Stuttgart - Seit neun Monaten ist Volker Breid Chef der Motor Presse Stuttgart – jetzt erweitert er die Geschäftsführung. Im Interview sagt Breid, was sich in seinem Haus ändert, wie er im Internet Geld verdienen will und warum er nachts nicht schlafen kann.

Herr Breid, was machen Sie, wenn Sie nachts nicht schlafen können?
Wenn ich nachts aufwache und nicht mehr einschlafen kann, dann fange ich an zu lesen. Das kommt leider ziemlich oft vor.

Hat das mit den Nachrichten aus der Branche zu tun? „Frankfurter Rundschau“ und dpad sind insolvent. „Financial Times Deutschland“ (FTD) und andere Blätter Ihres Mehrheitsgesellschafters Gruner + Jahr machen dicht.
Nein. Ich nehme diese Themen wahr, und sie lassen mich auch nicht kalt. Aber sie halten mich nicht vom Einschlafen ab.

Werden Sie nun „FTD“-Redakteuren einen Job bei der Motor Presse anbieten?
Ich wollte mich tatsächlich einmal schlaumachen, welche Möglichkeiten wir da haben. Die „FTD“ hat immer sehr kenntnisreich über die Autobranche berichtet.

Für wie viele Redakteure würde Ihr Budget denn reichen?
Bei uns wachsen die Bäume auch nicht in den Himmel. Wenn es da überhaupt eine Chance gibt, würden wir nur von einer ganz kleinen einstelligen Zahl sprechen.

Zumal auch Sie mit sinkenden Auflagen kämpfen. Ihr Flaggschiff „Auto Motor und Sport“ hat im dritten Quartal gegenüber dem Vorjahreszeitraum 6,3 Prozent verloren, die Abozahlen gingen um sieben Prozent runter.
Diesen Trend kann man leider im gesamten Markt beobachten. In Europa sind in guten Zeiten 17,5 Millionen Autos im Jahr verkauft worden. Heute sind es gerade mal zwölf Millionen. Wenn sich die Menschen weniger mit dem Thema Autokauf beschäftigen, hat das Auswirkungen auf die Auflagen von Autozeitschriften. Außerdem verändert sich die Einstellung der Menschen zum Auto. Das betrifft vor allem die Jüngeren, die in Städten leben. Sie wollen Autos nicht mehr unbedingt besitzen, nur noch nutzen. Darum gibt es immer mehr Carsharing-Modelle. Dass wir unsere journalistischen Produkte immer noch besser machen können, steht außer Frage.

„Emotionale Hintergrundberichte wichtiger denn je“

Was könnte man besser machen?
Wir müssen die Vielfalt der journalistischen Darstellungsformen stärker nutzen. Das Thema Testen bleibt der Kern unseres Geschäfts. Daneben aber darf die Faszination Automobil nicht zu kurz kommen. Neben exzellenten Testberichten brauchen wir noch mehr Lesestücke, die hängen bleiben. Während die Aktualität bei Printmagazinen immer weiter in den Hintergrund tritt, sind emotionale Hintergrundberichte wichtiger denn je.

Inwiefern beeinflusst die politische grüne Welle in Baden-Württemberg und der Landeshauptstadt Ihre Arbeit und Leserschaft? Die Grünen sind ja nicht gerade bekannt für ihre erotische Beziehung zum Auto.
Das macht unsere Arbeit nicht unbedingt leichter. Wir müssen es schaffen, die aktuell relevanten Themen auf spannende Art aufzugreifen – und das tun wir auch. Aber es ist sicher nicht immer einfach, mit Inbrunst über E-Mobilität zu schreiben, wenn man mit dem Sound von Verbrennungsmotoren aufgewachsen ist.

Wann kommt der erste eigenständige E-Auto-Titel?
Im vergangenen Jahr gab es 4500 bis 5000 zugelassene Elektroautos. Also ist es noch zu früh für einen eigenständigen Titel.

Einige Ihrer Ausgaben wie „Auto Motor und Sport“ gibt es auch als App für Smartphones oder Tablet-Computer. Wie entwickelt sich das digitale Geschäft?
Bei „Auto Motor und Sport“ verkaufen wir pro Ausgabe knapp 7000 digitale Exemplare. Die Zuwachsraten sind ordentlich. Ich glaube, dass die mobilen Endgeräte für die Verlage wirklich eine Chance sind, weil die Menschen es dort gewohnt sind zu bezahlen. Wir müssen an der Stelle aber schneller agieren. So viel Zeit lässt uns das rückläufige Printgeschäft womöglich nicht mehr.

Springer-Chef Mathias Döpfner fordert die Verlage auf, sich zu solidarisieren und im Netz nur noch Bezahl-Inhalte anzubieten. Ist das realistisch?
Nein. Es wird nicht überall funktionieren, im stationären Internet flächendeckend Bezahlschranken einzurichten. Das stationäre Internet verliert aber ohnehin an Bedeutung. Die Internetnutzung wird mobil. Die Zuwachsraten bei Smartphones und Tablets sind so gigantisch viel höher als im stationären Internet. Wir machen zum Beispiel sehr gute Erfahrungen mit der Personal-Trainer-App von „Men’s Health“. Die ist jetzt seit drei Monaten auf dem Markt, und wir zählen 100.000 Downloads. Dort ist ein gewisser Anteil an Übungen frei und für die wirklich exklusiven Inhalte zahlt der Nutzer 4,99 Euro. Dort zählen wir bisher 15.000 Downloads.

Machen Sie die Übungen auch selbst?
Meine Frau würde wahrscheinlich sagen, dass ich das tun sollte. Mir genügt bisher das gute Gefühl, dass ich es jederzeit könnte. (Lacht)

Wie ist Ihre Stimmung, wenn Sie an den Umsatz denken, den Sie aktuell im digitalen Bereich machen?
Ganz gut. In den Geschäftsbereichen Events und Digitales machen wir rund 18 Prozent des Gesamtumsatzes, wobei etwa die Hälfte auf das digitale Geschäft entfällt. Wir sind dort noch nicht ganz zweistellig, aber auf einem sehr guten Weg.

„In Deutschland schlagen wir uns sehr wacker“

Wie schlägt sich die Krise in Ihren Zahlen nieder?
In Deutschland schlagen wir uns sehr wacker. Im internationalen Geschäft leiden wir aktuell unter der Euro-Krise, vor allem in unseren beiden ausländischen Hauptmärkten Frankreich und Spanien. Insgesamt werden wir im Ausland rund acht Prozent Umsatz einbüßen, in Spanien sind es sogar 15 Prozent.

Sind diese Probleme der Grund für die Umstrukturierung des Managements in Ihrem Auslandsgeschäft – also bei Motor Presse International?
Nein. Die Neuordnung der Führungsverantwortung wurde notwendig, weil Maike Schlegel, die bisherige Geschäftsführerin von Motor Presse International, zum 1. Januar 2013 in die Unternehmensentwicklung der Bertelsmann AG wechselt.

Und wer wird Maike Schlegels Nachfolger?
Von 2013 an werde ich gemeinsam mit Henry Allgaier die Geschäfte im Ausland führen. Henry Allgaier ist bisher Leiter des Geschäftsbereichs Sport und Lifestyle und Geschäftsführer des Joint Ventures Rodale-Motor-Presse. Wir machen das künftig zu zweit, weil das digitale Geschäft von Anfang an viel internationaler gedacht werden sollte. Wir müssen in allen Märkten auf den gleichen technologischen Systemen arbeiten, damit wir Inhalte viel schneller international ausrollen können.

Und was ändert sich in Deutschland?
Norbert Lehmann wird mit sofortiger Wirkung zum CFO – also zum Finanzchef – der Motor Presse Stuttgart und damit neben mir zu einem weiteren Geschäftsführer. Er ist bisher schon Leiter des Geschäftsbereichs Finanzen und IT und wird künftig darüber hinaus direkt für die Finanzen der internationalen Tochterunternehmen der Motor Presse Stuttgart zuständig sein.

War das Ihre Idee, oder wollten das die Gesellschafter?
Es ist mein Job als Geschäftsführer, mir solche Gedanken zu machen, wenn ein leitender Mitarbeiter geht. Ich habe den Gesellschaftern einen Vorschlag gemacht, und dem sind sie gefolgt.

„Im Ergebnis werden wir auf Vorjahresniveau herauskommen“

Mit welchen Zahlen werden Sie dieses Geschäftsjahr abschließen?
Das Anzeigengeschäft war schwierig dieses Jahr. Aber ich glaube, dass wir Glück haben und 2012 den Umsatz im Inland einigermaßen stabil halten können, weil sich das digitale Geschäft gut entwickelt und wir mit dem Launch von „Women’s Health“ eine der erfolgreichsten Markteinführungen der vergangenen Jahren verzeichnen. Im Ergebnis werden wir auch etwa auf Vorjahresniveau herauskommen.

Warum haben Sie dann eigentlich schlaflose Nächte?
Das liegt daran, dass ich häufig um 4.40 Uhr aufstehen muss. Und wenn ich weiß, dass ich so früh raus muss, schlafe ich schlecht.

Und was lesen Sie dann?
Den „Economist“ als Pflichtlektüre. Und zur wirklichen Entspannung ist das Fußball-Magazin „Elf Freunde“ aus meinem früheren Verlag für mich immer noch ein Genuss, wenn ich so richtig müde bin und nur noch schmunzelnd wieder einschlafen will.

Wie heißt denn Ihr Lieblingsverein?
Oh. Diese Information kann ich mir in Ihrer Zeitung nur ganz schlecht vorstellen.

Wo kommen Sie doch gleich ursprünglich her?
Ursprünglich aus Aschaffenburg, aber ich habe ja lange Zeit in München gewohnt.

Alles klar, Herr Breid.
In Manchester habe ich aber auch schon gelebt. (Lacht)