Erstmals seit 17 Jahren zieht mit François Hollande wieder ein Sozialist in den Präsidentenpalast ein.

Paris - Frankreichs künftiger Präsident François Hollande hat sich in der Nacht zum Montag von Zehntausenden Anhängern in Paris feiern lassen. Der 57 Jahre alte Sozialist erschien um kurz vor 1 Uhr zu einer riesigen Freiluft-Party auf dem geschichtsträchtigen Bastille-Platz und dankte seinen Wählern für das Vertrauen. Am selben Ort hatte 1789 die Französische Revolution ihren Anfang genommen.

Mit Spannung wurde am Montagmorgen die Reaktion der europäischen Börsen auf den Linksrutsch in Frankreich erwartet. Hollande plädiert für einen deutlich weniger harten Sparkurs in der Eurokrise. In ganz Europa. „Der 6. Mai wird ein neuer Start für Europa sein, eine neue Hoffnung für die Welt“, sagte er in seiner ersten Rede nach dem Wahlsieg gegen Amtsinhaber Nicolas Sarkozy. Auf dem Bastille-Platz rief er wenig später erneut zum Wandel in Europa auf.

Wahlbeteiligung lag nach bei rund 81 Prozent

Mit François Hollande wird erstmals seit dem Ende der Mitterrand-Ära vor 17 Jahren wieder ein Sozialist Präsident in Frankreich. Der langjährige Parteivorsitzende gewann am Sonntag deutlich die Stichwahl gegen Sarkozy. Nach jüngsten Zahlen des Innenministeriums aus der Nacht kam er auf 51,7 Prozent der Stimmen. Die Wahlbeteiligung lag nach vorläufigen Zahlen bei rund 81 Prozent.

Hollande erhielt noch am Wahlabend eine Einladung der Bundesregierung nach Berlin. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) habe den Sozialisten angerufen und ihm zu seinem Wahlsieg gratuliert, teilte ihr Sprecher Steffen Seibert mit. Merkel habe Hollande eingeladen, möglichst bald nach seiner Amtseinführung nach Berlin zu kommen. Sie muss spätestens am 15. Mai erfolgen.

Die Kanzlerin hatte im Wahlkampf den amtierenden Präsidenten Sarkozy unterstützt. Dessen Partei UMP und die deutsche CDU gehören zur selben konservativen Parteienfamilie. Sarkozy hatte seine Niederlage bereits am frühen Abend eingeräumt und seine Anhänger dazu aufgerufen, den neu gewählten Präsidenten zu respektieren. Er selbst will sich aus der Politik zurückziehen.

Im Ausland wird mit Spannung erwartet, welche Auswirkungen der Machtwechsel in Paris auf die Europa- und Wirtschaftspolitik des Landes haben wird. Hollande, der in den kommenden fünf Jahren die Geschicke der zweitgrößten europäischen Volkswirtschaft lenken wird, hat seinen Anhängern ein sozialeres Europa versprochen. Um für mehr Wachstum zu sorgen, will er unter anderem den mühsam geschnürten EU-Fiskalpakt neu verhandeln. In konservativ regierten Staaten wie Deutschland wird dies allerdings strikt abgelehnt.

"Ich weiß nicht, ob Ihr mich versteht. Aber ich habe Euch verstanden"

Viele Politiker weltweit stellten in ihren Glückwünschen das Thema Kooperation heraus. Er wolle mit Hollande in Wirtschafts- und Sicherheitsfragen eng zusammenarbeiten, sagte beispielsweise US-Präsident Barack Obama nach Angaben des Weißen Hauses. In einem ersten Telefongespräch hätten Hollande und Obama die Wichtigkeit der Allianz zwischen den Völkern Frankreichs und der USA betont, hieß es. Obama habe Hollande eingeladen, ihn noch vor dem Gipfel der G8-Staaten in Camp David und dem anschließenden Nato-Gipfel in Chicago Mitte Mai im Weißen Haus zu besuchen.

Bundespräsident Joachim Gauck schrieb, er sei sicher, dass Deutschland und Frankreich auch in Zukunft ihre „herausgehobene bilaterale Zusammenarbeit“ fortsetzen und vertiefen würden. „Den großen Herausforderungen der EU können wir nur durch eine verantwortliche und solidarische Politik gerecht werden.“

Bei seiner Rede in der Nacht auf dem Bastille-Platz dankte Hollande dem ganzen französischen Volk für das Vertrauen. „Ich weiß nicht, ob Ihr mich versteht. Aber ich habe Euch verstanden“, rief er der jubelnden Menge von einer Bühne mit heiserer Stimme zu. Er habe den Wunsch nach Veränderung vernommen und werde der Präsident der Jugend und Gerechtigkeit sein.

Hollande forderte seine Anhänger zudem auf, sich auch für einen Sieg der Linken bei den Wahlen zur Nationalversammlung im Juni zu engagieren. Als Präsident brauche er in der ersten Kammer des Parlaments eine Mehrheit. Der 57-Jährige erinnerte zudem an den 10. Mai 1981. Damals vor 31 Jahren hatte die Linke am Bastille-Platz den Wahlsieg von François Mitterrand gefeiert. Er war bis 1995 der erste und bislang einzige direkt gewählte sozialistische Präsident Frankreichs gewesen.