Der Pullunder ist zurück in der aktuellen Wintermode von Emporio Armani bei der Modewoche in Mailand. Foto: imago images/ZUMA Wire/Matteo Rossetti via www.imago-images.de

Die Krise als Chance: Angesichts der heruntergekühlten Büros steht einer Rückkehr der klassischen Männermode nichts mehr im Weg.

Das Reizvolle an der kalten Jahreszeit ist ja, dass die meisten Menschen notgedrungen etwas anziehen müssen. Das klingt zunächst banal, doch angesichts der heißen Sommer und der damit einhergehenden Neigung zur schamfreien Komplettentblößung jenseits der Schwimmbadzonen, kann man endlich aufatmen.

Mehr als eine schnöde Hülle

Oder auch nicht. Denn das Unerfreuliche an diesem Herbst und kommenden Winter ist allerdings, dass das Frieren wegen der hinlänglich bekannten Krisen staatlich verordnet wird – und selbst am Arbeitsplatz, vornehmlich in Büros, die Raumtemperaturen unter 20 Grad Celsius fallen sollen, um Energie zu sparen. Mode ist aber meist das Gegenteil von Krise und Zittern, Mode will mehr sein als eine schnöde Hülle zum Schutz des fellfreien Körpers.

Ächzende Slim-Fit-Hemden

Wer jemals acht winterliche Stunden in einem Großraumbüro mit anderen Gehaltsempfängern verbracht hat, der weiß, wie sehr die Kleidung der anderen nerven kann. Kunststoffklamotten, die müffeln. Super-Slim-Fit-Hemden und Schlauchkleider, deren Nähte bei jedem Atemzug ächzen. Oder auch diese Daunenungeheuer und Multifunktionsjacken für Himalaja-Expeditionen, die dermaßen laut rascheln, dass der Sitznachbar mit Tinnitus in den Feierabend wankt. Erschwerend kommt hinzu, dass jedes Büro Ausgänge besitzt, die ausgiebig von Raucherinnen und Rauchern frequentiert werden. Was in der Regel dazu führt, dass alle paar Minuten jemand seine Polyesterpelle mit viel Geknister überstreift, um auf den Balkon zu verschwinden. So etwas nennt man Lärmverschmutzung.

Grillplatzatmosphäre in Vorstandsetagen

Doch es gibt Hoffnung. Einen guten Kompromiss aus Zweckmäßigem und Stilvollem bietet seit je die klassische Herrenmode aus wertigen Materialien, die ihren Ursprung in den Kleiderschränken des gehobenen städtischen Bürgertums am Ende 19. Jahrhunderts hat. Jogginghosen waren damals unbekannt, wer Turnertrikots trug, der tat es auf den dafür vorgesehenen Sportplätzen und nicht am Arbeitsplatz wie heutzutage. Tatsächlich wird die Alltagsmode für Männer dieser Tage von der Sportindustrie dominiert, man trägt, was gemütlich und weich ist. Selbst in Vorstandsetagen herrscht Grillplatzatmosphäre, formelle Kleidung scheint bei Jüngeren verpönt zu sein. Wer kann es Büromenschen verdenken, dass sie selbst im Winter bei angenehm aufgeheizten Temperaturen in Strümpfen und im ausgeleierten T-Shirt auf ihre Tastaturen hämmern.

Zwiebellook gegen die Kälte

Ewiger Sommer? Von wegen. Mit dem Erkalten der Arbeitsplätze kommt die Erinnerung an vergessene Praktiken. Zum Beispiel der Zwiebellook, ein Evergreen der Selbstverkleidungskunst. Damit ist die Kombination mehrerer Bekleidungsschichten gemeint, um gegen wechselnde Bedingungen gewappnet zu sein. Angeblich wurde die Methode zuerst beim Wandern angewandt. Man zieht mehrere dünne Lagen übereinander – und bevor man ins Schwitzen gerät, entledigt man sich einer Schicht.

Fingerlose Handschuhe

Die Frage ist allerdings, wie viele Lagen man übereinander ziehen sollte, wenn man bei unmenschlichen 19 Grad Celsius über dem Gefrierpunkt den entbehrungsreichen Weg in die Kantine bewältigen muss? Drei Lagen? Mehr als zehn so wie eine dicke Speckzwiebel?

Glücklicherweise haben Modelabels wie Boss und Armani zeitig die Krisen antizipiert und einige Klassiker zitiert. Da wäre der unkaputtbare Wollmantel oder die zweireihige Caban-Jacke mit dem großen Kragen. Der Rollkragenpullover, am besten in Übergröße. Der Schal. Das Halstuch. Das Tweed-Sakko. Weiter geschnittene Hosen mit Bundfalten. Der Pullunder, den man – weil ärmellos – über dem Oberhemd und unter dem Jackett trägt. Fingerlose Handschuhe, wie sie früher der Gentleman am Lenker seines Roadsters überstreifte, die aber auch für die Arbeit am Computer sinnvoll sind.

Erinnerungen an die 20er Jahre

Das alles in gedeckten Farben, in Nebelgrau und Eisblau, weil es zur Stimmung passt und unempfindlich ist. Und bitte in Baumwolle oder Wolle, Letzteres gilt auch für die Krawatte. Alles kommt wieder, nur ein bisschen anders. Mit diesem Outfit wäre man auch im Wiener Kaffeehaus der 20er Jahre neben den gut gekleideten Literaten jener Zeit nicht unangenehm aufgefallen.

Was Männer jetzt warm hält

Mantel
Der lange Mantel steht aktuell hoch im Kurs, und man kann für die anstehende Saison sagen: je länger, desto besser. Viele Modelabels haben ihn auf ihren Schauen präsentiert. Ähnlich wie bereits bei der Wahl des Modells selbst, gibt es kein exaktes Maß dafür, wie lang ein langer Mantel sein muss, um als solcher zu gelten. Grundsätzlich entfaltet der Look allerdings erst dann seine Wirkung, wenn dieser über den Knien endet. Wer sich partout mit der Rückkehr der Klassiker nicht anfreunden will, darf auch den langen Mantel mit einem etwas edleren Jogginganzug kombinieren.

Rollkragenpullover
Ein Rollkragen, der nicht kratzt, ist perfekt für die kältere Jahreszeit im Büro. Am besten in Kombination mit einer Stoffhose oder einer dunklen Jeans. Dazu passt ein Trenchcoat. Wer es lässiger mag, greift zu einer Lederjacke.