Bewegende Worte sind am Montagabend vor dem Rathaus gesprochen worden. Ob sie etwas gegen den Krieg in der Ukraine bewegen werden? Die Redner meinen: Ja. Zusammenstehen sei das Gebot der Stunde.
Albstadt-Ebingen - "Alle Diktatoren dieser Welt" fürchteten den Einsatz für Demokratie, Freiheit und Menschenrechte, sagt Oberbürgermeister Klaus Konzelmann und blickt auf mehrere Hundert Menschen aus Albstadt und Umgebung, die genau diesen Einsatz zeigen.
Zur Mahnwache für die Menschen in der Ukraine haben sie sich vor dem Rathaus versammelt, sind einem Aufruf zahlreicher sozialer und karitativer Organisationen, Parteien, Gewerkschaften und der christlichen Kirchen gefolgt, tragen Blau und Gelb, die ukrainischen Farben, und beziehen Stellung gegen den Angriffskrieg des russischen Präsidenten Wladimir Putin. "Verhindert es die Bomben? Das Elend? Den Tod?" fragt Andrea Lutz von der Caritas, die zusammen mit SPD-Stadträtin Lara Herter den Abend eröffnet. "Nein." Doch es gehe um das Zueinanderstehen.
"Das Großmachtsstreben eines einzelnen Mannes"
Lara Herter nennt den Grund des Krieges beim Namen: "das Großmachtsstreben eines einzelnen Mannes" – und sie bekräftigt: "Wir stehen unverrückbar an der Seite der Ukraine." Andrea Lutz erinnert daran, "wie groß der Mut der Menschen in Russland sein muss", die gegen den Krieg demonstrierten, und betont, wie wertvoll es doch sei, in einem freien Land zu leben und demonstrieren zu dürfen – wenngleich manche das aus abstrusen Gründen täten.
Konzelmann: Nur gemeinsam können wir Leid lindern
Klaus Konzelmann – der groß gewachsene Oberbürgermeister steht mit besonders aufrechter Haltung auf der Bühne – verurteilt den "Angriff auf Freiheit, Demokratie und Menschenrechte" und ruft alle auf, zu helfen: "Nur gemeinsam können wir einen Teil des Elends lindern", nur gemeinsam könne man "diesem machtgierigen Mann im Kreml das Zepter des Todes aus der Hand reißen".
Michael Föst, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Albstadt, spricht für die "Gewerkschaften als Teil der Friedensbewegung" und fordert "offene Grenzen für alle, die vor dem Krieg flüchten". Der werde auch "an uns nicht vorrübergehen", sagt Föst mit Blick auf die "scharfen Sanktionen". Daher müssten sich "Reiche und Superreiche stärker an der Finanzierung unseres Gemeinwesens beteiligen".
Gneiting: Mit dem Leiden wächst die Leidensbereitschaft für Freiheit und Frieden
Markus Gneiting, evangelischer Pfarrer in Pfeffingen und Burgfelden, spricht als Vertreter des Arbeitskreises Asyl, der nun mit veränderten Vorzeichen wieder auflebt. "Das Leiden der Menschen in der Ukraine wird Tag für Tag größer, aber auch deren Leidensbereitschaft für ein freies Land und Frieden." Die Solidarität, für die er allen Anwesenden dankt, wünscht er sich als grundsätzliche "innere Haltung" zur Unterstützung der Schwächeren. Frieden und Sicherheit seien mehr als Rüstungsinvestitionen: "Wir als AK Asyl investieren in Menschen, Chancen zum Leben und Teilhabe an einem gesellschaftlichen Miteinander in Frieden." Die Geflüchteten – "fast verrückt vor Sorge um ihre Familienangehörigen" – brauchten Schulen, Kindergärten, Wohnungen und Unterstützung im Alltag.
Nachdem Hedi Abel von Amnesty International Albstadt aus der Charta der Menschenrechte vorgelesen hat, zitiert der katholische Pfarrer Hans-Joachim Fogl aus Tailfingen aus Appellen von Papst Franziskus, der "nachdrücklich" dafür plädiert hat, "dass die humanitären Korridore wirklich gesichert werden", allen gedankt hat, die Flüchtlinge aufnehmen, vor allem aber "flehentlich um ein Ende der bewaffneten Angriffe" gebeten hat.
Fogl zitiert Papst Franziskus und dankt mutigen Journalisten
Mit Nachdruck verliest Fogl den Dank des Heiligen Vaters an Journalisten, die ihr Leben aufs Spiel setzten, um Informationen zu liefern – "ein Dienst, der es uns ermöglicht, die Grausamkeit eines Krieges zu beurteilen".
"Im Namen Gottes bitte ich euch: Stoppt dieses Massaker!" – diesem Aufruf des Papstes schließt sich auch Wladislaw Gerschanik an. Der Ukrainer ist in die Farben seines Landes gehüllt, berichtet von seiner Mutter, die seit Tagen in der Badewanne schlafe, weil das bei Angriffen ein bisschen mehr Schutz biete.
Wladislaw Gerschanik: "Deutschland könnte mehr tun"
Gerschanik ist "sehr dankbar für die Bereitschaft zur Hilfe; sie kommt an", betont er, der selbst als ehrenamtlicher Mitarbeiter der Caritas Schwarzwald-Alb-Donau mithilft, die vielen Hilfsaktionen, die auch Konzelmann beeindruckt würdigt, zu koordinieren. Wenngleich er sagt: "Deutschland könnte mehr tun für die Ukraine." Und: Den Aggressor zu befriedigen, sei der falsche Weg.
Für jene, die schon gefallen sind, ruft Lara Herter zu einer Gedenkminute auf, und als ihr Schwager, der Pianist Wolfgang Fischer, die Ukrainische Nationalhymne spielt, läuft es wohl manchem, trotz einer warmen Kerze in der Hand, eiskalt den Rücken herunter. Der junge Paul Weiger aus Nusplingen indes schwenkt seine ukrainische Fahne, inzwischen in der Dunkelheit, die nicht nur von Kerzen erleuchtet wird: Ein Licht der Hoffnung, dass die Solidarität vieler etwas bewirkt, leuchtet ebenfalls.
Kommentar: Verpasst!
Von Karina Eyrich
Wo waren sie, die manchmal 1000, die auch schon 2000 Impfgegner, die allwöchentlich sonntags in Albstadt für Frieden, für Freiheit und gegen Diktatur demonstrieren? Am Montagabend hätten sie eine perfekte Gelegenheit gehabt, sich für jene einzusetzen, die tatsächlich unter Krieg, Unterdrückung und Diktatur leiden: die Menschen in der Ukraine und die Millionen, die von dort flüchten. Für sie und vor allem für die Ukrainer, die inzwischen in der Region Albstadt Zuflucht gefunden haben, wäre jeder Mann, jede Frau zusätzlich auf dem Platz vor dem Rathaus ein weiteres Zeichen gewesen, dass Europa zu ihnen steht – ein Zeichen, das den unglaublich großen Mut der Ukrainer befeuert, die mit allen Mitteln ihr Land und ihre Freiheit verteidigen. Von deren Haltung gegen eine – echte – Diktatur könnten sich manche eine ganz dicke Scheibe abschneiden.