus gutem Grund den Weg zur Ochsenscheuer gefunden hat: "Ich bin 82 und brauche Beschäftigung, also dachte ich, geh mal zu den Hudlasock-Mädels nach Onstmettingen." Sie treffen sich in der Regel am zweiten Donnerstag des Monats um 18 Uhr.

Anton Strobel zeigt am Samstag, 19. November, ab 14 Uhr noch einmal im Maschenmuseum, wie Endschuhe hergestellt werden. Seine Endschuh-Endprodukte verkauft er am dritten und vierten Adventssonntag in Tieringen im Rahmen des Christbaumverkaufs bei der ehemaligen Metzgerei Mengis – für Pfarrer Kasozis Schule in Uganda.