Marvin Schulz, dem Mann, der statistisch gesehen schon lange tot ist, geht es gut. Foto: Peter Morlok

Fast auf den Tag genau elf Jahre nach unserem ersten Gespräch mit Marvin Schulz trafen wir den Mann, der laut medizinischer Statistik längst tot ist, wieder.

Der junge Horber leidet seit seiner Geburt an einer komplexen Missbildung des Herzens und die Mediziner diagnostizierten bei seiner Geburt eine Lebenserwartung von maximal 14 Jahre. Sie lagen weit daneben, denn in zwei Wochen darf er seinen 39 Geburtstag feiern.

 

Ein ziemlich normales Leben dank moderner Medizin Es wird ein ganz normaler Geburtstag eines Mannes, der dank moderner Medizin ein ziemlich normales Leben führen kann. Seit 2019 arbeitet der gelernte Bürokaufmann in der Personalabteilung der Horber Spitalstiftung und ist dort, wie jeder andere Sachbearbeiter auch, mit vielerlei Aufgaben betraut. Ein Arbeitsumfeld, dass ihm Spaß macht, dass ihn fordert, dass ihm aber auch den Freiraum lässt, den seine medizinische Betreuung braucht.

Alle sechs Monate muss er zur Schrittmacher-Kontrolle Er gehört zu den Wenigen, die diese schlimme Krankheit überlebt haben, doch er geht mit einer Selbstverständlichkeit und Gelassenheit mit seinem Handicap um, die Respekt verdient. Alle sechs Monate muss er zur Schrittmacher-Kontrolle nach Tübingen und alle acht Jahre steht ein Schrittmacherwechsel an. Erst vor 14 Tagen war er wieder in der Tübinger Uni-Klinik zu einer Herz-Katheter-Untersuchung mit gleichzeitig durchgeführter Katheterablation. Bei einer Ablation werden krankhafte Erregungsherde oder Leiterbahnen am Herzen verödet. Dadurch werden Muskelerregungen, die den Herzrhythmus stören, unterbunden. So kann das Herz wieder normal schlagen. Marvin Schulz erzählt das so nebenbei, als wäre so ein Eingriff für ihn so alltäglich wie für andere Leute ein Heuschnupfen im Frühjahr.

Schwerere Eingriffe hinter sich gebracht Für ihn und seine Wahrnehmung ist es auch so, denn in den zurückliegenden elf Jahren hat er wesentlich schwerere Eingriffe hinter sich gebracht. So wurde beispielsweise 2017 beim Herzschrittmachertausch gleich eine neue Herzklappe und ein Conduite, eine künstliche Gefäßprothese, die außerhalb des Herzens eine Herzkammer mit der Hauptschlagader verbindet, mit eingesetzt. Eine sehr schmerzhafte Operation, da die Ärzte dafür die Rippenbögen durchtrennen müssen, um an das Herz zu kommen. „Ich durfte nach der Entlassung aus dem Krankenhaus ein schickes, schwarzes Stütz-Korsett tragen“ erinnerte sich Schulz. „Das war rund zwei Wochen nach dem Messerattentat im Real und als ich dort zum Einkaufen war, hielten mich die Leute für einen Beamten eines Sondereinsatzkommandos mit schuss- und stichfester Weste“ erzählte er lachend von einem besonderen Moment.

Alle zwei, drei Jahre steht Kur an

Mit bald 39 Jahren in der Kinderkardiologie Kranksein kann manchmal auch lustig sein und Marvin Schulz nimmt sein angeborenes Herzleiden zwar nicht auf die leichte Schulter, doch mit Humor und dem Bewusstsein, dass ihm die moderne Medizin auch in Zukunft zu einem Leben, zwar mit Einschränkungen, die aber auszuhalten sind, verhilft. Er ist eine sogenannter „Transitionspatient“, der sich noch immer in der stark ausgeprägten Grauzone zwischen kindzentrierter und erwachsenenorientierten Gesundheitsversorgung bewegt. Er wird auch mit nun bald 39 Jahren immer noch in der Kinderkardiologie des Tübinger Uni-Krankenhauses behandelt. Nur hält man ihn inzwischen nicht mehr für einen Psychopathen, wenn er sagt, dass er in der Kinderabteilung behandelt werden möchte, sondern die Ärzte dort haben – auch durch ihn – in dieser Hinsicht viel dazugelernt. „Da hat sich in den letzten Jahren einiges getan“ so seine Erfahrung.

Alle zwei bis drei Jahre in der Klinik in Tannheim In der weitbekannten Nachsorgeklinik „Tannheim“ ist er alle zwei, drei Jahre zur Kur. In diesem Jahr ist es wieder so weit. „Das ist die einzige Nachsorgeklinik in ganz Deutschland mit einem 27-Plus-Programm“, erklärt er. Heißt, dass hier auch Erwachsene wie er in diesem speziellen und kostenintensiven Bereich zwischen Kind-/Jugenderkrankung und der Mitnahme dieser chronischen Erkrankung ins Erwachsenenleben aufgenommen werden.

Ein engagierter Star-Wars-Fan In seiner Freizeit ist Marvin Mitglied im Nordstetter Schützenverein und Teil des Imperiums. Der Star-Wars-Fan ist im Kostüm eines Piloten in der 501sten Legion aktiv und der German Garrioson zugeteilt. Die Legion hat sich zum Ziel gesetzt, durch den Bau und das Tragen hochwertiger Kostüme das Interesse an Star Wars zu fördern, diese Kostüme auf Events mit Star-Wars-Bezug zu nutzen, und sie auf lokaler Ebene durch Freiwilligenarbeit im Kostüm für wohltätige Zwecke einzusetzen.

Gesundheit wichtigster Wunsch für die Zukunft

Erfüllen todkranken Kindern einen Wunsch „Ich habe so beispielsweise im Friseur-Salon meiner Mutter, dem „Kamm-In“ in der Neckarstraße, schon für Spenden für Tannheim geworben. Auch gehen wir in Krankenhäuser oder Kinderhospize, erfüllen todkranken Kindern einen Wunsch und begleiten sie notfalls auch bis zu ihrem Tod“, machte Marvin Schulz die Tragweite dieser ganz besonderen Charity-Bewegung deutlich.

Bescheidende Zukunftswünsche „Im Juli gehen wir wieder in das Kinderhospiz nach Reutlingen und wenn ich dann wieder die vielen kranken Kinder sehe, dann weiß ich, dass es mir mit meinem Herzfehler richtig gut geht. Ich wünsche mir, dass es bei mir gesundheitlich so weitergeht wie bisher“, seine bescheidenen Zukunftswünsche am Ende dieses beeindruckenden Gespräches.