Bayerns Ministerpräsident Markus Söder will sich im ARD-Talk seine kräftige Sprache nicht verbieten lassen und weist den Vorwurf zurück, er stachele die Protestwelle gegen die Grünen an.
Mit Sprache kann man aufhetzen und zündeln, auch Worte können in gewaltsamen Taten münden. Im ARD-Talk von Caren Miosga am Sonntagabend musste sich der Hauptgast Markus Söder, CSU-Vorsitzender und Ministerpräsident von Bayern, von der Moderatorin und zwei Expertinnen dem Vorwurf stellen, er selbst habe mit seinen ständigen Verbalattacken auf die Grünen die zunehmende Protestwelle gegen Vertreter der Grünen beflügelt. Um es vorab zu sagen: Söder wich keinen Jota von seiner bisherigen Linie ab – Tenor, ich lasse mir meine Sprache nicht verbieten.
Grüne als Feindbild
Unbestritten ist die zunehmende Gewalt gegen Vertreter der Grünen-Partei, und in Miosgas Sendung sind exemplarisch Attacken auf grüne Lokalpolitiker in Hirschaid (Kreis Bamberg), die Verhinderung des politischen Aschermittwochs der Grünen in Biberach sowie die jüngste Attacke auf einen Grünen-Kandidaten in Amtzell (Kreis Ravensburg) genannt worden. Laut Recherchen von Miosgas Team sind binnen vier Jahren in Deutschland 2800 Übergriffe auf Parteienvertreter geschehen, der Löwenanteil – 1200 – zielte auf Grünen-Politiker. Die Grünen polarisierten nun mal mit ihren Themen Klimaschutz, Energie, Mobilität und Ernährung erklärte die Politikwissenschaftlerin Julia Reuschenbach von der Freien Universität Berlin und es bereite ihr Sorge, dass es inzwischen schon „Polarisierungsunternehmer“ gebe: „Das sind Kräfte, die auf Hass, Angst und Wut setzen. Die haben die Grünen als Feindbild identifiziert und artikuliert, und sie treiben die Polarisierung voran.“ Auch bürgerliche Politiker stimmten leider in diesen Gesang mit ein, und sie legitimierten damit die Gewalt auf der Straße. Von der „Zeit“-Journalistin Mariam Lau erhielt die Wissenschaftlerin da Schützenhilfe: „Ja, da redet man eine Notlagensituation herbei.“ Markus Söder sind im Laufe der Sendung dann die verschiedensten verbalen Ausfälle gegen die Grünen vorgeworfen worden: Sein Wort von der „Zwangsveganisierung“ durch die Grünen und von den „grünen Verbotskaskaden“, seinen Vergleich von Ricarda Lang (Grüne) und Kevin Kühnert (SPD) mit seinem Hund Molly, die Bezeichnung der Umweltministerin Steffi Lemke als „grüner Margot Honecker“ oder die Aussage, die Grünen hätten kein „Bayern-Gen“, gehörten also nicht zu Bayern.
Söder als „Problembär“?
„Schreiben Sie mir doch einen Moralkodex darüber, welche Worte ich verwenden darf. Die lerne ich dann auswendig“, entgegnete Söder den drei Kritikerinnen. Die Grünen als „ideologischer Kern“ der Ampel-Regierung hätten noch nie eine solche massive Ablehnung der Bevölkerung erfahren wie heute – Stichworte seien das „vermurkste“ Heizungsgesetz, das „enttäuschende“ Wachstumschancengesetz oder die Cannabis-Legalisierung. Und „da müssen die Grünen doch mal in sich gehen und überlegen, was können wir anders machen“. Seine Worte will sich Söder nicht zensieren lassen, einige der zitierten Aussagen seien auf dem politischen Aschermittwoch gefallen, sagt er, wo sein südländisches Temperament mit ihm durchgehe und man nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen dürfe: „Das ist doch kein Zeit-Matinee.“ Im übrigen liebe er seinen Hund Molly, und er sei der Ansicht, man könne nicht jede Rede mit politischer „Correctness“ überwölben, denn dadurch werde mancher Diskurs ausgeschlossen. Was Steffi Lemke anbelange, so tue es ihm leide, falls der Honecker-Vergleich sie verletzt haben sollte. Auch Grünen-Politiker würden in Bayern im übrigen von einer starken Polizei geschützt, und er selbst sei ja auch Opfer von verbalen Attacken der Grünen: Der Grünen-Chef Omnid Nouripour habe ihn einmal als „Problembären“ bezeichnet: Das sei ein Tier, dass wegen seiner Gefährlichkeit im Trentino getötet werden sollte.
Straßenprotest ist Nötigung
Trotz seiner Defensive: Die Front der drei Gesprächspartnerinnen gegen Söder war geschlossen: Die Journalistin Lau bemerkte, dass die Grünen es derzeit an „Zerknirschtheit“ wirklich nicht fehlen ließen und inhaltliche Wenden längst vollzogen hätten. Der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck sei jetzt für eine Kohlendioxid-Verklappung am Meeresboden, die Grünen seien für die Bezahlkarte für Asylbewerber, für einen Stopp beim Artenschutz und für die Waffenlieferungen an die Ukraine: „Die Grünen werden jetzt für eine Politik gehasst, die sie sich seit Jahren nicht zu machen getrauten.“ Die Proteste auf der Straße – egal ob Klimakleber oder protestierende Landwirte, die längst außer Kontrolle der Bauernverbände seien – stellten im übrigen eine Nötigung dar. Applaus vom Publikum im Studio – der einzige nennenswerte Beifall an diesem Abend – kam dann für eine Analyse der Politologin Reuschenbach: Sie sei ja auch Rheinländerin und finde den Karneval gut. In der politischen Debatte in Deutschland stelle sie allerdings einen „ständigen Aschermittwoch“ fest, „kernige Aussagen“ seien ja wünschenswert. „Aber wir sehen derzeit einen Vertrauensverlust der Bevölkerung in die Problemlösungskompetenz der Politik. Da ist es fraglich, ob es wirklich eine Rhetorik braucht, die nur auf auf das Konto derjenigen einzahlt, die es mit der Demokratie nicht gut meinen.“ Man brauche eine Debattenkultur, die auf Besonnenheit setze.
Beruhigende SMS von Angela Merkel
„Wie geht Politik in unruhigen Zeiten“ hatte die Leitfrage der Sendung geheißen und zumindest drei Randaspekte waren noch interessant. Erstens nannte Söder es „empörend“, dass sich der Bundeskanzler bei den Waffenlieferungen an die Ukraine derzeit zurückziehe. Wenn der Marschflugkörper Taurus einen Unterschied machen könne, dann sei ihm nicht klar, warum der Kanzler da „im letzten Moment einen Rückzieher“ gemacht habe. Zweitens kritisierte er auf Miosgas Nachfragen erneut den CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz für seine Bemerkung, dass eine Koalition mit den Grünen möglich sei: „Das muss eine kurzfristige, spontane Verliebtheit gewesen sein – ein Fehler.“ Wer mit den Grünen koaliere, der könne nur verlieren. Wegen einer solchen Koalitionsaussage könne die Union massiv Stimmen einbüßen zugunsten von anderen Parteien. Erhellend auch seine Antwort auf Miosgas Frage nach der Kanzlerkandidatenschaft von Merz: Sollte die Ampel-Regierung wirklich durchhalten, sei es noch eine „lange Zeit“ bis zur Bundestagswahl, bemerkte Söder. „Und es wollen ja noch andere in der Union.“ Dass er selbst nochmals als Kanzlerkandidat antrete, das sei aber „extremst unwahrscheinlich.“ Und schließlich war Söders Kompliment für Ex-Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auffällig: Gerade in der Corona-Zeit hätten ihm als Ministerpräsident seine früh verstorbenen Eltern als persönliche Berater gefehlt. Da habe er sich spätabends mit Merkel ausgetauscht: „Von ihr kamen immer so Konfuzius-SMS, wie: Bleibe ruhig, das Leben geht weiter oder morgen geht die Sonne wieder auf.“ Sie sei in der Zeit seine „einzige Beraterin“ gewesen.