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Ungebremst steuert die Lufthansa in den größten Pilotenstreik der deutschen Luftfahrtgeschichte

Frankfurt/Main - Ungebremst steuert die Lufthansa in den größten Pilotenstreik der deutschen Luftfahrtgeschichte.

Ein Vermittlungsversuch von Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) blieb am Sonntag ebenso erfolglos wie das Angebot der Pilotenvereinigung Cockpit (VC), einen wichtigen Streitpunkt zunächst auszuklammern. VC-Sprecher Jörg Handwerg sagte am Abend: "Ich gehe fest davon aus, dass wir morgen streiken müssen."

Die Gewerkschaft hat mehr als 4000 Piloten aufgerufen, die Jets von Lufthansa sowie ihrer Töchter Germanwings und Lufthansa Cargo von Montag um Mitternacht bis einschließlich Donnerstag stehenzulassen. Zehntausende Passagiere dürften betroffen sein, die Lufthansa rechnet mit Millionenschäden.

Die größte Fluggesellschaft Europas erklärte, sie sei zu Gesprächen ohne Vorbedingungen bereit. Gleichzeitig aber verlangte sie von den Piloten, ihren "unerfüllbaren und rechtswidrigen Forderungskatalog" fallen zu lassen. Dann könne eine Einigung schnell erfolgen, habe Lufthansa-Chef Wolfgang Mayrhuber auch dem VC-Präsidenten Winfried Streicher persönlich mitgeteilt. Ein VC-Sprecher erklärte, man habe den Eindruck, die Lufthansa sei nicht an einem Verhandlungserfolg interessiert.

Die in den vergangenen Jahren durch Zukäufe schnell gewachsene Lufthansa will unter anderem Forderungen der Gewerkschaft vom Tisch bekommen, in denen sie eine Ausweitung deutschen Tarifrechts auf das Ausland sieht. Nach einem 1992 abgeschlossenen Vertrag müssen nach VC-Lesart Piloten von Auslandstöchtern, die unter Lufthansa-Logo fliegen, nach dem Konzerntarif bezahlt werden. Bislang betrifft dies nur die Lufthansa Italia, in der sich das Unternehmen das Recht vorbehält, auch zu italienischen Tarifbedingungen einzustellen.

Die Pilotengewerkschaft hatte angeboten, das Thema auszuklammern und gerichtlich klären zu lassen. Ramsauer erklärte, das Feld für weitere Gespräch sei bereitet. Er rechne mit Verhandlungen am Montag oder Dienstag.

Ausländische Airlines wollen größere Flugzeuge einsetzen

Die Flughäfen in Deutschland rüsteten sich für den Streik. Flüge aus dem Ausland nach Deutschland wollen die Piloten zwar noch absolvieren, dann aber die Maschinen parken. Die Deutsche Bahn rechnet mit deutlich mehr Reisenden, wenn die innerdeutschen Flüge ausfallen. Einige ausländische Airlines wollen größere Flugzeuge einsetzen, um gestrandete Passagiere aufnehmen zu können. Dazu gehören auch Gesellschaften des Lufthansa-Konzerns wie die Swiss und Partner aus dem Netzwerk "Star Alliance" wie die polnische LOT.

Nach dem Notfallplan der Lufthansa sollen rund zwei Drittel der bestreikbaren Flüge ausfallen, ein Drittel soll unter anderem mit Hilfe von Piloten aus dem Management angeboten werden. Insgesamt würden damit bei Lufthansa rund 3200 Flüge ausfallen. Beim Billigflieger Germanwings sollen rund zwei Drittel der Flüge trotz des Streiks stattfinden - es wurden unter anderem Maschinen und Besatzungen von anderen Gesellschaften angemietet.

In dem Tarifkonflikt geht es um Geld, Arbeitsplatzsicherheit und um den Einfluss der Piloten auf die Konzernpolitik. Lufthansa- Personalvorstand Stefan Lauer konkretisierte das Angebot der Lufthansa und sagte der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung": "Wir sind bereit, eine Arbeitsplatzgarantie bis Ende 2012 zu geben." Im Gegenzug erwarte das Unternehmen aber "mehr als die bislang angebotenen zwölf Monate Nullrunde".

Strecken an billigere Töchter verlagern

Ein Kernpunkt des Streits ist die Befürchtung der Gewerkschaft, die Lufthansa könnte Strecken an billigere Töchter verlagern. In den vergangenen acht Jahren sei die Zahl der Lufthansa-Maschinen im Konzern von 300 auf 850 gestiegen, aber nur zwei Maschinen seien im Geltungsbereich des Konzerntarifvertrages hinzugekommen, sagte VC- Sprecher Handwerg. Das Unternehmen spricht dagegen von einem kontinuierlichen Stellenzuwachs im Bereich des Konzerntarifs um rund 20 Prozent. Es gebe keine Pläne, Arbeitsplätze ins Ausland zu verlagern, sagte Konzernsprecher Klaus Walther.

Die Industrie befürchtet im Falle eines Streiks Folgen für die Exportnation Deutschland: Für einen Streik würde Deutschland einen hohen Preis zahlen müssen, warnte der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Hans-Peter Keitel, in der "Bild am Sonntag". "Ein Streik wäre doppelt bitter in einer wirtschaftlich sensiblen Phase: Gerade jetzt sind die endlich wieder erstarkenden Unternehmen ganz besonders auf eine funktionierende Infrastruktur angewiesen."

Lufthansa und Germanwings bieten betroffenen Passagieren kostenlose Stornierungen oder Umbuchungen an. Auf den innerdeutschen Strecken kann auf die Bahn ausgewichen werden. Zudem wollen die Airlines für die Betreuung der auf Flughäfen festsitzenden Fluggäste sorgen. Nicht bestreikt werden Lufthansa-Regionalpartner wie Cityline oder Eurowings, die auf weniger stark nachgefragten Routen unterwegs sind. An normalen Tagen befördern Lufthansa und ihre Regionalpartner im Schnitt rund 150 000 Passagiere.

Sonderflugplan Lufthansa: http://dpaq.de/Lufthansa-Streik

(dpa)