Gericht verhängt neben zweijähriger Haftstrafe vierjähriges Berufsverbot. Angeklager erscheint erneut nicht.
Zweieinhalb Jahre Gefängnis und vier Jahre Berufsverbot: So lautete das Urteil bei einem Verfahren wegen Veruntreuung von Mandantengeldern gegen einen 60-jährigen Rechtsanwalt am Freudenstädter Amtsgericht. Der Prozess blieb bis zuletzt – es waren ein halbes Dutzend Verhandlungstage angesetzt – bizarr. Dass der Angeklagte erneut nicht vor Gericht erschien, geriet eher zur Nebensache.
Freudenstadt - "Ich übertreibe sicher nicht, wenn ich sage, so einen Prozess noch nicht erlebt zu haben", sagte Oberstaatsanwalt Christoph Kalkschmid in seinem Plädoyer. Der Angeklagte habe permanent versucht, sich dem Prozess zu entziehen. Zur Last gelegt wurden dem Anwalt zwei "große Komplexe". Da sei einmal der Hausverkauf im Jahr 2018 in Singen. Der Angeklagte habe seinerzeit die Immobilie einer 91-jährigen Witwe, von der er eine Generalvollmacht erhalten habe, für lediglich 60.000 Euro an seine eigene Frau verkauft. Tatsächlich seien Haus und Grundstück aber 310.000 Euro wert gewesen.
Stadt Singen verhinderte Verkauf
Zudem habe ihm die Witwe keinen Auftrag zum Verkauf gegeben. Die Abwicklung sei lediglich verhindert worden, weil die Stadt Singen Wind davon bekam und von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machte – zu dem Preis des geschätzten Werts.
Beim zweiten Komplex handelte es sich um eine Erbangelegenheit eines in Thailand lebenden Mandanten. Der angeklagte Rechtsanwalt habe in diesem Fall 300.000 Euro erhalten, die er ohne Verzögerung hätte weiterleiten müssen. Doch stattdessen habe der Angeklagte dies immer wieder hinausgezögert und dann lediglich in Raten bezahlt. In Wahrheit habe der Angeklagte das Geld eingesetzt, um eigene Rechnungen zu begleichen. Um den Großteil des Geldes an den Mandanten zurückzuzahlen, habe der Angeklagte Schulden aufnehmen müssen. Die Forderung der Staatsanwaltschaft: Drei Jahre Haft und fünf Jahre Berufsverbot.
Anwalt sprach kein einziges Mal mit seinem Verteidiger
In seinem Schlussplädoyer räumte der Pflichtverteidiger des Anwalts ein, nichts, aber auch gar nichts Entlastendes für seinen Mandanten ins Feld führen zu können. Auch berichtete er, dass der Angeklagte nicht ein einziges Mal mit ihm gesprochen habe. Er habe keine Informationen, was er zur Entlastung vortragen solle.
Richter Graf-Frank schloss sich in seinem Urteil im Wesentlichen den Ausführungen des Staatsanwaltes an, blieb im Strafmaß knapp unter dessen Forderungen. Er sagte, es sei "von einer negativen Prognose auszugehen". Zwar habe der über 60-Jährige erklärt, er wolle als Anwalt in Rente gehen, "doch faktisch sieht das anders aus". Seine finanzielle Situation habe sich nicht verändert, es sei zu befürchten, dass er Fremdgelder, die seinen Mandanten zustehen, weiterhin zur Tilgung eigener Verbindlichkeiten missbrauchen könnte – daher auch das vierjährige Berufsverbot.