Hier am Schillerplatz in Stuttgarts Mitte hat Justizministerin Marion Gentges ihren Dienstsitz. Die Rollläden am "Prinzenbau" sind nicht etwa wegen Ferien heruntergelassen, sondern wegen der brütenden Hitze, die im Stadtzentrum oft herrscht. Im Innern wurde das historische Gebäude gerade umfangreich saniert. Foto: Braun

LZ vor Ort: Wie sich die Landtagsabgeordnete Marion Gentges als oberste Juristin fühlt

Lahr/Kinzigtal/Stuttgart - Seit sechs Wochen ist die CDU-Abgeordnete Marion Gentges als neue Justizministerin für Baden-Württemberg im Amt. Unsere Redaktion hat sie im Stuttgarter Ministerium besucht und mit ihr gesprochen. "Ich fühle mich hier sehr wohl", sagt sie.

Im politischen Stuttgart haben sich die Kommentatoren aus Politik und Presse geradezu überschlagen mit Lob für die neue Ministerin aus dem Kinzigtal, als ihre Nominierung Anfang Mai bekannt wurde. "Stille Überfliegerin" stand in den Zeitungen, gar ein "Shooting-Star" sei die 49-jährige Abgeordnete. Eine Reporterin aus dem Großraum Stuttgart schrieb nach einem Interview mit ihr: "Marion Gentges ist einfach nett" – und meinte dies sehr anerkennend.

Die Menschen im Wahlkreis Lahr, zu dem auch das Kinzigtal zählt, wissen, dass die Politikerin nett ist. Und ruhig, bescheiden, zurückhaltend. Nicht so aufdringlich wie andere Politiker und Politikerinnen aus Land und Bund. Nein, Marion Gentges punktet mit ihrer verbindlichen Art, wenn es um politische Diskussionen geht, vertritt deutlich und klar ihre Haltung, lässt aber auch andere Meinungen gelten und geht vor allem anständig mit Menschen um. Das ebnete ihr bei den Koalitionsverhandlungen zwischen Grünen und CDU in Stuttgart dann plötzlich den Weg ins Ministerium.

Wie geht es ihr dort nun? Unsere Redaktion traf die Politikerin in ihrem Ministerium zum Gespräch.

Wo findet man Marion Gentges in Stuttgart?

Mitten in der Stadt, zentraler geht es fast nicht. Das Justizministerium hat seinen Sitz im historischen "Prinzenbau", einem gerade erst frisch sanierten Gebäude, einen Steinwurf von der Königsstraße und dem Schlossplatz entfernt. Das Gebäude liegt am Schillerplatz, auf dem auch das Stuttgarter Weinfest tobt. Wenn dort gefeiert wird, kommt man kaum aus dem Haus, so voll ist der Platz dann, wissen Mitarbeiter zu berichten. Dürfte für Marion Gentges kein Problem sein, sie ist bekannt volksnah und scheut sich nicht vor Festen.

Hat sie sich im Ministerium schon eingelebt?

"Ja, ich bin hier schon richtig gut angekommen und fühle mich sehr wohl", sagt sie im Gespräch mit unserer Zeitung in einem riesigen Besprechungsraum. Hinter ihr an der Wand prangt in hellblau das Landeswappen, neben ihr die Flaggen von Baden-Württemberg, Deutschland und Europa. "Schön, gell?", fragt sie den Reporter. "Hier sitze ich in Videokonferenzen mit anderen Ministern. Unser Wappen ist dann bestens im Bild", lacht sie verschmitzt.

Wie viele Mitarbeiter hat sie in Stuttgart?

Das sind im Ministerium gut 300 Kolleginnen und Kollegen. Landesweit sind ihr gar 19 000 Justizmitarbeiter unterstellt. "Der Ton hier im Haus ist sehr fachlich, es gibt strukturierte Debatten, das kommt mir sehr entgegen. Aber es geht auch sehr freundlich und menschlich zu, das macht es wirklich angenehm", schildert die Kinzigtälerin.

Mit "Frau Ministerin" angesprochen zu werden: Hat sie sich daran schon gewöhnt?

"Nö!", kommt da sofort als Antwort – und ein lautes Lachen. "Das ist noch ungewohnt." Als ein Mitarbeiter sie das erste Mal so angesprochen hatte, auf dem Gang, von hinten, habe sie erst gar nicht reagiert. "Der musste das dreimal sagen, bis ich begriffen hatte, dass damit ich gemeint war." Jetzt klappe es schon besser.

Ein eigener Chauffeur, wie fühlt sich das an?

Ungewohnt, räumt die Politikerin ein. "Aber es hilft sehr, die Zeit zu nutzen. Ich kann Akten lesen, vertraulich telefonieren. Das ginge etwa im Zug nicht. Der Dienstwagen ist mein rollendes Büro. Da bringe ich unterwegs wirklich einiges weggeschafft. Im Ministerium ist der Kalender ja sonst eng durchgetaktet."

Wie viele Wochenstunden Arbeit kommen in diesem Amt zusammen?

Hat Marion Gentges noch nicht ausgerechnet. "Viele", lacht sie. "Man ist eigentlich ständig im Dienst, immer erreichbar, 24 Stunden an sieben Tagen."

Was sagt die Familie?

"Die trägt das toll mit", berichtet die Mutter einer 17-jährigen Tochter. Diese und ihr Mann, ein Galerist, hätten sich sehr für sie und mit ihr über den Sprung an die Spitze des Ministeriums gefreut. "Auch wenn ich jetzt erkennbar weniger zu Hause sein kann." Sie würden sich Zeitfenster für die Familie einplanen, im eng geschnürten Kalender der obersten Juristin des Landes. Doch für Marion Gentges ist auch klar: "Den Preis für diese Aufgabe, den bezahlen immer die Angehörigen." Und dann erinnert sie sich im Gespräch mit unserer Redaktion daran, das noch dringend etwas für die Tochter abzustimmen ist, mit ihrem Mann. Sie greift zu einem der beiden Handys, dem privaten, und regelt die Sache kurz. "Ja, man muss alles richtig gut planen."

Ihre Anwaltskanzlei in Zell am Harmersbach: Weshalb musste sie diese noch vor dem Start in Stuttgart schließen?

Das regelt das Ministergesetz. Nebentätigkeiten sind da nicht erlaubt. Und zugleich Anwältin sein und als Justizministerin für Richter und Gerichte als oberste Dienstfrau zuständig sein? "Nein, das geht natürlich nicht."

Bleibt die Arbeit im Wahlkreis auf der Strecke?

Da kommt ein ganz klares "Nein!" der Ministerin. Sie habe pro Woche feste Zeiten für Anliegen und Termine im Wahlkreis eingeplant. Das steuere ihr Wahlkreisbüro in Lahr, unabhängig vom Stab des Ministeriums. "Ich versuche, Besuche und Termine auf dem Weg ins Büro oder nach Hause zu legen", erklärt Marion Gentges. Letzthin war sie in Reichenbach auf dem Wochenmarkt zu Besuch. Und es habe natürlich Vorteile auch für den Raum Lahr und das Kinzigtal, wenn eine Vertreterin direkt am Kabinettstisch sitze. "Kein zu unterschätzender Vorteil für unseren Wahlkreis", sagt die Ministerin und zwinkert.

Kommen aus dem Wahlkreis schon erste Bitten?

Ja, die seien sofort gekommen, schon wenige Stunden nach ihrer Nominierung, berichtet die Politikerin. "Das ging tatsächlich nicht lange, da gab es die ersten freundlichen Hinweise, worum ich mich als künftige Ministerin doch gleich mal unbedingt kümmern sollte."

Wie oft trifft sie Ministerpräsident Winfried Kretschmann?

Mindestens einmal pro Woche, in der Kabinettssitzung. Doch es gebe auch immer wieder Vieraugengespräche mit dem Regierungschef.

Zeit für Ehrenämter?

Hat sie nun deutlich weniger. Chefin des Musikschul-Verbandes im Land will sie aber bleiben. Ein Herzensanliegen von ihr, das spürt man im Gespräch. Kurz vor der Ernennung als Ministerin war sie frisch wiedergewählt worden. "Das mache ich weiter. Und was wir an den Musikschulen im Land machen, ist wirklich toll. Gerade auch in Lahr, mit dem vom Land geförderten Digitalisierungsprojekt. Das ist herausragend und gilt als Blaupause für andere Musikschulen", lobt die Verbandspräsidentin.

Und spielt sie selbst noch ein Instrument?

"Oh je! Meine Tochter würde nun sagen, das reicht gerade noch für die Triangel", lacht die Mutter. "Mit ein bisschen Üben würde es sicher auch für die Gitarre wieder reichen." Doch Zeit zum Üben? Fehlanzeige.

Wird die Ministerin auf der politischen Bühne schon wahrgenommen?

Ja, sehr. In den ersten sechs Wochen gab es schon drei juristische Themen, die mit ihr nach Hause gingen: "Häuser des Jugendrechts" werden eröffnet, etwa auch schon in Offenburg. Für Kleinkram-Fälle wie Ladendiebstahl greifen beschleunigte "Express-Verfahren" und Richtern und Staatsanwälten will sie mit individuellem Coaching helfen. Alle drei Themen schafften es in die landesweiten Nachrichten. Würde Marion Gentges nie sagen, doch das ist in so kurzer Zeit beachtlich viel für eine noch ganz neue Justizministerin. Politik hat sie eben gelernt.

 Privates: Marion Gentges (49) ist in Haslach geboren und in Steinach aufgewachsen. Sie stammt aus einem bürgerlichen Elternhaus, ihre Mutter war Bankkauffrau, ihr Vater leitete eine Metallbaufirma. Sie ist verheiratet mit einem Galeristen und hat eine 17-jährige Tochter.n Beruf: Die Rechtsanwältin studierte in Freiburg, war zunächst angestellt und leitete 17 Jahre eine eigene Kanzlei in Zell am Harmersbach. Diese wurde nach der Ernennung als Ministerin abgemeldet.n Partei: Zur Zeit der Wende, vor 30 Jahren, trat sie in die Junge Union und danach in die CDU ein. Beim CDU-Nachwuchs war sie auf Kreis-, Landes- und Bundesebene aktiv. Seit sechs Jahren sitzt sie über ein Zweitmandat für den Wahlkreis Lahr/Kinzigtal als CDU-Abgeordnete im Stuttgarter Landtag.