Es ist eine dicke Überraschung: Das Management des irischen Billigfliegers Ryanair zeigt sich erstmals bereit für Verhandlungen mit den Piloten. Die deutsche Gewerkschaft begrüßt den Schritt, befürchtet aber auch ein taktisches Vorgehen wegen der angedrohten Streiks.
Stuttgart - Die bei Ryanair organisierten Gewerkschaften in Deutschland, Italien, Portugal und Irland haben am Freitag Post vom Management des irischen Billigfliegers erhalten. Darin werden sie überraschend zu Verhandlungen eingeladen. Dass Ryanair erstmals in den 32 Jahren seines Bestehens die Gewerkschaften als Gesprächspartner anerkennt und über die Arbeitsbedingungen reden will, ist zunächst ein Schritt von großem Symbolwert. Die Streikandrohungen lassen die Gegenseite offenbar nicht kalt.
Die Pilotenvereinigung Cockpit (VC), die mehr als die Hälfte der etwa 450 deutschen Piloten bei Ryanair organisiert, begrüßt diesen ersten Schritt. Jetzt müsse Ryanair die Ernsthaftigkeit der Ankündigung belegen – eine Umkehr könne es nicht geben. „Sobald wir kurzfristige Verhandlungstermine für die geforderten Tarifverträge vereinbart haben, werden wir von den geplanten Streikmaßnahmen absehen“, sagte VC-Präsident Ilja Schulz am Freitagabend. Sollte sich die Ankündigung aber „als reine Hinhaltetaktik“ herausstellen, etwa um das Weihnachtsgeschäft der Airline zu retten, „werden wir auf das Schärfste reagieren“, kündigte Schulz an. Cockpit will nun schon Anfang nächster Woche verhandeln. Jetzt liegt der Ball wieder im Feld des Managements.
Italiener sagen ersten Streik kurz vorher ab
Mit den internationalen Partnern hat sich VC offenbar abgestimmt. Schon früh am Freitag hatte die italienische Pilotengewerkschaft Anpac einen für diesen Tag geplanten vierstündigen Streik storniert. Auch dort wird der Brief von Ryanair-Personalchef Eddie Wilson als „erster sehr wichtiger Schritt“ gesehen. Doch Cockpit reichen die bisher in dem Brief angebotenen zwanglosen Gespräche ohne konkretes Datum nicht aus, um besonderen Optimismus zu zeigen. Zu groß ist die Skepsis auf der Arbeitnehmerseite, dass Airline-Chef Michael O’Leary es nicht ernst meinen könnte. Die Piloten trauten dem Management nicht so weit, wie man einen Kühlschrank werfen könne, spottet der Flugzeugführer einer deutschen Gesellschaft, der nicht genannt werden möchte. In der Vergangenheit sei zu viel schiefgegangen, als dass man Ryanair großen Einigungswillen zutraue.
Von „Sklavenhalterei“ spricht ein deutscher Pilot
Die Vereinigung Cockpit strebt mit ihrer Streikdrohung Tarifverhandlungen zur Regelung „marktgerechter Arbeits- und Vergütungsbedingungen“ an, wie sie sagt. Gemeint sind etwa Konditionen wie bei der Tuifly, die wie Ryanair eine Flotte von Boeing-B-737-Flugzeugen hat. Angestrebt werden, wie es heißt, „vernünftige Arbeitsverträge“ nach deutschem Arbeitsrecht mit Urlaub, Urlaubsgeld, Kündigungs(schutz)recht und einer angemessenen Bezahlung, wobei diese keineswegs oben auf der Wunschliste stehe. Von „Sklavenhalterei“ bei Ryanair spricht verächtlich ein anderer deutscher Pilot.
Das „systematische Sozialdumping“, so die VC, ist auch der Hauptgrund, weshalb „in Scharen die Piloten davonlaufen, weil fast alle anderen Fluggesellschaften bessere Arbeitsbedingungen bieten als Ryanair selbst“. Diese deutliche Unterdeckung an Piloten führe zu zahlreichen Flugausfällen.
Streiks über die Weihnachtsfeiertage ausgeschlossen
Aus Rücksicht auf die Passagiere hatte Cockpit nicht über Weihnachten vom 23. Dezember, nachmittags, bis einschließlich 26. Dezember streiken wollen. Somit wären Aktionen kommende Woche noch immer denkbar. Die italienische Transportvereinigung Fit-Cisl ist von Ryanair nicht zu Gesprächen eingeladen worden. Weil die Offerte nur die Piloten betreffe, wurde der Streikaufruf der Flugassistenten für den Freitag aufrechterhalten. In Deutschland fordert auch die Unabhängige Flugbegleiter-Organisation (Ufo) die Iren zu Tarifverhandlungen auf und versucht zu diesem Zweck, die Solidarität unter den Beschäftigten zu stärken. „Die Stimmung unter den Ryanair-Mitarbeitern brodelt“, heißt es warnend.