Eine Lufthansa-Maschine landet am Flughafen in Stuttgart. Foto: Bernd Weißbrod/dpa

Die Diskussionen um die Abschaffung der Vorkasse bei Flügen hat Fahrt aufgenommen. Ist sie realistisch? Und vor allem gut für die Verbraucher? Ein Luftfahrtexperte hat eine klare Meinung.

Prof. Dr. Christoph Brützel hat in seiner Laufbahn im Luftverkehrsbereich viel erlebt. Er war bei der Lufthansa, bei LTU, später auch bei der Unternehmensberatung A.T. Kearney – und bis in die Pandemie Professor für „Aviation Management“ an der IUBH International University Bad Honnef.

Als unsere Redaktion ihn erreicht, befindet er sich noch im Urlaub. Auf einem Boot. Den Vorstoß der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) hat er aber sehr wohl mitbekommen. Demnach sollen Passagiere künftig nicht mehr gleich bei Flugbuchung den vollen Ticketpreis zahlen.

Begründet wird der Vorstoß mit „zinslosen Krediten“, die Passagiere den Airlines geben würden. Mit nicht oder nicht rechtzeitig gezahlten Erstattungen, sofern Flüge verspätet oder ausgefallen sind. Und mit dem Risiko, dass Fluggesellschaften in die Insolvenz gehen könnten – und es in den vergangenen zehn Jahren zum Beispiel mit Air Berlin oder Germania auch sind.

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Verbraucherschützer mit einer „Schnapsidee“?

Christoph Brützel kann die Verbraucherschützer verstehen, spricht aber dennoch von einer „Schnapsidee“. Fluggesellschaft, Sicherheitsdienste und Bodenpersonal benötigten als Dienstleister im Vorfeld eines Fluges Planungssicherheit und seien darauf angewiesen, dass für eine Reservierung auch bezahlt werde.

Ein weiterer Punkt: „Man kann den Luftverkehr nicht national betrachten, sondern nur als globalen Markt“, sagt Christoph Brützel. Die aktuellen Prozesse sind seit jeher üblich. „Wie buchen dann Menschen in Asien und den USA einen Lufthansa-Flug – auch per Vorkasse? Oder weichen sie auf andere Airlines aus? Der Vorstoß ist nicht zu Ende gedacht.“ Tickets am Flughafen zu verkaufen, sei „absoluter Unfug“.

CDU-Politiker aus Albstadt warnt vor Verlust der Attraktivität

Das sieht der in Meßstetten aufgewachsene und direkt gewählte Abgeordnete des Wahlkreises Zollernalb-Sigmaringen Thomas Bareiß ähnlich. „In einem wachsenden globalen Reisemarkt ist es sehr wichtig, dass Deutschland für Airlines und Flughäfen wettbewerbsfähig bleibt und nicht an Attraktivität verliert“, sagt der CDU-Verkehrspolitiker.

Christoph Brützel verweist zudem darauf, dass der Verbraucherschutz in der Luftfahrt – im Gegensatz zu anderen Verkehrsträgern wie zum Beispiel der Deutschen Bahn – schon sehr weitgehend ist. Bei Verspätungen von drei Stunden oder kurzfristigen Annullierungen hat der Passagier selbst bei Inlandsflügen laut EU-Fluggastrichtlinie 261 einen Anspruch auf eine Entschädigung in Höhe von 250 Euro. Je weiter der Flug, desto höher auch die Entschädigungssumme. Ob die Airlines allerdings in der vorgegebenen Frist von sieben Tagen zahlen, steht wiederum auf einem anderen Blatt – ebenfalls ein Kritikpunkt der Verbraucherschützer.

Kritik an Lufthansa, Eurowings und Co.: „Das ist unverschämt“

Apropos: Die Kritik von Christoph Brützel richtet sich eher an Lufthansa, die die Strecke Stuttgart - Frankfurt wieder fliegt, und Eurowings, Flughäfen, Sicherheitsfirmen und andere „Handling Agents“, die im Oktober 2021 den Sommerflugplan 2022 abgestimmt haben. „Von da an hätten alle Parteien Zeit gehabt, Personal zu finden, um den Flugplan entsprechend umzusetzen“, erklärt Brützel. Passiert sei jedoch nichts. „Was in diesem Jahr gelaufen ist, halte ich für sehr verantwortungslos. Im Mai zu sagen, dass man keine Leute finde, ist unverschämt.“