Nicht zu schlagen: Julian Alaphilippe jubelt über seinen Sieg im Zielsprint von Mailand-Sanremo. Foto: Velo

Julian Alaphilippe ist auf dem besten Weg, Peter Sagen als den Superstar des Radsports abzulösen. Seinen Sieg in Sanremo errang er aber vor allem dank der Hilfe seines außergewöhnlichen Teams, über das es in der Vergangenheit immer wieder Dopinggerüchte gab.

Sanremo - Zum „d’Artagnan des Radsports“ ernannte ihn die „Gazzetta dello Sport“ nicht nur wegen seines Bärtchens, das an frühere Helden aus der Mantel- und Degen-Ära erinnert. Sondern auch, weil Julian Alaphilippe (26) immer öfter genau dann zusticht, wenn es drauf ankommt. Und wenn es seinen Konkurrenten besonders weh tut. Am Samstag holte sich der Franzose in bravouröser Manier den ersten Triumph bei einem der fünf Monumente, wie die prestigeträchtigsten Klassiker genannt werden. Sie sind für Radprofis in etwa so wertvoll wie die Juwelen der Königin für einen Musketier. Drei Mal war Alaphilippe schon nahe dran, als Zweiter bei Lüttich– Bastogne–Lüttich und der Lombardeirundfahrt sowie 2017 als Dritter bei Mailand– Sanremo, dem Rennen, das er nun gewonnen hat.

Deceuninck-Quick Step kontrolliert das Rennen

Voraussetzung für seinen Sieg war eine beeindruckende Leistung des Teams Deceuninck-Quick Step. Über 200 Kilometer hatte der Belgier Tim Declercq das Feld zusammengehalten und den Rückstand auf die Ausreißergruppe des Tages kontrolliert. Er war so etwas wie der Porthos unter den Musketieren, der Kraftprotz. Am entscheidenden Anstieg zum Poggio übernahmen in der Rolle von Athos und Aramis die Teamkollegen Philippe Gilbert und Zdenek Stybar. Sie legten ein Tempo vor, das das Feld förmlich explodieren ließ. Sie kannten nicht einmal Gnade für ihren Teamkollegen Elia Viviani. Er war als Co-Kapitän ins Rennen gegangen, musste aber, wie die meisten anderen Sprinter, dem hohen Tempo Tribut zollen. Für eine Figur wie Viviani hätte allerdings selbst Musketier-Autor Alexandre Dumas an diesem Tag keinen Platz gefunden.

Die letzten Akzente setzte dann der neue Star selbst. Alaphilippe, der einst auf dem Mountainbike begonnen hatte und 2017 Bergkönig der Tour de France war, beschleunigte an der Spitze des Poggio derart, dass nur eine gute Handvoll Fahrer folgen konnte. Im Sprint auf der Via Roma in Sanremo setzte er sich dann klar durch.

Alaphilippe ist uneingeschränkter Chef des Teams

Was nur zeigte: Der Musketier ist zum Chef des „Wolfsrudels“ aufgestiegen. Als ein solches pflegt Rennstallchef Patrick Lefevere seine Fahrer gern zu bezeichnen, als gefährliche Raubtiere also, die bei ihren Beutezügen aber kollaborieren. Besonders die belgischen Klassikerrennen dominieren sie, und auch diese Saison hat Quick Step schon wieder 19 Siege eingefahren. Neu ist, dass die „Wölfe“ schon sehr früh einen der Ihren regelrecht opferten. Mit-Wolf Viviani ließen sie keine Chance, seine Schnelligkeit auf der Via Roma auszuspielen. „Na und“, sagte Davide Bramati, der Sportliche Leiter des Rennstalls, hinterher spitz, „die anderen Sprinter habe ich auch nicht vorn gesehen. Es war der Plan, und den hat das Team perfekt umgesetzt.“

So perfekt, dass auf dem Poggio die zweitbeste jemals gestoppte Zeit erreicht wurde – 5:50 Minuten. An solche Werte kamen die Radprofis selbst in den Hochzeiten des Epo-Dopings nur sehr selten heran. Den absoluten Rekord legte 1995 Laurent Jalabert mit 5:46 hin, drei Jahre später brauchte Alberto Elli 5:51, im Jahr 2000 Davide Rebellin 5:56 Minuten. Alle drei wurden später des Dopings überführt. Unter sechs Minuten blieb in jüngerer Zeit nur die Podiumsbesetzung von 2017. Für Sieger Michal Kwiatkowski (diesmal Dritter) sowie seine Begleiter Peter Sagan (damals Zweiter, diesmal Vierter) und Alaphilippe wurden 5:55 Minuten gestoppt. Eine Erklärung für die famose Kletterleistung gab Alaphilippe nicht ab. Er verwies nur auf die tolle Teamunterstützung über die ersten zwei Drittel des Anstiegs, und darauf, sich selbst die Kraft gut eingeteilt zu haben.

Team mit Dopingvergangenheit

In Dopingverdacht geriet sein Arbeitgeber Quick Step in der Vergangenheit übrigens mehrfach. Johan Museeuw, von 1994 bis 2004 im Team, gab nach seinem Karriereende Doping zu. Auch der deutsche Profi Patrik Sinkewitz wies auf Doping in seinen Zeiten bei Quick Step (2003 – 2005) hin. Oberwolf Lefevere keilte dann über seine Anwälte zurück und stoppte die negativen Schlagzeilen.

Jetzt hat sein Rudel eine lange währende Schmach getilgt. 13 Jahre lang, seit dem Sieg von Filippo Pozzato 2006, wartete der Klassiker-Rennstall auf einen Erfolg in Sanremo. Alaphilippe, mit sieben Siegen erfolgreichster Fahrer der laufenden Saison, beendete diese Periode. In den nächsten Wochen gehen die „Wölfe“ bei den belgischen Klassikern auf die Jagd.