Thomas Brehm (links) und Martin Schwer (rechts) müssen bald von Luis Mello Abschied nehmen. Foto: Reimer

Knapp ein Jahr hat der Brasilianer Luis Mello in Oberndorf verbracht. Dabei hat ihn so manche typisch deutsche Eigenart vor Herausforderungen gestellt. Nun rückt der Abschied näher – jedoch nicht für immer.

Oberndorf - Die Welt erkunden, fremden Kulturen näher kommen und neue Menschen kennenlernen. Mit seiner ersten großen Reise hat sich Luis Mello ein Stück weit einen Lebenstraum erfüllt.

 

Seit Oktober in Oberndorf

Seit Oktober des vergangenen Jahres ist der 23-Jährige in Oberndorf. Ihn hat es im Rahmen des Reverse-Freiwilligendienstes der Diözese Rottenburg-Stuttgart in die Neckarstadt verschlagen. Er wurde von der Kirchengemeinde St. Michael betreut. Und er hat aus dieser Zeit das Beste gemacht, wie er verrät.

Gefühlt jedes Wochenende war er unterwegs und konnte Deutschland und Europa für sich entdecken. Seine Abstecher führten ihn nach Berlin, Köln, München, an den Bodensee oder auch in Nachbarländer wie Frankreich, Österreich oder die Schweiz. Seine Reiselust war nicht zu bändigen. "Das 9-Euro-Ticket war dann sein Ticket in die Freiheit", sagt Mellos Gastvater Thomas Brehm und lacht. Ein Highlight war die Wallfahrt in den französischen Ort Taizé, der Jahr für Jahr Zehntausende junge Menschen aus aller Welt anzieht.

Kulturschock

Doch die meiste Zeit verbrachte er in Oberndorf. Werktags arbeitete er im Seniorenzentrum, im Kindergarten und in der Tafel. Hier durfte er dann die schwäbische Kultur und typisch deutsche Eigenarten kennenlernen – was ihn anfangs vor so manche Probleme stellte, wie er zugibt.

Insbesondere die schwäbische Mundart sorgte für einen ordentlichen Kulturschock. Sein Fazit nach seinem ersten Arbeitstag im Pflegeheim: "Was war das? Ich habe kein Wort verstanden", sagt Mello und lacht. Während seiner Zeit in Oberndorf hat er aber nicht nur seinen Deutsch-Kenntnissen einen Feinschliff verpasst. Begriffe wie "Muggaseggele" sitzen inzwischen ebenfalls.

Pünktlichkeit bereitet Probleme

Dann wäre da noch die berüchtigte deutsche Pünktlichkeit. Früh musste er lernen: "In Deutschland kommt man fünf Minuten früher zu einem Termin und nicht fünf Minuten später." Wobei fünf Minuten Verspätung wohl noch eine kleine Untertreibung sein dürften. "Er hat mal angekündigt nach dem Mittagessen heimzukommen. Am Ende war es 23 Uhr", erzählt Brehm aus dem Plauderkästchen.

Doch gerade die Pünktlichkeit ist etwas, das Luis Mello in seine Heimat mitnehmen wird. Ebenso wie einige Rezepte. Spätzle und Schnitzel haben es ihm besonders angetan.

Ersten Schneemann gebaut

Mello hat im vergangenen Jahr viel erlebt. Eine Erfahrung, die ihm auch lange in Erinnerung bleiben wird, war der erste Schnee, den er in seinem Leben gesehen hatte. Sein erster selbstgebauter Schneemann ließ dann auch nicht lange auf sich warten.

Thomas Brehm und seine Frau Birgit waren sechs Monate lang Mellos Gastfamilie. "Zusammen sind wir durch alle Höhen und Tiefen gegangen", so Thomas Brehm. Es folgten weitere sechs Monate bei Martin und Susanne Melzer. Ein wesentlicher Grund, weshalb Mello sich in Oberndorf so wohl fühlte, war der Rückhalt, den er erhalten hat. "Ich wusste immer: Ich habe hier auch eine Familie", sagt der Brasilianer.

Brasilianische Lebensfreude

Doch viele weitere Mitmenschen, wie die Tafelleiterinnen Corinna Meßmer und Elfriede Stoll oder auch Pfarrer Martin Schwer haben ihn mit offenen Armen empfangen und ihn so auch über die Zeiten des Heimwehs hinweggeholfen.

Und im Gegenzug hat Mello Lebensfreude und ein Stück brasilianische Kultur nach Oberndorf gebracht und darüber hinaus auch kräftig mitangepackt. Dementsprechend hat er Eindruck hinterlassen. Tafel, Kindergarten und Pflegeheim lassen ihn nur ungern ziehen. "Luis ist unser Paradiesvogel, der voller bunter positiver Überraschungen steckt", sagt Brehm. "Er ist einfach überall beliebt", sagt Pfarrer Schwer. Mit seiner lebensfrohen Art habe er seine Mitmenschen regelmäßig angesteckt.

Am Mittwoch der Rückflug

Am kommenden Mittwoch steigt er in den Flieger nach Brasilien. Nach einem Jahr ist die Vorfreude auf das Wiedersehen mit seiner Familie groß. Mello kommt aus der südbrasilianischen Stadt Sao Leopoldo.

Doch es ist kein Abschied für immer. Den Kindergartenkindern hat er schon einen Besuch versprochen. Und vielleicht wird es ein längerer Besuch. Mello will nach seiner Rückkehr erstmal ein halbes Jahr in seiner brasilianischen Heimat bleiben. Pünktlich zur kommenden Fasnet will er wieder in Oberndorf sein und das große närrische Treiben mitverfolgen.

Er möchte dann auch eine Ausbildung anfangen. Er könne sich vorstellen, einige Jahre in Deutschland zu leben. Doch irgendwann will er weiterreisen. Dann heißt es wieder: Die Welt erkunden, fremden Kulturen näher kommen und neue Menschen kennenlernen.