Die Teilnehmer des Marschs ziehen durch die Stadt, um ihre Stimme gegen Antisemitismus zu erheben. Doch die Organisatoren geraten nun in Kritik. Foto: Reimer

Erneut zieht der Marsch des Lebens durch Oberndorf, um der Holocaust-Opfer zu gedenken und ein Zeichen gegen Antisemitismus zu setzen. Doch einige Bürger äußern scharfe Kritik.

 
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Erinnern, versöhnen, ein Zeichen setzen – das sind die Ziele des „Marsch des Lebens“. Seit 2007 fanden in mehr als 20 Nationen und 400 Städten Märsche statt. Am Mittwoch zogen Teilnehmer durch Oberndorf.

Doch die Organisation, die den Gedenkmarsch einst ins Leben gerufen hatte, steht in der Kritik: die Tübinger Offensive Stadtmission (TOS). Diese versteht sich laut Webseite als „Freikirche und internationales Hilfswerk mit evangelikal-charismatischer Prägung.“

Homophobe Ideologie?

In einem Leserbrief an den Schwarzwälder Boten heißt es, dass die TOS „Dämonen austreiben will und die homophobe Idee vertritt, Schwulsein könne man heilen“. Weitere Leser äußerten ähnliche Bedenken. Auch Medienberichten zufolge stehe die TOS-Gemeinde für ein homophobes Weltbild.

„Auch wir vom Team Schwarzwald sind Mitglieder der TOS“, erklärt Jürgen Nähr, Mitorganisator des Oberndorfer Marschs, auf Anfrage. Doch Veranstalter und Ausrichter sei die Initiative Marsch des Lebens e.V. . „Unsere Märsche haben bewusst keine religiöse Ausrichtung, die TOS-Gemeinde ist bei den Marsch-des-Lebens-Veranstaltungen nicht präsent“, so Nähr weiter. Zu den Vorwürfen bezüglich der TOS-Gemeinde wolle er sich allerdings nicht äußern, da diese nichts mit der Veranstaltung in Oberndorf zu tun haben.

Stundenlang geschlagen

Der Marsch begann am Mittwoch auf dem Lindenhofplatz, in dessen Nähe auf dem heutigen Gelände von Heckler & Koch sich einst das Arbeiterlager „Birke“ befunden hatte. Dort waren polnische Zwangsarbeiter untergebracht, die während des Weltkriegs in der Rüstungsindustrie arbeiten mussten. Die vorgetragenen Schilderungen polnischer Zwangsarbeiter lassen das Leid der Deportierten erahnen. Nach einem kurzen Vortrag über die Geschichte des Lagers wurden die Namen der Opfer verlesen.

Die Teilnehmer zogen anschließend in die Oberstadt. In der Kameralstraße befand sich in der heutigen Geschäftsstelle der Sparkasse eine Außenstelle der Gestapo. „Zwangsarbeiter und politische Gefangene lernten hier die Brutalität der Gestapo kennen“, so Nähr. Er berichtete, wie Insassen in Zellen mit Knüppeln oft stundenlang geschlagen wurden.

„Geschichte darf sich nicht wiederholen“

Die letzte Station des Marschs befand sich unweit des Alten Rathauses. Hier lebte einst die jüdische Familie Eppstein. Tatjana Malafy, Geschäftsführerin der Israelitischen Kultusgemeinde Rottweil, war per Videokonferenz zugeschaltet und brachte ihren Dank zum Ausdruck, dass die Teilnehmer auf die Straße gingen, um ein Zeichen gegen Antisemitismus zu setzen. „Vergeben, aber nicht vergessen“, so Malafy, die mahnte, dass sich Geschichte nicht wiederholen dürfe.

Von Bürgermeister Hermann Acker, der seine Teilnahme kurzfristig absagen musste, wurde ein Redebeitrag vorgelesen, in dem er die Bedeutung einer lebhaften Erinnerungskultur unterstrich.