Im Gottesdienst am kommenden Sonntag um 10.30 Uhr werden Uwe und Renate Stierlein feierlich verabschiedet. Foto: Günther

16 Jahre lang war Uwe Stierlen Pfarrer der Martinskirche Freudenstadt und hat dort auch Gottesdienste in Gehörlosensprache gefeiert. Gemeinsam mit seiner Ehefrau Renate wird er am kommenden Sonntag verabschiedet.

Freudenstadt - Dass Uwe und Renate Stierlen zwar einerseits froh darüber sind, ab September einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen, trotzdem aber Freudenstadt und "ihre" geliebte Martinskirche mit Wehmut im Herzen verlassen, wird im Gespräch mit unserer Redaktion deutlich.

Beide freuen sich darauf, die kommenden Jahre sowohl in ihrer Wahlheimat Ettlingen und zusätzlich auch in Griechenland verbringen zu können. Sie beteuern aber auch, wie wohl sie sich in der Martinskirchengemeinde und im Pfarrhaus gefühlt haben – und wie schwer der Abschied fällt. Und sie hinterlassen mit ihrem Wegzug bleibende Spuren in Freudenstadt.

Reparatur eines defekten Reisebusses nimmt der Pfarrer selbst in die Hand

Da loben die Gemeindemitglieder die große Sensibilität, mit der ihnen ihr Pfarrer stets begegnete, andere die große Anteilnahme, die ihnen "ihre Stierlens" in guten und in schlechten Tagen entgegenbrachten. Aber auch durch seine handwerklichen Fähigkeiten wird Stierlen in Freudenstadt noch lange in Erinnerung bleiben: Da krempelte er unter den erstaunten Augen der gestrandeten Mitreisenden beim Pfarrausflug kurzerhand die Ärmel seines tadellos weißen Hemdes hoch und nahm die Reparatur des defekten Reisebusses selbst in die Hand nahm. Auf Nachfrage verrät er schmunzelnd, dass er sich diese Fähigkeiten in Ferienjobs und während seiner Zeit in Afrika selbst beigebracht hatte.

Aufgewachsen ist Pfarrer Stierlen in der Region Stuttgart, sein Theologiestudium, das er durch Ferienjobs finanzierte, brachte ihn nach Tübingen und München. Ab 1984 absolvierte Stierlen sein Vikariat in Langenau/Ulm. Dort lernte er auch seine Renate kennen und lieben. Ab 1988 übernahm er seine erste Pfarrstelle in Aalen-Unterrombach.

Jahre in Tansania sind eine prägende Zeit für das Ehepaar

Prägend für die gesamte Familie Stierlen war die Zeit in Tansania: Von 1995 bis 2000 lehrte er an der dortigen kirchlichen Hochschule systematische Theologie. Zunächst aber lernte das junge Ehepaar Stierlen gemeinsam Kiswahili, die Amtssprache Tansanias. Wie beide berichten, waren ihre gemeinsamen Jahre in Tansania für sie eine prägende Zeit. Dazu gehörten auch viele Reisen durch Afrika, teilweise zusammen mit den Theologiestudenten. In Sambia, Malawi, Mosambik, Simbabwe und Namibia lernten sie eine andere Welt kennen, aber gerade das sei das Spannende gewesen, erklärt Uwe Stierlen. Mit den Materialien der deutschen Fernschule unterrichtete Renate Stierlen – von Beruf Erziehungswissenschaftlerin – Sohn Robert selbst.

Im Jahr 2000 kehrte Pfarrer Stierlen wieder in den Dienst der Württembergischen Landeskirche zurück. Zunächst war er in der Prälatur Ulm tätig, ab dem Jahr 2006 übernahm er die vakante Pfarrstelle der Martinskirche. Diese Stelle habe ihn gereizt, so Stierlen im Rückblick, weil dem Kirchenbezirk der Martinskirche viele Menschen aus den unterschiedlichsten Herkunftsländern, aus Kasachstan, Usbekistan, Russland, Georgien und dem Baltikum angehörten.

Arbeit mit jungen Menschen stets wichtig für ihn

Seine 16 Dienstjahre in Freudenstadt beschreibt er als eine große, wunderbare Herausforderung. Großartig sei sie auch durch die Vielfalt gewesen. Mit leuchtenden Augen berichtet er von Taufen, für die der Kirchenchor der Martinskirche extra afrikanische Lieder eingeübt hatte, von bereichernden Begegnungen mit vielen Gemeindemitgliedern, vom Vertrauen, das ihm entgegengebracht wurde. Aber auch der Kamerun-Partnerschaft des Kirchenbezirks, für die er sich unermüdlich einsetzte.

Wichtig waren ihm stets die Kindergartenarbeit, der Religionsunterricht und die Konfirmandenarbeit: "Es war schön mit den jungen Menschen; auch wenn ich mir immer die Frage gestellt habe, wie man diesen Schülern gerecht wird." Grundlage all dessen war seine Begeisterung an Gottes Wort.

Auch Renate Stierlen hat sich der Verantwortung als Pfarrfrau gerne gestellt. Ob bei Seniorennachmittagen, Gemeindeausflügen oder bei den Weltgebetstagen, seit 34 Jahren ist sie voll dabei.

Gehörlose Menschen aus der gesamten Region betreut

Engagiert war sie auch bei der Betreuung gehörloser Menschen. Hatte doch ihr Ehemann mit seinem Amtsantritt in Freudenstadt auch eine weitere große Aufgabe mit der Betreuung gehörloser Menschen aus der gesamten Region übernommen. Von Stuttgart bis zum Elsass reisten alle zwei Monate viele Gehörlose nach Freudenstadt, um in der Martinskirche gemeinsam Gottesdienst zu feiern. Gepredigt wurde von Pfarrer Stierlen dabei in der Deutschen Gehörlosensprache (DGS); beide Stierlens haben eigens für diese Sonderaufgabe die DGS erlernt.

Für die Zeit nach dem Pfarrdienst hat Uwe Stierlen noch keine konkreten Pläne. Renate Stierlen wird nach einigen Sabbatmonaten beim Internationalen Bund Nordschwarzwald weiterhin Projekte im Bereich Bundesfreiwilligendienst leiten, ihr Ehemann hat sich noch nicht festgelegt: "Natürlich gibt es auch in Ettlingen oder Griechenland Flüchtlinge und Gehörlose, aber man wird sehen." Zunächst gilt es, griechisch zu lernen, denn beide wollen unbedingt die Sprache des Landes sprechen, in dem sie ihren Zweitwohnsitz beziehen. Für Uwe Stierlen ist dies nach Deutsch, Latein, Altgriechisch, Hebräisch, Englisch, Kisuaheli und der DGS seine achte Sprache, die er erlernt. Ab Oktober geht es für die Stierlens dann nach Griechenland: "Dort gefällt es uns, dort haben wir unseren ersten gemeinsamen großen Urlaub erlebt, dort gibt es Freunde."