Die Vignetten-Lösung in Österreich Foto: dpa

Bei der Maut für Pkw geht es nur noch um das Wann und Wie - Mappus als Vorkämpfer.

Stuttgart/Berlin - Dass die PKW-Maut auf deutschen Autobahnen kommen wird, gilt als ausgemacht. Die (Bundes-)Politik tut sich nur noch etwas schwer mit der Wahrheit. Ein Überblick über die aktuell diskutierten Varianten.

Der Auto Club Europa (ACE) vermeldete kürzlich einen "neuen Jahresrekord": 498 Baustellen auf Deutschlands Autobahnen, so viel wie noch nie in diesem Jahr. Damit befindet sich über sieben Prozent des Autobahnnetzes in Arbeit. Na also, ließe sich jetzt argumentieren, es geht was voran. So schlecht kann es um unsere Verkehrsinfrastruktur und deren Ausstattung nicht bestellt sein.

Leider handelt es sich bei dem aktuellen Bau-Boom nur um eine Momentaufnahme, die vor allem dem Konjunkturprogramm geschuldet ist. Nicht mehr als ein Strohfeuer. Ein Blick auf die Situation in Baden-Württemberg verdeutlicht die tatsächliche Misere: Für zwei Milliarden Euro sind Straßenbauprojekte geplant - doch nur 190 Millionen können jährlich verbaut werden.

Dass insgesamt zu wenig Geld für Autobahnen, Bundes-, Land- und Kreisstraßen vorhanden ist, zählt - mit Ausnahme der Grünen - zur allgemeinen politischen Lesart. Ebenfalls Übereinstimmung herrscht darin, dass in einem Land, in dem jedes 20.Auto dieser Erde unterwegs ist, dringend "neue Wege der Verkersmittelfinanzierung" gesucht werden müssen. Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) ist sich sicher, was passieren wird: "Die Maut wird in relativ kurzer Zeit kommen", sagte er kürzlich. Nach der nächsten Bundestagswahl 2014 wäre ein denkbarer Zeitpunkt. Bis dahin will Mappus weiter unterschwellig Druck auf die Bundesregierung machen - öffentlich aber wohl erst wieder nach der nächsten eigenen Wahl, der Landtagswahl 2011.

An dem Thema kann man sich nämlich leicht die Finger verbrennen. Laut einer aktuellen Umfrage der Gesellschaft für Konsumforschung sind zwei Drittel gegen eine Maut. Die meisten wollen das Versprechen, im Gegenzug die Kfz- oder Mineralölsteuer gesenkt zu bekommen, nicht glauben. Andererseits: Wenn man schon über ein aufwendiges und funktionierendes System wie Toll Collect verfügt, warum sollte man dann die Lkw-Maut nicht auch auf Pkw ausweiten? Die Frage ist nur, wie man es verkauft. Also wird in den Berliner Hinterzimmern derzeit viel gerechnet, verhandelt und taktiert. Folgende Modelle stehen dabei im Raum:

Maut-Modelle im Überblick

Vignette: Ein "Pickerl" wie in Österreich könnte relativ einfach und schnell eingeführt werden. Mit einem gestaffelten Preissystem von höchstens 100 Euro pro Jahr kämen damit etwa vier Milliarden in die Kassen. Nachteil des pauschalen Abkassierens: Wer viel fährt, zahlt wenig - relativ gesehen. Eine ökologische Verkehrslenkung findet so nicht statt.

Kilometerabgabe: Eine Steuerung ließe sich mit der kilometerabhängigen, satellitengestützten Maut erreichen, welche die Strecke elektronisch erfasst. Dabei könnte auf die Mautbrücken von Toll Collect zurückgegriffen werden. Mappus zählt zu den Befürwortern dieser Variante analog zur LKW-Maut.

Elektronische (E-)Vignette: Wird von führenden Bundespolitikern favorisiert, von Datenschützern eher weniger. Der Autofahrer kauft im Internet oder an einem Terminal mit seinem Kennzeichen für einen bestimmten Zeitraum (ein Tag, ein Jahr) eine virtuelle Vignette. Kontrolliert wird mit Videokameras, die das Kennzeichen erfassen. Problem: Wie erfasse ich die Ausländer?

Grüne Maut: Auch als holländisches Modell bekannt. Unsere Nachbarn haben die Idee einer flächendeckenden Maut inzwischen aber verworfen. Bei der von den Grünen und dem Umweltbundesamt favorisierten Alternative wird ebenfalls satellitengestützt abgerechnet - jedoch auf allen Straßen und nach einem nach Tageszeit und Aufkommen gestaffelten Preis. Strittig ist, ob man auch nach Autotypen unterscheidet - und wenn ja, ob nach Hubraum oder Schadstoffklasse. Das Modell ist sehr differenziert - und damit auch ziemlich umständlich.

Mauthäuschen: Die Frankreich- oder Italien-Lösung wurde schon bei Einführung der Lkw-Maut als veraltet abgetan.

Höhere Steuern: Um nicht jeden Winkel des Landes mit Mautbrücken und potenziellen Überwachungsinstrumenten zu überziehen, hat Ex-Bundespräsident Horst Köhler vorgeschlagen, Kfz- und Mineralölsteuer hochzusetzen. Zumindest mit letzterer lässt sich der Verkehr steuern. Damit bleiben aber ausländische Autofahrer außen vor, die Deutschland in der Regel ohne Tankstopp durchqueren - und damit ohne einen Cent in die Kasse des Finanzministers zu spülen.

Ausländer machen nur kleinen Anteil aus

Die Ausländer. Sie werden von allen Maut-Befürwortern immer als Erstes ins Feld geführt. Doch machen sie wirklich so viel aus? Laut ADAC, der Speerspitze des Maut-Widerstands, beträgt der Anteil ausländischer Pkw an der Fahrleistung auf Deutschlands Autobahnen lediglich 5,2 Prozent. Ein Anteil von 20 Prozent an den Einnahmen, wie es das für die Abwicklung der Lkw-Maut zuständige Unternehmen Ages prognostiziert, hält der einflussreiche Automobilverband für unrealistisch - ebenso wie Erhebungskosten von nur fünf Prozent.

Die zweite entscheidende Frage lautet: Kann mit der Maut wirklich mehr Geld eingenommen werden - wenn sie, wie versprochen, "aufkommensneutral" gestaltet werden soll? Das hängt ganz von der Ausgestaltung ab. Sicher ist nur, dass die Mineralölsteuer aufs Tanken weiterhin den Löwenanteil der Verkehrseinnahmen ausmachen wird. Sie bringt zurzeit knapp 50 Milliarden Euro pro Jahr. Dazu kommt die Kfz-Steuer mit rund zehn Milliarden.

Mehr als genug, sagen die Maut-Gegner und rechnen wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung vor, dass deutsche Autofahrer schon heute mehr als das Vierfache an Abgaben bezahlen, als in den Verkehrssektor zurückfließt. Bei ausländischen Pkw beträgt die Kostendeckung immerhin 195 Prozent. Ihre alte Forderung, die Einnahmen aus Kfz- oder Mineralölsteuer "zweckgebunden" zu verwenden, wird sich aber auch mit der Maut nicht erfüllen: Für den Haushalt gilt das Prinzip der Gesamtdeckung - alles in einen Topf.