Positiver Schub: Andreas Fischer (53), geschäftsführender Gesellschafter von Erfi. Foto: Blaß

"Elneos six" heißt das neue Gerätesystem von Erfi in Freudenstadt. Acht Patente meldete der Laborsystem-Hersteller aus Freudenstadt damit an. Die Erwartungen sind groß.

Freudenstadt - Die Firma Erfi zählt zu den bekanntesten mittelständischen Unternehmen in Freudenstadt. Der Hersteller hochmoderner Arbeitsplatzsysteme, Mess- und Prüfgeräte und Testsysteme ist dabei auch Treiber der digitalen Transformation. Andreas Fischer (53), geschäftsführender Gesellschafter, blickt zurück auf die Anfänge der Firma und spricht über die Herausforderungen durch Corona sowie Produktneuheiten des Hauses.

 

Herr Fischer, Erfi hat 1955 angefangen, Werkbänke zu produzieren, der Wandel ist enorm.

In der Tat sind wir von den reinen Werkbänken weit entfernt. Der Markt für Elektrotechnik hat sich über die Jahre stark weiterentwickelt. Die Arbeitsplätze wurden filigraner, sollten aufgeräumter wirken, die Messtechnik wurde integriert. Dies hatte auch Einfluss auf Erfi, sodass wir uns von einem Werkbank- zu einem Laborsystem-Hersteller mit eigener Kompetenz im Möbel- und im Elektronikgerätebau entwickelt haben.

Ist es richtig, dass Erfi ein Stück weit Vorreiter gewesen ist?

Ja. Ich würde sogar sagen, wir haben den Markt für Elektroniklaboreinrichtungen gegründet. Bereits in den 60er-Jahren wurden Elektronikgeräte entwickelt und gebaut. Damals ist man in den Markt der Netzteile, Multimeter, Leistungsmesser, Funktionsgeneratoren und vielen mehr eingetreten. In den 80er-Jahren haben wir in der Möbelproduktion vermehrt auf Aluminiumtechnik gesetzt. Erst dadurch wurde es möglich, Strom-, Wasser-, Gas- und Datenleitungen unsichtbar zu integrieren. Wir haben seitdem die Möbelsysteme in der Funktionalität und dem Design immer weiter perfektioniert.

Vor neun Jahren gab es einen weiteren Entwicklungsschritt, als sie mit einem neuen Gerätesystem für Schlagzeilen gesorgt haben…

Unsere Vision war es, das Smartphone der Messtechnik zu entwickeln. Das damals neue Gerätesystem "elneos five" besaß als erstes Gerätesystem weltweit eine kapazitive Glasbedienoberfläche. Dieses kombinierten wir mit dem ebenfalls neu entwickelten Möbelsystem "elneos connect". Die Kombination aus "Smartfurniture" und "Smartdevice" gab es vor neun Jahren noch nicht. Wir hatten das Glück, mit diesen neuen Produkten den Nerv der Zeit zu treffen.

Seit Kurzem gibt es den Nachfolger »elneos six«. Was ist daran neu?

Bei der Entwicklung haben wir uns die Frage gestellt: Wie kann der nächste Schritt aussehen? Was wird auch 2030 noch den Markt prägen? Und was wird erneut einen positiven Schub auslösen? Herausgekommen ist dabei das Gerätesystem "elneos six" mit einem einzigartigen berührungsfreien Bedienkonzept. Wir setzen damit Maßstäbe in puncto Hygiene. Eine 3D-Gestenbedienung im freien Raum sowie eine internetunabhängige Sprachsteuerung erlaubt zudem die vollständige Steuerung aller Gerätefunktionen ohne eine einzige Berührung. Dies gab es noch nie. Und das sind nur einige von den neun Funktionen. Mit "elneos six" sind acht Patentanmeldungen verbunden.

Was ist Ihr Lieblingsfeature?

Ich mag das Display, auf dem der Nutzer seine individuelle Geräteansicht frei konfigurieren kann. Das Display wird eigens für Erfi hergestellt. Aber auch das "Air-Wheel" ist cool. Das ist ein kapazitives Bedienelement, welches unter anderem auch in die Tischplatte eingelassen werden kann und die 3D-Gestenbewegungen direkt an das Gerät überträgt.

Wer kommt auf solche Ideen?

Die Ideen kommen von mir. Ich bin auch Inhaber der Patente und gestalte mit unseren Patentanwälten die Patentanmeldungen. Zudem haben wir ein entsprechendes Entwicklungsteam bei Erfi in Freudenstadt vor Ort sowie mehrere externe Partner, die die umfangreichen Aufgaben umsetzen. Die Sprachsteuerung haben wir zum Beispiel bei einem Spezialisten in Auftrag gegeben.

Wer sind Ihre Kunden?

60 Prozent unserer Kunden kommen aus dem Industriebereich. Forschungs- und Entwicklungslabore, technische Büros sowie alle Fertigungseinrichtungen bilden dabei den Hauptanteil. Vereinfacht: Dort, wo Elektronik-Ingenieure beschäftigt sind, sind auch Laborsysteme von Erfi installierbar. Auch der Bereich Automotive spielt eine wichtige Rolle. Bei Bosch in Reutlingen haben wir jüngst die Forschungs- und Entwicklungsabteilung für E-Bikes umfangreich ausgestattet.

Und welcher Bereich bildet die anderen 40 Prozent?

Das ist die öffentliche Hand. In erster Linie die technischen Berufsschulen, Universitäten und Handwerkskammern mit dem Fachbereich Elektrotechnik, Elektronik und Maschinenbau.

Was kostet ein Labortisch mit »elneos six«?

Die einfachste Version des Gerätes beginnt bei 1500 Euro, aber man kann auch problemlos 10 000 Euro und mehr pro Gerät und Geräteausstattung investieren. Ein Labortisch mit einer guten Geräteausstattung liegt in der Regel im mittleren fünfstelligen Bereich.

Sie stehen seit 26 Jahren an der Spitze von Erfi. Was waren Ihre schönsten Erlebnisse?

Wir hatten einmal einen Kunden aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, der morgens unerwartet auf unserem Messestand auf der Hannover-Messe aufgetaucht ist. Abends hatten wir einen riesigen Auftrag in der Tasche. Das war außergewöhnlich, weil wir damit niemals rechnen konnten.

Sie haben die Firma von Ihrem Vater Ernst Fischer übernommen. Wie stolz ist er auf die Entwicklung?

Ich glaube, dass er sehr stolz ist. Wir haben ein sehr gutes Verhältnis. Ich bin ihm sehr dankbar, dass er mich damals als Geschäftsführer immer gewähren ließ. Für mich war das die Erfüllung meines Lebenstraums. Meine Eltern sind Gott sei Dank gesund und auch im hohen Alter selbstständig.

Zum Abschluss das leidige Thema Corona: Wie ist Erfi bisher durch die Pandemie gekommen?

Mit Blick auf unsere wirtschaftliche Entwicklung dürfen wir überhaupt nicht klagen. 2020 war ein sehr gutes Jahr, da wir die 2019 generierten Aufträge gut umsetzen konnten. Wir hatten keinerlei Beschäftigungsprobleme – und Gott sei Dank auch nur wenige Corona-Fälle in der Belegschaft.

Und in 2021?

Auch in 2021 hat Erfi eine sehr gute Entwicklung hinter sich. Der Auftragseingang war sehr erfreulich. Corona beschäftigt uns jedoch trotzdem vielfach.

Inwiefern?

Wir liegen genau im Durchschnitt der Impfquoten. Das ist schade. Wir testen die Belegschaft jeden Tag, stehen aber hin und wieder auch vor Schwierigkeiten, wenn es um den Einsatz von Personal geht. Ein ungeimpfter Monteur kann auswärts zum Beispiel nicht einfach irgendwo in einem Hotel übernachten. Da muss man kreativ sein.

Was haben Sie gemacht?

Wir mieten dafür Wohnmobile. Unsere Montagen sind ein wichtiger Leistungsanteil am Unternehmenserfolg. Wir montieren in ganz Europa. Das sind ineffiziente Themen, mit denen wir uns eigentlich nicht beschäftigen wollen und die man hätte verhindern können.

Haben Sie beim Thema Corona einen Wunsch an die Politik?

Etwas Grundsätzliches vorweg: Ich möchte nicht an der Stelle der Politiker stehen. Ich kann auch für mich nicht in Anspruch nehmen, dass ich bessere Entscheidungen getroffen hätte oder treffen würde. Meines Erachtens ist es aber geboten, das Impfen weiter stark zu forcieren. Der wirtschaftliche und menschliche Schaden, den wir gerade in den Krankenhäusern und unserer Gesellschaft erleben, ist nicht mehr zu verantworten.

Was befürchten Sie wirtschaftlich?

Die Corona-Auswirkungen auf der Beschaffungsseite sind enorm. Der Preis für Aluminium hat sich verdoppelt, selbst Spanplatten sind rar und im vorigen Jahr schon zum dritten Mal um acht Prozent verteuert worden. Oftmals können wir diese Verteuerung nicht weitergeben. Bei öffentlichen Aufträgen funktioniert dies sowieso nicht. Auch die Elektronikbauteile wie die Halbleiter machen uns Sorgen. Für das Jahr 2023 haben wir daher bereits alle Bauteile geordert – obwohl wir naturgemäß noch keine Aufträge für 2023 haben. Die Lieferzeiten für verschiedene Bauteile betragen teilweise 90 Wochen.

Was wünschen Sie sich für das neue Jahr?

Das Wichtigste ist die Gesundheit. Ich hoffe zudem, dass die weltpolitischen Veränderungen, die auf jedes Unternehmen einwirken, erträglich bleiben. Eine große Gefahr ist die Inflation. Der Wunsch nach fallenden Materialpreisen ist natürlich vorhanden, aber ich bin in diesem Punkt für 2022 noch skeptisch. Und ein letzter Wunsch: Mehr junge Fachkräfte in unserer Region wären sehr wichtig!

Die Ursprünge von Erfi liegen in der Industriewerkbank

Kennzahlen: 1955 gegründet, insgesamt arbeiten bei Erfi rund 110 Mitarbeiter. 11.000 Quadratmeter Produktionsfläche, Industrie-4.0-Produktion, seit 2017/2018 neues Kundencenter mit 1100 Quadratmetern Ausstellungsfläche.

Weltweit unterwegs: In Europa, Russland, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Indien und neuerdings auch in den USA gibt es Agenturen, die Erfi vertreten.

Klares Bekenntnis: „Für Erfi wird Freudenstadt immer Standort und unser Hauptquartier bleiben“, sagt Fischer. Die Erweiterungsmöglichkeiten sind gegeben.