Gegen Rechtsextremismus und AfD, für die Demokratie: Am Wochenende sind erneut Tausende Menschen in Baden-Württemberg auf die Straße gegangen, auch in der Hesse-Stadt, wo sich am frühen Sonntagabend rund 1000 Menschen auf dem Marktplatz versammelten.
Der Auslöser für die bundesweiten Proteste: Enthüllungen des Recherchezentrums „Correctiv“ über ein Treffen von radikalen Rechten Ende November, an dem AfD-Politiker sowie Mitglieder der CDU und der konservativen Werteunion in Potsdam teilgenommen hatten. Martin Sellner, der frühere Kopf der als rechtsextrem eingestuften Identitären Bewegung in Österreich, hatte dort nach eigenen Angaben über „Remigration“ gesprochen. Wenn sie den Begriff verwenden, meinen Rechtsextremisten damit, dass eine Vielzahl an Menschen ausländischer Herkunft Deutschland verlassen soll – und sei es unter Zwang.
Keine Alternative für Deutschland „Dem Ungeist mutig entgegentreten! Für Demokratie und Menschenrechte! Gegen Rassismus und Ausgrenzung!“ Unter diesem Motto hatte Initiator Thomas Allmendinger zur der Mahnwache aufgerufen. „Es wird Zeit, dass die schweigende Mehrheit aufsteht“, sagte er vor dem Rathaus, wo ein Lichterkreis auf dem Boden das Rednerpult einrahmte. Allmendinger sieht weitere Veranstaltungen dieser Art als notwendig an und kündigte diese quasi am Sonntagabend an. Es gelte, weiter wachsam zu bleiben, hin- und zusammenzustehen. Im Fokus der Abschiebefantasien stünden Asylsuchende, Menschen mit Bleiberecht und weitere Geflüchtete sowie Menschen, die sich nicht assimilieren, also nicht anpassen. Protestwähler und Unentschlossene müssten die Augen aufmachen, der AfD der Nährboden entzogen werden. „Die AfD kann niemals eine Alternative für Deutschland sein“, so Allmendinger.
Signal aus der Mitte der Gesellschaft Dekan Erich Hartmann sieht die Demokratie derzeit so gefährdet wie noch nie seit der Gründung der Bundesrepublik. Mit Blick auf die Kommunal- und Europawahl am 9. Juni sei es fünf vor Zwölf. Mahnwachen wie die in Calw und andernorts seien ein starkes Signal aus der Mitte der Gesellschaft. In Kirche, Familie, Sport oder Vereinen müssten die Menschen den Mund aufmachen und nicht verschämt wegschauen.
Appell für demokratische Werte
Oberbürgermeister Kling freute sich, dass rund 1000 Menschen aus Calw und umliegenden Gemeinden auf den Marktplatz gekommen waren. „Uns ist nicht egal, was mit diesem Land passiert“, rief er in die Menge und bekam wie seine Vorredner mehrfach viel Applaus. Der Rathauschef hatte bereits ein klares Zeichen gegen Extremismus gesetzt, indem er als einer der ersten und gemeinsam mit 30 weiteren Oberbürgermeistern aus Baden-Württemberg einen „Appell für demokratische Werte in unseren Städten und gegen extremistisches Gedankengut“ unterzeichnet hatte. Er ermutigte die Zuhörer auf dem Marktplatz, ebenfalls klar Kante gegen Rechts zu zeigen und sich für eine demokratische Zukunft und ein friedliches Zusammenleben – auch in Calw – einzusetzen.
Mutige Calwer Bürgerin Für ihren Mut, vor so zahlreichen Menschen zu sprechen und deutliche Worte zu wählen, wurde Dorothee Schäfer belohnt. Sie ergriff als Calwer Bürgerin das Wort, nahm Protestwähler und Unentschlossene in den Fokus. Die AfD sei ein großer brauner Käfer, der es mit seinen klebrigen Beinen leicht habe, sich an den Menschen festzuhaken, die mit der derzeitigen politischen und wirtschaftlichen Lage im Land unzufrieden seien. Sie wolle mahnen, unentschlossene Wähler wachrütteln: „Es gibt keinen Grund, diese Partei zu wählen“. Jeder, der seine innere rote Linie überschritten sehe, brauche nur Nein zu sagen – anstatt wegzusehen, zu schweigen oder Ausflüchte zu suchen.
Entsetzt und traurig – aber auch froh und dankbar „Liebe Zeichensetzende“ – so begrüßte Bertram Bolz, Diakon bei der Katholischen Seelsorgeeinheit Calw-Bad Liebenzell, die Menschen auf dem Marktplatz. Er verspüre zum einen tiefes Entsetzen und Trauer, dass ein solches Treffen überhaupt notwendig sei. Zum anderen sei er aber froh, stolz und dankbar über die zahlreichen Teilnehmer an der Mahnwache, die ein Zeichen für Demokratie, Pluralismus und Weltoffenheit zeigten.