Sowohl der Segel- als auch der Motorflugsind auf dem Flugplatz Degerfeld zu Hause – mittlerweile seit einem Jahrhundert. Foto: Ulrike Zimmermann

Der Traum vom Fliegen ist so alt wie die Menschheit. Vor 100 Jahren wurde dieser Traum in Albstadt wahr. Tollkühne Pioniere, allen voran Anton Riediger, Karl Häffner und Karl Maier, legten den Grundstein für den heutigen Luftsportverein Degerfeld (LSV).

Keine Frage, der Flugplatz Degerfeld ist ein Aushängeschild von Albstadt. Alljährlich zieht es am letzten Augustwochenende Tausende zum Flugplatzfest, die ein Faible für blank polierte Segelflugzeugraritäten, Motorflugzeuge, Oldtimer und moderne Kunstflugmaschinen haben. In diesem Jahr steht das Spektakel unter dem Motto „100 Jahre Fliegen in Albstadt“.

 

100 Jahre! Bis dahin war es aber ein langer, gefährlicher und mühsamer Weg, vom ersten nach Augenmaß gezimmerten Gleiter bis zu den Flugzeugen der Gegenwart. Die ersten Piloten hangelten sich von Bruchlandung zu Bruchlandung, bis es ihnen gelang, sich in die Lüfte zu erheben. Sie alle verband die Leidenschaft fürs Fliegen – eine Leidenschaft, für die kein Risiko zu groß war.

Die erste Landebahn war gerade mal 150 Meter lang

1923 hatten sich zunächst unorganisierte Gruppen (FAGs) in Ebingen, Bitz, Balingen und Hechingen formiert, die sich regelmäßig trafen, um Baupläne und Informationen auszutauschen. Gestartet wurde am Salebühl, am Mehlbaum, auf der Bitzer Gemarkung, auf Nank bei Tailfingen oder in Hermannsdorf; 1926 fand Anton Riediger dann einen geeigneten Platz neben der Sigmaringer Straße in Ebingen. Er einigte sich mit den Grundstücksbesitzern und pachtete für 150 Reichsmark im Jahr – die er aus eigener Tasche zahlte – noch einige städtische Parzellen für den neuen Flugplatz. Die Start- und Landebahn war anfangs nur 150 Meter lang und 30 Meter breit – doch schon 1928 waren daraus 500 respektive 160 Meter geworden.

Die Ebinger verfolgten diese Entwicklung mit lebhaftem Interesse und Wohlwollen – bei der offiziellen Einweihung 1928 mit Rundflügen über der Stadt kamen 160 Reichsmark Spenden zusammen. Eine enorm hohe Summe: ein Pfund Kartoffeln kostete damals 20, ein halber Liter Bier 24 Pfennige und ein Pfund Rindfleisch eine Reichsmark. Trotz Weltwirtschaftskrise, Massenarbeitslosigkeit und immer unsichereren politischen Verhältnissen herrschte auf den Ebinger Flugplatz reger Betrieb. Anton Riediger gelang 1930 von Ebingen aus die erste Winterlandung auf dem Gipfel des Feldbergs.

Foto: Ulrike Zimmermann

Anfang der 30er Jahre richtete sich das Interesse der Luftsportler dann auf das Degerfeld. Die sanfte Mulde auf der Albhochfläche mit einem Hügel, der „Auf Bergen“ hieß, diente immer öfter als Start- und Landeplatz. Der erste Windenstart von Rudolf Diemer revolutionierte die Segelfliegerei; ab 1935 war der thermische Segelflug bei Ausklinkhöhen von bis zu 200 Metern auch auf dem Degerfeld möglich. Doch mit dem Ausbruch des zweiten Weltkrieges endete der Aufschwung jäh: Jeder Flugsport vor Ort musste eingestellt werden; zahlreiche Mitglieder der örtlichen Fliegergruppe wurden zur Wehrmacht eingezogen und kehrten nie zurück.

Nach dem Krieg war Fliegenerst einmal verboten

Nach Kriegsende untersagten die Alliierten jede private Fliegerei und so fiel der Ebinger Flugplatz dem Vergessen anheim. Erst im November 1951 gründeten Anton Riediger, Rudolf Diemer, Fritz Horn und Richard Geß wieder eine Fliegergruppe – als ein Jahr später der Flugbetrieb auf dem Degerfeld wieder aufgenommen wurde, zählte sie bereits 25 Mitglieder.

Die Katastrophe: Anton Riedigers Unfalltod

Mit Hilfe der Städte Ebingen und Tailfingen wurde 1956 eine große Flughalle, die heutige Rudolf-Diemer-Halle, gebaut und am 16. Juni mit einem Großflugtag eingeweiht. Nur einen Monat später zog das erste Motorflugzeug ein, eine Piper L 4 aus der Schweiz.

Den Namen des Flugpioniers trägt die 1956 erbaute große Halle. Foto: Ulrike Zimmermann

1959 war ein rabenschwarzes Jahr für die Fliegergruppe Ebingen: Am 10. Oktober verunglückte der 60-jährige Flugkapitän Anton Riediger tödlich. Er blieb nicht das letzte Unfallopfer der Fliegergruppe.

Am 25. Mai 1966 schlossen sich die Fliegergruppen Ebingen, Tailfingen und Bitz zum Luftsportverein Degerfeld zusammen. Bereits im Vorfeld hatte die Fliegergruppe Tailfingen die Baracke auf dem Degerfeld zu einem Lokal umgebaut. 1974 erwarb der LSV ein neues Mehrzweckgebäude, und es entstand eine moderne Gaststätte samt Vereinsräumen.

1975 startete der erste Heißluftballon – ein Fluglehrer aus dem westfälischen Telgte hatte ihn mitgebracht, und die Begeisterung war so groß, dass Helmut Röhm und Fritz Rager alsbald die erforderliche Prüfung ablegten und schon 1978 der Ballon mit dem Namen „Albstadt“ erstmals in die Lüfte aufstieg. Seither ist die Ballonfahrt wieder deutlich zurückgegangen, aber bis in die 1990er Jahre erfreuten sich viele Albstädter am Anblick der bunten Gefährte – und beileibe nicht nur Kinder.

Eine 22-Jährige wirdTechnische Leiterin

Die Männerdomäne auf dem Degerfeld bröckelt. Immer mehr Frauen interessieren sich für den Luftsport. 2011 wurde mit Julia Spathelf erstmals eine Frau Fluglehrerin auf dem Degerfeld – damals als einzige unter 28 Ausbildern. Und 2016 wurde Ines Pfabe Technische Leiterin – mit 22 Jahren!

Der LSV Degerfeld
  betreibt ein breites Spektrum von Luftsportdisziplinen, vom Segelflug über den Motorflug bis hin zum Ballonsport. Er erfüllt die aktuellen europäischen Richtlinien, ist eine geprüfte Ausbilderorganisation (ATO) und zählt zu den erfolgreichsten Luftsportverein im Land.Jedes Jahr werden die Flugzeuge vor Beginn der Saison auf Herz und Nieren getestet. Ohne Prüfung und TÜV der Technischen Betriebe des Baden-Württembergischen Luftsportverbands kann der Flugbetrieb nicht starten.Die Prüfung hat im April stattgefunden; die Vorbereitungen aufs große Fliegerfest am letzten Augustwochenende laufen – das Jubiläum soll gebührend gefeiert werden.