Model Heidi Klum präsentiert Goldschmuck. Der Ring kostet knapp 2000 Euro. Mehr Luxus gefällig? Klicken Sie sich durch die Bildergalerie. Foto: dpa

Markt für schöne und teure Güter in Deutschland boomt – Firmen ködern mit Einstiegsangeboten.

Stuttgart/München - Stuttgart/München - Die Mission von Petra-Anna Herhoffer heißt Luxus. Vor drei Jahren hat die 48-Jährige das Beratungsunternehmen Inlux gegründet und den Studienschwerpunkt „Luxury Management“ an der Munich Business School gestartet. Jetzt will sie dem Thema ein größeres Podium bieten. Vor kurzem hat sie eine Konferenz veranstaltet, 144 Branchengrößen kamen, darunter Strenesse, Porsche und Montblanc. „In Deutschland hat sich niemand professionell um das Thema gekümmert“, sagt sie. „Dabei ist das Potenzial auf dem Luxusmarkt bei weitem nicht ausgeschöpft. Luxus wird immer demokratischer.“

2011 ist der deutsche Luxusmarkt um 16 Prozent auf 12,9 Milliarden Euro gewachsen und übertrifft somit das globale Branchenwachstum von neun Prozent. Doch was treibt den Markt an? Weshalb kaufen die Kunden mehr? Und wie stellen sich die Firmen neu auf?

Die Kunden

Um den Luxus-Boom zu erfassen, muss man verstehen, wie stark sich die Gesellschaft in den vergangenen Jahren verändert hat. „Luxus hat seinen negativen Klang verloren. Das merkt man schon daran, dass das Wort häufiger benutzt wird“, sagt Klaus Heine, der an der TU Berlin über die Vermarktung von Luxusgütern forscht. „Die Deutschen gönnen sich mehr als früher. Viele haben auch mehr Geld übrig.“

Den gesellschaftlichen Wandel belegt die aktuelle „Typologie der Wünsche“ der Unternehmensberatung Roland Berger, der mit 20 000 Befragten größten Konsumentenstudie in Deutschland. Sie untersucht, wie Kunden zu Aussagen stehen wie: „Ich leiste mir gern teure Sachen“, „Es ist mir wichtig, mich mit schönen Dingen zu umgeben“ oder „Manche Produkte kaufe ich gezielt aus Imagegründen“. Zwischen ein Drittel und mehr als die Hälfte der Befragten stimmen dem zu, die Zahl ist in den vergangenen drei Jahren stetig gewachsen. Der Trend zu mehr Luxuskonsum ist besonders bei den kaufkräftigen 50- bis 60-Jährigen stark. Aber auch die 20- bis 30-Jährigen stehen ihm immer positiver gegenüber.

Der Preis sei dabei nicht ausschlaggebend, betont Beraterin Herhoffer. „Da kauft sich auch die Sachbearbeiterin mal ein Parfüm von Calvin Klein.“ Schließlich wollten nicht nur Reiche einen gewissen Status dokumentieren. Sei die Leidenschaft für das Schöne entdeckt, folge oft eine typische Luxuskunden-Karriere, ausreichend finanzielle Mittel vorausgesetzt: In immer mehr Lebensbereiche investierten die Kunden, in exquisiten Schmuck, schöne Möbel und Spitzen-Essen. Am Ende gebe man aber vor allem für die eigene Gesundheit, wie für Wellness und teure Vorsorgemaßnahmen, das meiste Geld aus. Der Konsum sei regional verschieden: „Wir Münchner sitzen mit Goldknöpfen bestückt bei den ersten Sonnenstrahlen in den Straßencafés, da ist sicherlich die Nähe zu Italien spürbar“, sagt Herhoffer. In Norddeutschland möge man es dezenter, in Stuttgart eher etwas bürgerlich: „Die Schwaben wollen oft das beste Produkt. Aber das Design darf nicht zu schrill sein – man möchte ja keinen Anstoß erregen.“

Der Wachstumsmarkt

Immer mehr Luxusunternehmen reagieren auf den Einstellungswandel ihrer Kunden und eröffnen verstärkt eigene Läden. So stieg die Anzahl von Luxusmarken-Boutiquen in Deutschland von 2007 bis 2011 um rund 30 Prozent, belegt die Studie von Roland Berger. Aber auch ausländische Firmen investierten häufiger in Deutschland, und die deutschen Anbieter von Luxusmarken knüpfen unter sich engere Kontakte. „Die Branche formiert sich neu“, sagt Heine.

So gründete sich vor einem Jahr der Meisterkreis, eine Art Verband von Luxusgüter-Herstellern. „Das Marktpotenzial in Deutschland ist noch lange nicht ausgeschöpft“, sagt Vorstand Clemens Pflanz. In Deutschland machten Luxusgüter nur 0,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus – in Ländern wie Italien, Frankreich, Großbritannien oder den USA sei der Anteil im Schnitt doppelt so hoch. Er sei optimistisch, dass man diesen Schnitt auch erreichen könne. „Kein anderes europäisches Land kann mit diesen Wachstumsraten mithalten“, bestätigen die Berater von Roland Berger. Besonders bei Mode und Accessoires sowie bei Parfüm und Kosmetik sei das Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft. Außerdem entdecken auch immer mehr ausländische Touristen den deutschen Markt: Dabei steigt nicht nur die Zahl der luxusaffinen Chinesen und Russen rasant, sondern auch deren Pro-Kopf-Ausgaben. Der Ausbau von Edelhotels in Deutschland werde noch mehr kaufwillige Kundschaft ködern.

Die Firmenstrategien

Immer mehr Unternehmen wollen vom boomenden Luxusmarkt profitieren. In Deutschland haben sich nicht nur Neugründer wie Julisis (Hautpflege) oder die Tapeten-Manufaktur Welter gegründet, auch Traditionsunternehmen wie die Krawattenmanufaktur Edsor Kronen entdecken ihre Luxus-Identität wieder. Und es gibt Premium-Anbieter, die ins Luxussegment expandieren möchten wie der Konditoreiwarenhersteller Leysieffer. Um als Luxusmarken wahrgenommen zu werden, müssten sie Produkte schaffen, bei denen die Qualität, Seltenheit, Außergewöhnlichkeit, Ästhetik und Symbolkraft sowie der Preis eine große Rolle spielten, sagt Luxusforscher Heine. „Vor allem aber müssen die Menschen von den Marken träumen.“ Letzteres unterscheide das Premium- vom Luxussegment, sagt Heine – was vielen deutschen Firmen noch nicht so klar sei. Unternehmen made in Germany stünden für hervorragende Ingenieurkunst, während die französischen und italienischen Luxushersteller als eleganter und opulenter und damit begehrenswerter wahrgenommen würden.

Doch das ändert sich, etliche deutsche Hersteller richten sich neu aus und appellieren an die Gefühle der Konsumenten. „Zu Hause ist, wo dein Herz sich öffnet“, wirbt der Polstermöbelhersteller Rolf Benz aus Nagold. Und der Berliner Tapeten-Hersteller Welter spricht nicht von Tapeten, sondern von „Wandbekleidungen“ und „Haute Couture für die Wände“. Zwischen 100 und 1500 Euro kostet der Quadratmeter. Erst seit kurzem kam auch der wirtschaftliche Erfolg, sagt Inhaber Ulrich Welter. Um das Vertrauen zu schaffen und die Marke glänzen zu lassen, habe er 20 Jahre benötigt.

Der Massenluxus

Wer im Luxusmarkt erfolgreich sein will, der muss den Spagat beherrschen: Ohne Exklusivität gelten die Waren nicht als wünschenswert; doch was man sich wünscht, möchte man auch besitzen. „Wenn sie keine Verfügbarkeit schaffen, dann haben sie verloren“, sagt Herhoffer. Um zu expandieren, bauen immer mehr Hersteller auf die Masstige-Strategie, eine Wortschöpfung aus Masse und Prestige. So zeigte Modedesigner Karl Lagerfeld im Januar bei den Haute-Couture-Schauen in Paris eine preiswertere Linie „Karl“, unter anderem mit schmalen Reißverschlusskleidern und Shirts. Geht das Kalkül auf, lockt man Einsteiger ins Luxussegment, die irgendwann zu teueren Produkten greifen. Außerdem erhöht es die gesellschaftliche Akzeptanz der Marke.

Was es heißt, zu viele auszuschließen, weiß man beim Sportwagenproduzenten Porsche. Vor 20 Jahren war man in einer existenzbedrohenden Krise, sagt Deutschland-Marketingleiter Andreas Henke. „Die Marke ist zu laut aufgetreten und hatte etwas Provokantes.“ Jetzt gebe man sich weniger ausgrenzend und seriöser. Die Käuferzahl stieg wieder. „Wir konnten selbst Fahrer der Konkurrenz-Marken gewinnen. Luxus ist heute weniger elitär, sondern leistungsbezogen. Es geht darum, sich selbst zu belohnen. Unsere Kunden haben daran teil.“ Mit Porsche Design versucht man das Band zum Kunden zu stärken. Die Tochtergesellschaft der Porsche AG stellt unter anderem Uhren, Schmuck, Schuhe, Aktentaschen, Leuchten und Zigarrenzubehör her, das  Design wirkt funktionell wie formschön. „Damit nehmen wir auch außerhalb des Fahrzeugverkaufs den Kunden in die Porsche-Familie auf“, sagt Henke. „Das ist eins unserer wichtigsten Marketinginstrumente.“