Um die Engpässe bei Halbleitern zu beseitigen, sollen weltweit rund 50 neue Fabriken gebaut werden. Ein Schwerpunkt dabei ist Europa. Und während die Autohersteller über die aktuelle Situation klagen, können sich andere über gute Aufträge freuen.
Stuttgart - Während die einen über Lieferengpässe bei elektronischen Bauelementen klagen, freuen sich andere aus eben diesem Grunde über gute Geschäfte. Die einen – vor allem die Autohersteller – haben zeitweise sogar Kurzarbeit beantragt, weil Komponenten für die Fertigung von Autos fehlen. Weltweit rund 3,9 Millionen Autos könnten in diesem Jahr aufgrund des Chipmangels nicht von den Bändern laufen, schätzen die Experten der Unternehmensberatung Alix Partners. Von dem Mangel sind aber nicht nur Autos betroffen, sondern auch Haushaltsgeräte oder elektronische Geräte. Denn Entwicklungen wie das Mobilfunknetz 5G, Künstliche Intelligenz oder Smartphones sind gespickt mit elektronischen Winzlingen.
Zu den anderen – salopp gesagt: zu den Profiteuren – gehören Unternehmen wie Exyte in Stuttgart, Trumpf in Ditzingen, Zeiss in Oberkochen oder EBM Papst in Mulfingen. Es sind baden-württembergische Traditionsfirmen, die komplexe Halbleiterfabriken planen und entwickeln (Exyte), die für eine reine Luft sorgen (EBM Papst) oder deren Technologie im Produktionsprozess der elektronischen Winzlinge gebraucht wird (Trumpf, Zeiss).
50 neue Fabs
Die massiven Engpässe bei elektronischen Bauelementen wurden augenscheinlich, als in Pandemiezeiten die Verbraucher etwa in moderne Haushaltsgeräte investierten und Unternehmen in die Digitalisierung – und gleichzeitig die Autokonjunktur anzog. Dabei waren die Halbleiterfabriken, die sich vor allem in Südostasien und in den USA befinden, bereits „vollständig ausgelastet“, erläutert eine Exyte-Sprecherin. Teilweise habe es sogar Produktionsrückstände von mehreren Monaten gegeben, fügt sie hinzu.
Die Halbleiterhersteller haben reagiert. Exyte (früher: MW Group) rechnet in den nächsten fünf Jahren mit dem Bau von bis zu 50 neuen Werken – Experten sprechen von Fabs – oder Fabrikerweiterungen, um den steigenden Bedarf zu decken. Zur Einordnung: Weltweit gibt es etwa 800 solcher Chipfabriken, 170 davon in Europa. Anders als in Südkorea sind die Werke in Europa relativ klein, deshalb steht die Region auch nur für etwa zehn Prozent der weltweiten Halbleiterkapazitäten.
Hohe Investitionen
Der Bau neuer Fabriken ist teuer. Denn eine neue Halbleiterfabrik kostet – abhängig von der Region und der Technologie – zwischen einer und 15 Milliarden Euro, schätzt die Exyte-Sprecherin. Zudem ist es ein langwieriger Prozess. Die Dauer vom ersten Gespräch bis zur Inbetriebnahme einer Fabrik kann, abhängig von der Region und der Technologie, zwischen 18 und 24 Monaten betragen, rechnet die Sprecherin vor. In Europa dauere es dabei eher länger. Kein Wunder also, dass Analysten davon ausgehen, dass bestimmte Chips weitere zwei bis drei Jahre knapp sein werden.
Wenn es um neue Fabriken geht, ist Europa vorne mit dabei. Die EU hat nun viel Geld zur Verfügung gestellt, um die Abhängigkeit von fernen Ländern zu reduzieren. „Wir führen gerade Projekte in Deutschland und anderen europäischen Ländern aus“, erläutert die Exyte-Sprecherin. Details nennt sie nicht – „wegen bestehender Vertraulichkeitsvereinbarungen mit unseren Kunden“. Fest steht aber: Große Halbleiterprojekte verfolgt Exyte in Irland und Österreich. Auch in Deutschland wird gebaut – so steht der Zulieferer Bosch kurz vor der Inbetriebnahme seiner neuen Chipfabrik in Dresden. Zudem steht ein Rechenzentrumauftrag in Dänemark in den Büchern von Exyte.
Umsatzsprung um 75 Prozent
Dass es sich dabei um Aktivitäten in beachtlichem Umfang handelt, machen die Zahlen deutlich: Im vergangenen Jahr ist der Europa-Umsatz von Exyte um sagenhafte 75 Prozent auf 2,4 Milliarden Euro in die Höhe geschnellt. Weltweit hat der Stuttgarter Konzern 4,1 Milliarden Euro umgesetzt (plus fünf Prozent) – ein Rekordwert. Trotz Corona ist es „ein bemerkenswert erfolgreiches Jahr für uns“, freut sich denn auch Exyte-Chef Wolfgang Büchele. Zur Einordnung: Der Anteil von Exyte kann bis zu 20 Prozent an der Gesamtinvestition einer Chipfabrik betragen. Es sind aber nicht nur Halbleiterfabriken, die Exyte groß gemacht haben. Die Stuttgarter sind auch gut im Geschäft bei Produktionsstätten für Batteriezellen, Fotovoltaik oder Impfstoffe – allesamt Aktivitäten, die derzeit gefragt sind.
Nicht nur Exyte profitiert von Chipboom, sondern auch Unternehmen wie Trumpf, Zeiss und EBM Papst. So rüstet EBM Papst etwa Reinräume mit Ventilatoren aus. Konkreter will der Sprecher nicht werden. Die Geschäfte scheinen aber gut zu laufen. Auch bei Trumpf und Zeiss läuft es rund. Der Werkzeugbauer und der Optikkonzern haben eine Technologie entwickelt, die einzigartig auf der Welt ist: die EUV-Lithografie. EUV steht für extrem ultraviolett, es ist ein Licht mit einer extrem kurzen Wellenlänge. Mit solchen Maschinen, die mittlerweile in den ersten hochmodernen Chipfabriken stehen, können noch leistungsfähigere, energieeffizientere und preiswertere Chips hergestellt werden – wie sie eben Smartphones und automatisiert fahrende Autos benötigen.
Gefüllte Auftragsbücher
Trumpf ist dabei für Laser, Zeiss für die Optik zuständig. Beide Firmen halten sich eher bedeckt, was die Erfolge angeht – sie beliefern mit ihrer Technik den börsennotierten Technologiekonzern ASML in den Niederlanden, der sie vermarktet. Die Niederländer erwarten, dass sie die Produktion von 31 EUV-Maschinen im Jahre 2020 auf 40 in diesem Jahr und auf 56 bis 2023 ausweiten werden. Im Schnitt kostet die neueste Generation einer solchen Maschine 270 Millionen Euro. Positiv ist dabei: Zeiss hat zuletzt mehr als 450 Mitarbeiter im Bereich Halbleiter eingestellt. Weitere 300 Beschäftigte werden gesucht.